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Drogenkonsum in der Familie Hilfe, mein Kind kifft

Wie reden Eltern am besten mit ihren Kindern über Cannabis und andere Drogen? Experten haben am Telefon Ratschläge gegeben.

05.07.2024, 16:45
Das Kiffen ist inzwischen über weite Strecken legal, aber deshalb nicht gesundheitlich unbedenklich.
Das Kiffen ist inzwischen über weite Strecken legal, aber deshalb nicht gesundheitlich unbedenklich. Foto: DPA

Wie gefährlich ist das Kiffen? Wie sollten Eltern ihre Söhne oder Töchter darauf ansprechen? Wie kommt man von der Droge weg? Viele Leserinnen und Leser wandten sich beim Telefonforum mit ihren Fragen an das Expertenteam der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Hier die interessantesten Fragen und Antworten:

Als wir unseren Sohn (14) geradeheraus fragten, ob er kifft, ließ er uns einfach stehen. Wir sind ratlos …Eltern haben manchmal den Eindruck, dass alles, was sie tun, in den Augen ihres Kindes falsch ist. Doch auch wenn Ihr Sohn das nicht zugeben mag, ist ihm Ihre Meinung und Ihr Interesse wichtig. Als Eltern sind Sie immer ein Orientierungspunkt. Bleiben Sie im Gespräch mit Ihrem Kind. Unter www.cannabispraevention.de/eltern finden Sie dazu Hinweise.

Die Mutter meines Sohnes (19) macht Theater, weil er oft kifft. Was ist denn daran so schlimm?

Ein junges Gehirn ist noch nicht voll ausgereift. Das ständige „Fluten“ mit dem Cannabis-Wirkstoff THC stört den Reifeprozess. Je höher der THC-Gehalt, desto gefährlicher. Wenn junge Menschen regelmäßig kiffen, riskieren sie, dass sich ihre geistige Leistungsfähigkeit verringert und dass sie sich in ihrer Persönlichkeit nicht weiterentwickeln. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass Kiffen in jungen Jahren mit Gehirnveränderungen in Zusammenhang steht, die das Risiko für Schizophrenie erhöhen können.

Einerseits will man Jugendliche vor Cannabis schützen, andererseits ist es jetzt frei zugänglich. Wie soll das zusammenpassen? Für Jugendliche unter 18 Jahren bleibt Cannabis auch mit dem neuen Gesetz verboten – sowohl Konsum, Erwerb, Besitz als auch Anbau. Die Weitergabe von Cannabis an Jugendliche kann wesentlich stärker bestraft werden – mit mindestens zwei Jahren Freiheitsentzug. Ebenso wichtig ist, dass mit dem neuen Gesetz Cannabis aus der Tabuzone geholt wurde. Jugendliche können jetzt umfassend und glaubwürdig über die Gefahren von Cannabis aufgeklärt werden.

Warum ist man nicht beim Verbot von Cannabis geblieben? Das wäre doch viel einfacher gewesen.Trotz des Verbots haben Erwerb und Besitz von Cannabis in den vergangenen Jahren zugenommen. Mit dem neuen Gesetz kann die Qualität von Cannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden. Cannabis vom Schwarzmarkt ist häufig mit erhöhtem Gesundheitsrisiko verbunden. Der THC-Gehalt ist unbekannt, giftige Beimengungen sind möglich. Darüber hinaus soll die Legalisierung des Eigenanbaus von Cannabis die organisierte Drogenkriminalität eindämmen.

Wo es Hanf-Pflanzen gibt

Woher bekommt man die Hanf-Pflanzen, wenn man selbst welche anbauen will?Von den Anbauvereinigungen, die sowohl Samen als auch Stecklingen für den Eigenanbau verkaufen können. Außerdem bieten sie wissenschaftlich geprüfte Informationen über Cannabis, die Dosierung, die Anwendung und die Risiken des Konsums. Der private Eigenanbau muss vor dem Zugriff von Kindern, Jugendlichen sowie Dritten geschützt werden.

Ist bekannt, wie die Cannabis-Pflanze das Rauschgefühl beim Menschen erzeugen kann?Wissen muss man, dass der Körper Cannabinoide auch selbst produziert. Sie werden aber nur ausgeschüttet, wenn sie gebraucht werden, zum Beispiel um ein inneres Gleichgewicht zu halten, den Schlaf zu fördern oder den Blutdruck zu stabilisieren. Beim Kiffen hingegen wird der Körper ganz ohne Grund mit pflanzlichen Cannabinoiden, zum Beispiel Tetrahydrocannabinol, kurz THC, geflutet. Die docken an den gleichen Rezeptoren wie die körpereigenen Cannabinoide an und bringen das gesamte System durcheinander. Man spürt es am Rausch.

Die chemischen Ersatzdrogen

Cannabisprodukte können ja inzwischen chemisch nachgebaut werden. Wirken sie genauso wie die natürlichen?Nein, im Vergleich zu pflanzlichem THC kann die Wirkung der synthetischen Cannabinoide mehr als 600-mal stärker sein und der Konsum schwere Nebenwirkungen haben. Das macht sie sehr gefährlich. Sie werden als „Spice“, sogenannte „Kräutermischungen“ teils legal verkauft. Die Inhaltsstoffe sind oft gänzlich unbekannt.

Ab wann wird kiffen eigentlich gefährlich?Generell steigen die Risiken mit der Häufigkeit und Intensität des Konsums von Cannabis. Die Gefahr wächst, wenn noch andere Drogen wie Alkohol oder Kokain hinzukommen und wenn das Kiffen selbstverständlich in den Alltag eingebaut wird.

Lässt sich erkennen, ob jemand Joints geraucht hat?

Anzeichen sind zum Beispiel ein spezieller, süßlicher Rauchgeruch, Schläfrigkeit, langsame Reaktionen, auffallende Gesprächigkeit oder Schweigsamkeit, übertriebene Albernheit, gerötete oder geschwollene Augen, verringerte Konzentration.

Hilfe aus dem Internet

Ich will seit einer Weile mit dem kiffen aufhören, komme aber ganz ohne Joint nicht durch den Tag. Gibt es online gute Entzugsprogramme?Ja, die gibt es. Wir empfehlen zum Beispiel das Beratungsprogramm www.quit-the-shit.net. Ob Reduktion oder Ausstieg – das Ziel des Programms bestimmen Sie selbst. Sie werden individuell bei Ihrem Vorhaben unterstützt. Kernstück ist ein Konsum-Tagebuch, das vier Wochen lang geführt wird. Die Teilnahme ist kostenlos und anonym.

Wie haben andere es geschafft, aufzuhören?Aussteiger berichten, dass sie einen radikalen Umbau ihres Alltags vollzogen, die Wohngegend oder den Freundeskreis gewechselt, viel Bewegung oder Sport in den Tagesablauf eingeplant oder Entspannungstechniken erlernt haben. Sie hatten sich auch intensiv damit beschäftigt, wie sie mit depressiven Stimmungen und Stress umgehen können. Außerdem nahmen sie öfter professionelle Hilfe in Anspruch.

Gleichgültigkeit der Kiffer

Unser Sohn (17) kifft täglich und sieht darin absolut kein Problem. Was können wir machen?Vielleicht können Sie ihn fragen, ob er auch schon negative Erfahrungen mit Cannabis gemacht hat oder unter welchen Voraussetzungen der Cannabis-Konsum für ihn nicht mehr in Ordnung wäre. Kommen Sie mit ihrem Sohn nicht weiter, zögern Sie nicht, sich Hilfe zu holen. Suchtberatungsstellen beraten in der Regel auch die Angehörigen.

Meine Enkeltochter (21) erzählt immer wieder, dass sie nicht mehr kiffen will. Aber nichts passiert. Wie kann ich sie motivieren, es wirklich zu lassen? Versuchen Sie es mit einem Lob dafür, dass sie sich zu einem drogenfreien Leben entschlossen hat. Zwischen dem Entschluss und der Verhaltensänderung liegt aber offensichtlich bei vielen Menschen noch ein ganzer Schritt. Hilfreich könnte vielleicht die Frage sein, wie sie künftig reagieren will, wenn ihre Freunde ihr einen Joint anbieten.

Wann Profis helfen sollten

Unsere Tochter (16) raucht täglich Marihuana, schon mehr als zwei Jahre. Sie reagiert gar nicht mehr, wenn wir mit ihr darüber reden wollen … Holen Sie sich Hilfe von Profis. Das ist kein Ausdruck von Schwäche. Es zeigt, dass Sie die Erziehung Ihrer Tochter ernst nehmen. Entsprechende Beratungsstellen finden Sie bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen unter www.dhs.de/service/suchthilfeverzeichnis.

Ich kiffe gern, aber abhängig will ich nicht werden. Ab wann ist es zu viel?Sie können mit einem Selbsttest überprüfen, wo Sie stehen. Den Test finden Sie online unter: www.drugcom.de/tests/selbsttests

Wie zeigt sich eine Abhängigkeit von Cannabis im Alltag?Das Kiffen nimmt immer mehr Raum im Leben ein. Das hat zur Folge, dass andere wichtige Dinge wie Ausbildung, Job, Familie, Freunde auf der Strecke bleiben. Oft ziehen sich Cannabis-Konsumenten nach und nach aus dem sozialen Leben zurück. Sie greifen immer wieder zum Joint oder zur Bong, obwohl sie wissen, dass es ihnen nicht guttut.

Leider raucht mein Enkel (16) fast täglich Haschisch. Nun erklärt er mir, er will das nur noch zweimal pro Woche tun. Seine Eltern finden das gut, aber ich denke, er muss völlig aufhören …

Wenn er aufhört, wäre das natürlich schön. Aber eine solche Verhaltensänderung ist ein schwieriger Prozess und muss nicht gleich mit einer Abstinenz enden. Wenn Ihr Enkel es schafft, den Cannabis-Konsum so weit zu reduzieren, dass er von der Droge im Alltag nicht mehr beeinträchtigt wird, ist schon viel erreicht. Bestärken Sie ihn in seiner Absicht.

Im Unterricht meiner Enkelin (14) kam zur Sprache, dass Cannabis gute Laune macht. Ist es neuerdings in Ordnung, den Cannabis-Konsum schönzureden?Nein, aber es hat sich herausgestellt, dass eine neutrale Wissensvermittlung, die die negativen und positiven Seiten von Cannabis beinhaltet, besser bei den Jugendlichen ankommt. Werden nur die negativen Seiten beleuchtet, erzeugt das oft Widerstand und treibt die jungen Leute dazu, das Kiffen vor anderen und vor sich selbst zu verteidigen.

Das Loslassen ist schwer

Mein Sohn hat schon zweimal versucht, mit dem Kiffen Schluss zu machen, aber immer wieder angefangen.Eine Drogenabhängigkeit kann sehr hartnäckig sein. Der starke Wunsch zu kiffen sowie die verminderte Fähigkeit, diesen Wunsch zu kontrollieren, sind ja gerade Kennzeichen dieser Abhängigkeit. Es geht vielen Menschen so wie Ihrem Sohn – sie benötigen mehrere Anläufe bis zum Ausstieg.

Seit Monaten kommt unser Sohn (15) nur zum Essen aus seinem Zimmer. Dort spielt er am Computer und kifft. Sein ganzes Taschengeld geht dafür drauf. Wie können wir ihn dazu bewegen, von Cannabis wegzukommen?Für Ihren Sohn ist die Situation zurzeit ja sehr angenehm. Warum sollte er etwas verändern? Sie müssen entscheiden, ob Sie weiterhin seinen Drogenkonsum mit dem Taschengeld finanzieren wollen und ob Sie ihn weiter unter Ihrem Dach kiffen lassen? Überlegen Sie das mit Ihrem Mann in aller Ruhe und teilen Sie Ihrem Sohn dann Ihre Entscheidung sachlich mit. Wenn Sie etwas verändern – vielleicht verändert sich dann auch Ihr Sohn.Das Berliner Pressebüro betreute das Leserforum.

Weitere Informationen zum Thema

Zum Thema Cannabis-Freigabe beziehungsweise Kiffen haben Experten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) am Telefon Auskunft gegeben. Weiterführende Informationen gibt es auf vielen Kanälen.

www.cannabispraevention.de (für Jugendliche),

www.drugcom.de (für Erwachsene)

Programm für Ausstieg und Reduktion: www.quit-the-shit.net

www.instagram.com/cannabispraevention.de/

www.youtube.com/channel/UC-3HKTiEt5MebQKd0wxx4o1Q

https://twitter.com/drugcom_de

Kostenloses Info-Material bestellen per Mail unter: [email protected], per Post: BZgA, 50819 Köln, per Fax: 0221/8992 257, online: www.shop.bzga.de/