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Gärtner spürt alte norddeutsche Apfelsorten auf

Von Birgit Sander 21.09.2009, 09:11

Schwerin/Bartow/dpa. - Der Apfel ist die Nummer eins unter den heimischen Obstsorten. Er lässt sich vielfältig verarbeiten, auf Kuchen, zu Dessert, Mus und Most, Wein und Obstbrand.

Er lässt sich problemlos für unterwegs in die Tasche stecken und als einziges heimisches Obst über den Winter lagern, sagt Gärtnermeister Michael Hager im mecklenburgischen Bartow. Die Apfelvielfalt ist mit weltweit mehr als 10 000 Sorten riesig. Selbst der Supermarktkunde kennt fünf, sechs Sorten. Wirtschaftlich bedeutend sind in Deutschland 20 bis 30.

Mehr als 200 Apfelsorten hat Gärtnermeister Hager allein in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zusammengetragen. Er stellt die Früchte, darunter einige Raritäten, in seinem Betrieb aus, lädt zu Verkostungen und Sortenbestimmungen ein. «Etliche Sorten werden noch von Kunden hinzukommen, so dass es an die 300 werden», ist er sich sicher. Als Mitglied im Pomologen-Verein sagt er: «Mir liegt besonders der Erhalt alter pommerscher Apfelsorten am Herzen.» 

Auf seinem Gelände stehen aus Platzgründen nur 20 Apfelbäume. Gern streift er durch die Umgebung und spürt in verlassenen Gärten und Gutsparks, an Wegen und auf Streuobstwiesen Apfelbäume auf. «Manchmal ist von einer Sorte vielleicht nur noch ein Baum vorhanden», sagt er. Im vorigen Jahr habe er Reiser von fünf seltenen, altersschwachen Bäumen abgenommen, andere Bäume veredelt und die Sorten so gerettet. Der Obstanbauberater Rolf Hornig in Schwerin schätzt den Erhalt alter Sorten: «Sie sind Genreserven», sagt er. «Aber man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass die alten Sorten besser sind als die neuen.» Bei Verkostungen bemerke er, dass bei den Menschen oft Kindheitserinnerungen eine Rolle spielten und dieselben Sorten ihnen heute gar nicht mehr schmeckten. «Es gibt sehr wohlschmeckende moderne Sorten», sagt Hornig und nennt Elstar, Shampion und Topaz.

Auch seien die alten Sorten nicht alle robuster. Die Bäume auf den Plantagen - ob konventionell oder biologisch - müssten pro Saison 15, 20 oder 25 Mal gegen tierische Schädlinge und Pilze gespritzt werden. Die neuen Sorten seien so gezüchtet, dass die Früchte weniger druckempfindlich und länger haltbar seien. «Wenn sie in der Auslage hässlich aussehen, kauft sie niemand», gibt Hornig zu bedenken. Bei moderner Kühltechnik seien Sorten wie Jona Gold, Golden Delicious und Braeburn lagerfähig bis zum Anschluss an die neue Ernte.

Hager hält dagegen, dass es haltbare alte Sorten gibt wie den Altländer Pfannkuchenapfel, der erst Monate nach der Ernte im März richtig schmeckt und bis Juli hält. Manche Äpfel könnten in Mieten oder im Naturkeller zwölf Monate lagern. Zudem berichtet er von Kunden, die meinten, sie seien Apfelallergiker. Dann habe sich herausgestellt, dass sie nur auf die handelsüblichen Sorten allergisch reagieren, andere aber sehr gut essen können.

Während Hager berichtet, dass die Bäume in den Gärten in Vorpommern «proppevoll» hängen, erwarten die Plantagen eine geringe Ernte. Laut Hornig sind im Land nach dem Rekordergebnis von 2008 mit 53 000 Tonnen in diesem Jahr nur etwa 35 000 Tonnen zu ernten. Ein Grund sei der Frost am 19./20. April. Auch sei es zu trocken gewesen. «Wir tun gut daran, weiter in Bewässerung zu investieren», meint er. Viele Sorten schwankten auch zwischen Ertrags- und Ausfalljahren. So bringe Elstar diesmal nur die Hälfte der Vorjahresernte.

Europaweit gehen Prognosen von einer sieben Prozent geringeren Apfelernte als 2008 aus. Größter Apfelproduzent ist Polen mit 2,6 Millionen Tonnen, Deutschland liegt nach Italien und Frankreich mit einer Million Tonnen auf Platz vier. In Mecklenburg-Vorpommern wachsen Most- und Tafeläpfel auf 1250 Hektar in etwa zehn Betrieben vor allem in Westmecklenburg und bei Rostock. In Schleswig-Holstein werden besonders westlich von Hamburg und zwischen Lübeck und Kiel Äpfel angebaut, insgesamt auf 580 Hektar.