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Garten Garten: Maiengrün und Niesreiz

24.04.2003, 09:26
Trauerbirke (Foto: dpa)
Trauerbirke (Foto: dpa) Marion Nickig

Bonn/dpa. - Als erster Baum im Jahr verlockt die Birke mit zartem Frühlingsgrün. Sie galt und gilt vielerorts noch immer als Symbol der Fruchtbarkeit. Ihre frischen Zweige begrünen Wohnung, Haus und Hof, und auch im regionalen Brauchtum spielt sie eine große Rolle - sei es beim Maibaum, der Fronleichnamsprozession oder dem Pfingstausflug. Dennoch ist die Zuneigung zu dem eleganten Baum nicht uneingeschränkt. Vor allem Allergiker haben mit ihm ihre Probleme.

Birken gehören zu den Windbestäubern, ihre Pollen fliegen im Wind kilometerweit. Fünf Millionen Stück können das pro Kätzchen sein - viel Reizpotenzial für gequälte Schleimhäute. Desensibilisierung durch Birkenknospen gilt als Therapiemittel gegen den Heuschnupfen. Denn entkommen kann man den Birkenpollen kaum - die Bäume sind nahezu allgegenwärtig. Sie zählen zu den Pioniergehölzen, die unbewachsene Flächen in kürzester Zeit erobern. Aus laubgefüllten Dachrinnen reckt sich ihr Grün, auf zerfallenden Gebäuden wiegen sie ihre Zweige. Stillgelegte Bahnanlagen verwandeln sich schnell in Birkenhaine.

Das Geheimnis der starken Ausbreitungskraft sind die winzigen, geflügelten Samen, die sie kaum weniger verschwenderisch verstreuen als ihre Pollen. Zu Millionen segeln sie ab August aus den Birkenkronen. Bis zu 1,5 Kilometer kann sie der Wind an ihren neuen Standort tragen, den sie mit großer Zähigkeit erobern. Überleben auf trockenem Untergrund macht das flache, dichte Wurzelwerk der Birken möglich, das Regenfeuchtigkeit schnell aufnimmt.

Die weiße Rinde, die aus Betulin immer wieder neu aufgebaut wird, ist ein perfektes Schutzsystem vor Sonnenbrand und Spannungsrissen im Stamm, wie sie durch heftige Temperaturwechsel im Vorfrühling entstehen können. Besonders weiß strahlt die Rinde bei Himalaya-Birke (Betula utilis 'Doorenbos') und Papierbirke (Betula papyrifera). Letztere trägt ihren Namen, weil die Rinde tatsächlich zum Schreiben verwendet wurde.

Einen Großteil ihrer Widerstandkraft beziehen Birken aus der Symbiose mit Wurzelpilzen. Die so genannten Mykorrhiza-Pilze verbessern die Nährstoff- und Feuchteversorgung des Baumes und schützen ihn vor Schadpilzen. Pilzsammler kennen die enge Bindung und freuen sich über Birkenpilze, Birkenröhrlinge und den Anblick prächtiger Fliegenpilze, die als Fruchtkörper aus dem Pilzgeflecht um die Wurzeln entspringen. Aus dem engen Miteinander von Pilz und Baum erklärt sich vielleicht auch die große Empfindlichkeit der Birken gegenüber nachträglichem Umpflanzen: Dann lassen die Bäume ganze Zweigpartien absterben oder gehen sogar ein.

Erst gärtnerisches Können macht Birken umpflanzbar. Durch regelmäßiges Umstechen und Umpflanzen von frühester Jugend an konzentriert sich die Wurzelmasse auf den Ballen. Ähnliches gilt für Birken, die im Container herangewachsen sind. Nicht nur die beiden heimischen Birkenarten, die Sandbirke (Betula pendula) und die feuchte Böden liebende Moorbirke (Betula pubescens) sind so in der Lage, am neuen Standort Fuß zu fassen.

Ein ganzes Sortiment verschiedener Arten und Sorten steht demjenigen zur Verfügung, der mit dem lichten Birkengrün den eigenen Garten schmücken möchte. Aber es gilt sorgfältig zu wählen, damit die richtige Sorte am geeigneten Platz ungetrübte Freude bringt. Wichtigstes Kriterium ist die Größe. Mit bis maximal 20 bis 25 Metern Höhe werden Sand- und Moorbirke für die meisten Gärten viel zu groß. Ähnliches gilt für die beliebte Hängebirke (Betula pendula 'Tristis') mit ihren 15 bis 20 Metern Endhöhe.

Stattdessen verbreitet die Trauerbirke (Betula pendula 'Youngii') den gleichen Charme in zierlicher Ausführung. Sie wächst eigentlich kriechend, wird aber meist auf 2 bis 3 Meter hohe Stämmchen veredelt, von denen die dünnen Zweige schleppenartig herabhängen. Wird ein Zweig als Leittrieb bis zur gewünschten Kronenhöhe aufgebunden, sind auch bis zu 6 Meter Höhe möglich. Ganz klein bleiben die Strauchbirken wie Zwergbirke (Betula nana), Betula humilis oder Betula 'Trost's Dwarf'. Mit 1 bis 2 Metern Höhe verleihen sie auch noch so kleinen Gärten Leichtigkeit.

Keine weiße, sondern eine prachtvolle kupferfarbene Rinde entwickelt die 6 bis 8 Meter hoch werdende Chinesische Kupferbirke. Junge Stämme wirken besonders schön, dann ist das Orangerot der Rinde bläulich überhaucht. Nicht nur auf Grund der schneeweißen Stämme zählt Betula utilis 'Doorenbos' zu den schönsten Gartenbirken. Sie wächst locker und lässt genügend Licht für Unterpflanzungen durch. Anderen Arten erlauben das mit zunehmendem Alter immer weniger. Heide und Efeu, Spindelstrauch (Euonymus fortunei), Kleines Immergrün, Maiglöckchen, Elfenblume (Epimedium) und Zwiebelblumen wie Scilla und Krokus können sich unter Birken breit machen. Am besten werden sie gleich nach Pflanzung der Birke gesetzt, um deren Wurzeln zu schonen.

Birken entwickeln sich ungeschnitten am schönsten - und wer die richtige Birke für seinen Garten gewählt hat, wird auch kaum schneiden müssen. Ist es doch einmal unumgänglich, wird nur in den Spätsommer und Herbstmonaten geschnitten. Der sonst übliche Schnitt im Spätwinter und Frühjahr lässt Ströme von Saft aus der Wunde fließen, im schlimmsten Fall bluten sie sich zu Tode.

Der starke Flüssigkeitsdruck im Stamm kann aber auch genutzt werden, um Birken zu «melken»: Die Rinde wird nur angeritzt, so werden bis zu 50 Liter Flüssigkeit aus einem Baum aufgefangen. Zucker- und mineralreich ist das so gewonnene Birkenwasser. Kennern gilt es als Mittel gegen Haarausfall, Kopfjucken und Schuppen. Der Saft lässt sich aber auch zu schäumendem Birkenwein vergären.