1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Garten: Garten: Obst an Spalieren ziehen

Garten Garten: Obst an Spalieren ziehen

27.03.2003, 10:49
Birnen-Spalier an der Gartenwand. (Foto: dpa)
Birnen-Spalier an der Gartenwand. (Foto: dpa) Marion Nickig

Bonn/dpa. - «Wie die Birne am Spalier, Liebchen, hängt mein Herz an Dir» - diesen Reim dürften heute nicht mehr viele Menschen verstehen. Schließlich ist die Kunst, Obstgehölze an Holzgerüsten in Form zu ziehen, in den zurückliegenden Jahrzehnten mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Dabei ist sie gerade für heutige, oft nicht gerade große Gärten interessant, denn Spalierobst macht Obstkultur auf kleinstem Raum möglich. Zudem reifen Früchte an Spalieren, die häufig vor sonnenbeschienenen Mauern stehen, sehr gut und werden besonders süß.

Spaliere bestehen aus Ästen, die durch Binden und Schneiden in Form gezogen werden. Wer Experten über die verschiedenen Spielarten, die dabei möglich sind, diskutieren hört, dem schwirrt möglicherweise bald der Kopf: «U-Form», «Doppeltes U», «Palmette» oder «Verrier-Palmette» heißen die Fachbegriffe. Doch ganz so kompliziert, wie es sich anhören mag, ist die Kunst des Spalierziehens gar nicht.

Standorte finden sich in jedem Garten: So können sie als Hecken oder Trennwände zwischen verschiedenen Gartenteilen eingesetzt werden. Auch Sichtschutzmauern lassen sich mit ihnen verdecken. Besonders oft werden Hauswände mit Blüten, Blättern und Früchten geschmückt.

Dabei sind die warmen Südseiten vor allem Wein, Pfirsichen, Aprikosen und Birnen vorbehalten. An der trockenen Ostseite können Hobbygärtner beispielsweise Quitten und Aprikosen ziehen. Die feuchte Westseite bekommt dagegen vor allem Äpfeln gut, mit Nordseiten nehmen allenfalls Sauerkirschen vorlieb. Süßkirschen eignen sich nicht als Spalierobst.

Damit das Spalier Form bekommt, ist ein kräftiges Gerüst nötig. An Hauswänden sind dafür starke Holzlatten ideal, die mit etwa drei Zentimetern Abstand von der Wand befestigt werden. Für freistehende Spaliere wird kräftiger Draht zwischen solide Pfosten gespannt. Der unterste Draht beziehungsweise die unterste Holzlatte wird in etwa 60 Zentimetern Höhe über dem Boden angebracht, alle anderen in jeweils 90 Zentimeter Abstand. Die vertikal angebrachten Drähte oder Hölzer sollten je 40 Zentimeter Abstand voneinander haben.

Beim Formen der Äste kommt es darauf an, gleichmäßig starke Leittriebe zu ziehen, die alle gleich viel Licht und Sonne bekommen und dicht mit kurzen Blütenzweigen besetzt sind. Beginnen sollte das Formen mit einjährigen Veredlungen, also Pflanzen, die im vorangegangenen Jahr veredelt wurden. Sie sind in Baumschulen erhältlich. Den ersten Versuch unternimmt man am besten mit einer Pflanze in einfacher Spindelform. Sie wächst als gleichmäßig schlanker, aufrechter Baum mit nur einem Leittrieb.

Wie bei allen Spalieren werden von sämtlichen Seitentrieben der Spindel ab Ende Mai die Spitzen abgeknipst und waagerecht oder in schrägem Winkel aufgebunden. Je Trieb sollten vier oder fünf Blätter stehen bleiben. Sobald die nun austreibenden Seitenknospen erneut drei Blätter entwickelt haben, wird wiederum entspitzt.

Durch das häufige Schneiden und Abbinden werden die Zweige dazu gebracht, statt kräftig zu wachsen, besonders viele Blüten zu entwickeln. Das Ergebnis sind kurze, dicht mit Blütenknospen besetzte Seitentriebe. Für Hobbygärtner, die die Prozedur des häufigen Stutzens scheuen, bieten sich Ballerina-Äpfeln an. Sie wachsen von Natur aus spindelförmig. Dicht mit Blüten- oder Fruchttrieben besetzt, liefern sie selbst im Kübel auf dem Balkon süße Früchte.

Auch bei U- oder palmettenförmigen Spalieren muss sich der Gärtner nicht sofort auf die eigenen Schnittkünste verlassen. Immer mehr Baumschulen und Gartencenter bieten junge, bereits formierte Apfel-, Birnen-, Pfirsich- oder Aprikosenbäumchen an. Der knifflige Start ist damit bereits erledigt.

Wer dennoch von Anfang an selbst ein U-förmiges Spalier ziehen möchte, sollte zunächst den Leittrieb auf zwei kräftige seitliche Knospen in etwa 40 Zentimetern Höhe über dem Boden zurückschneiden. Aus beiden Knospen entwickeln sich die künftigen Leittriebe: der rechte und der linke «Schenkel» des «U». Beide werden durch vorsichtiges Biegen und Anbinden an das Gestell etwa 25 Zentimeter weit waagerecht vom Stamm weggeleitet. Dann geht es im Bogen nach oben und, immer wieder sorgsam angebunden, in die Vertikale.

Meist entwickeln sich die «Schenkel» nicht von allein gleichmäßig. Dann wird die Spitze des kräftigeren im Sommer gestutzt und im darauf folgenden frühen Frühjahr kräftiger zurückgeschnitten als der schwächere Trieb. So wird die Form des «U» nicht nur optisch in der Waage gehalten. Auch bei allen anderen Spalierformen gilt das Prinzip, durch gezieltes Stutzen und Schneiden stark wachsende Triebe zu hemmen und damit die Kräfte auf schwächere Triebe umzulenken.

Alle anderen Spalierformen bauen sich vergleichbar auf: Das «Doppelte U» entsteht, wenn beide Triebe erneut auf zwei kräftige Knospen geschnitten und in U-Form gezogen werden. Die «Palmette» wird aus drei Augen aufgebaut: Der mittlere Trieb darf senkrecht wachsen, die beiden anderen U-förmig. Eine besonders schöne, sehr strenge Form ist die «Verrier-Palmette», deren Haupttrieb in Abständen von etwa 35 Zentimetern immer wieder auf drei Augen zurückgeschnitten wird. So entsteht eine Kandelaberform, die auch größere Hauswände überzieht.