Liebhaber-Autos Liebhaber-Autos: Fast vergessener Italiener: Der Fiat 131 Mirafiori

Turin/dpa. - Andere Fahrzeuge dagegen scheinen von Anfang an so konzipiert zusein, dass sich nach ein paar Jahren kaum noch jemand an sieerinnert. Ein Paradebeispiel dafür ist der Fiat 131 Mirafiori. Auchnach mehr als 30 Jahren sind es vor allem Liebhaber, die ihn auf dergedanklichen Liste interessanter Klassiker haben. Die überwiegendeZahl der Autos hat sich in der Zwischenzeit ohnehin durch denlangsamen Rosttod dem Oldtimerstatus entzogen.
Es fällt schwer, einen Fiat 131 zu beschreiben. Wie er aussah?Ziemlich eckig - so wie Dutzende anderer Autos der siebziger Jahreauch. Was er an besonderen Merkmalen hatte? Keine, höchstens noch dieDoppelscheinwerfer bei bestimmten Ausstattungsvarianten, die mitetwas gutem Willen an einen BMW erinnern könnten.
Selbst die Werbetexter hatten ihre Mühe mit dem 1974 erschienenenMittelklassemodell. Während seinerzeit in Anzeigen und Prospekten die Superlative Einzug hielten, konnte man sich für den 131bestenfalls zu Formulierungen wie «Die Vorteile durchdachterMaßarbeit» durchringen. Auch die längeren Beschreibungen waren kaumin der Lage, mögliche Kaufinteressenten aus dem Sofa zu reißen, umumgehend beim Händler einen Vertrag zu unterschreiben: «Das Maß fürdie Entwicklung des 131 Mirafiori ist der Mensch. Mit all seinenWünschen, dem modernen Verkehr die besten Seiten abzugewinnen.» Nachintensiver Recherche fand man dann doch etwas, das den Fiat von derKonkurrenz abhob: «Er bietet die größte Sitzbreite seiner Klasse.»
Das alles erscheint doch als relativ wenig für ein Auto, das keinegeringere Aufgabe hatte, als das Erfolgsmodell Fiat 124 zu beerben.Der hatte es 1966 immerhin zum Titel «Auto des Jahres» gebracht, fuhrbeachtliche Verkaufszahlen ein und durfte sogar als Basis für einenschicken Spider dienen. Der 124 sollte sich sogar als so langlebigerweisen, dass die in riesigen Stückzahlen auf Fiat-124-Basisgebauten russischen Lada-Modelle bis heute die Straßenbilder invielen Ländern prägen.
Der 131 sollte nun alles ein wenig besser können als sein soerfolgreicher Vorgänger. Konnte er im Grunde auch: Er war moderner,der Fahrkomfort war ordentlich, Platz gab es im Inneraum genügend.Alles in allem war er also eigentlich kein schlechtes Auto - nur ebenvöllig nichtssagend. Bei Fiat selbst hoffte man für den unscheinbarenNeuen jedoch auf eine große Karriere, so dass man ihm mit derModellbezeichnung sogar eine Ausnahmestellung im Programm zuwies. Der131 Mirafiori war der erste Fiat, der gleichzeitig eine Zahl undeinen Begriff als Merkmal trug. Hinzu kam, dass Mirafiori ein Hinweisauf das gleichnamige Fiat-Werk in Turin war - der Name wies ihn alsoals «den» Fiat schlechthin aus.
Man gab sich sogar Mühe, ein typisches Fiat-Problem zu beseitigen:Damit der 131 länger als bei der Marke üblich auf den Straßenglänzte, hatte man sich vergleichsweise intensiv dem ThemaRostvorsorge gewidmet. Das Ergebnis war, dass die Fahrzeuge in denersten Jahren tatsächlich kaum unter Korrosion litten. Nach einerWeile gaben sich die Bleche dann aber alle Mühe, die verlorene Zeitbis zur endgültigen Durchrostung aufzuholen.
Die Technik dagegen gab sich recht langlebig und unverwüstlich.Das lag auch daran, dass sich manche Komponente - wie etwa dasGrundprinzip der Motoren - schon im Vorgänger bewähren konnte. DieMotorleistungen sorgten zusätzlich dafür, dass es dem Fahrer kaumgelingen konnte, durch forsches Fahren die Materialien an ihreGrenzen zu bringen. Die Basis bildete zunächst ein 1,3-Liter-Motormit 55 PS, daneben gab es noch 1,6 Liter Hubraum mit 75 PS.
Damit wäre eigentlich schon alles über den vergessenen Fiat gesagt- wäre da nicht noch die überraschende sportliche Karriere, die kaumjemand dem Langweiler aus Turin zugetraut hätte. Den Anfang machte1976 das Modell 131 Abarth, das von einem 140 PS starken2.0-Liter-Motor angetrieben wurde. Im Hinblick auf die überschaubareAnhängerschar könnte dieses Auto durchaus als Mitbegründer derGattung Nischenmodell angesehen werden. Tatsächlich aber war erWegbereiter einer Karriere auf den Pisten dieser Welt - vor allem imBereich der Rallyes.
Untrennbar verbunden sind die sportlichen Erfolge des Fiat 131 mitdem deutschen Rallye-Piloten Walter Röhrl. Der war erstmals 1977 mitdem Fiat unterwegs. 1978 konnten schon einige Erfolge verzeichnetwerden. Das wirklich große Jahr für die Kombination Fiat-Röhrl warallerdings 1980: Schon zu Jahresbeginn fuhr der Deutsche mit dem 131einen überlegenen Sieg bei der legendären Rallye Monte Carlo ein. Esfolgten weitere Siege und Topplatzierungen. Am Ende war die Paarungschließlich Weltmeister.
Fast schon selbstverständlich, dass man diesen Erfolg auch inVerkaufszahlen umsetzen wollte. 1981 stand daher unter anderem dasSondermodell Walter Röhrl des 131 Mirafiori bei den Händlern. Diezweitürige Ausführung der gesichtslosen Familienkutsche war unteranderem mit Dach- und Heckspoiler aufgewertet worden. Außerdem gab esAutogramm-Aufkleber mit der Unterschrift des Weltmeisters.
Zu dieser Zeit befand sich der 131 allerdings schon in derEndphase seines Daseins als Serienmodell. In der Zwischenzeit hatteer mehrere Veränderungen hinter sich gebracht, die ihn auf der Höheder Zeit halten sollten. Bereits 1978 erfolgte das erste Facelift,die so genannte Serie III kam 1981 unter anderem mit üppigenStoßfängern aus Kunststoff. Ein Dieselmotor war Ende der siebzigerJahre ins Programm aufgenommen worden, es gab den 131 Sport mit 115PS, einen so genannten Supermirafiori und auch einen Panoramagenannten Kombi, an den sich heute wohl nur noch die wenigenehemaligen Eigner eines solchen Fahrzeugs erinnern können.
Während er auf der Rallye-Piste für Furore sorgte, konnte der 131auf der Straße nie an die Erfolge seines Vorgängers anknüpfen. Selbstwer heute eines der wenigen erhaltenen Exemplare erblickt, wirdangesichts der bestenfalls als zweckmäßig zu bezeichnenden Formgebungkaum besondere Gefühle für den 131 Mirafiori entwickeln. Es sei denn,der Wagen steht neben einem Fiat Regata - der übernahm 1982 dieNachfolge und schaffte das Unmögliche, indem er den 131er in SachenLangweiligkeit problemlos übertrumpfte.