Kleben statt Tauschen Kleben statt Tauschen: Kaputte Kunststoffteile am Auto reparieren

München/Bad Vilbel/dpa. - Da genügt schon ein leichtes Touchieren, und die«Stoßstange» hat eine Schramme, bei festeren Stößen eine Delle odersogar einen Riss. Um solche Schäden zu beseitigen, wurden die Teilebislang durch neue ersetzt. Für Autofahrer fiel die Werkstattrechnungdann meistens hoch aus. Mittlerweile geht es vielfach auch günstiger.
In immer mehr Kfz-Werkstätten kommen nach Angaben desZentralverbands Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) in Bad Vilbel(Hessen) Kunststoffreparaturverfahren zum Einsatz, die den Material-und Arbeitsaufwand verhältnismäßig gering halten. Die Methoden deckensich weitgehend mit den Reparaturempfehlungen, die das AllianzZentrum für Technik (AZT) in München formuliert hat.
Seit den neunziger Jahren beschäftigt sich das Forschungsinstitutder Allianz mit der Frage, wie beschädigte Kunststoffteile mitmöglichst geringem Aufwand wieder in Stand gesetzt werden können. Dashat auch den Hintergrund, dass die Versicherungen an einerKostendämpfung bei der Unfallinstandsetzung interessiert sind. Vonden Ergebnissen profitieren aber auch die Verbraucher - schließlichsind nicht alle Unfallschäden auch Versicherungsschäden.
«Nahezu alle außen verbauten Kunststoffe lassen sich grundsätzlichreparieren», sagt Norbert Hermann, Reparaturforscher am AZT. Meistenshandelt es sich bei den Materialien um so genannte thermoplastischeKunststoffe, die sich unter Wärmeeinwirkung rückverformen lassen.«Das hat den Vorteil, dass Dellen mit einem Heißluftfön erwärmt undherausgedrückt werden können», erklärt der Experte.
Die einzelnen Reparaturschritte richten sich nach der Schwere desSchadens. Leichte Schäden sind oberflächliche Kratzer, die sich durchSchleifen, Feinspachteln und anschließendes Überlackieren beseitigenlassen. Unter mittleren Schäden versteht das AZT Dellen oder Kratzer,die tiefer als ein Millimeter sind. «Sie werden gegebenenfalls nachRückformen mit einem Heißluftfön mitZweikomponenten-Reparaturmaterialien gespachtelt und anschließendebenfalls geschliffen und lackiert», erklärt Hermann.
Schwere Schäden wiederum sind laut AZT bis zu 10 Zentimeter langeRisse oder bis zu 30 Millimeter große Durchbrüche. In diesen Fällenmüssen die Riss-Enden laut Hermann zunächst angebohrt und V-förmigangeschliffen werden. Dann wird von hinten zur Verstärkung eineGlasfasermatte aufgeklebt. Von vorne wird der Riss anschließendgespachtelt, bevor die Stelle geschliffen und lackiert wird.
Weil die Kosten für eine neue Stoßstange gespart werden, sind die«smart-repair»-Verfahren laut Klaus Steinforth, Vorsitzender desZKF-Ausschusses Instandhaltung und Fahrzeugtechnik, oft günstiger:«Eine Ersparnis von bis zu 300 Euro haben Sie schnell beisammen.» DasAZT hat bei Vergleichsrechnungen für einen schweren Schaden amBeispiel eines Stoßfängers für einen Opel Vectra eine Differenz von262 Euro ermittelt: Das lackierte Neuteil kostet ohne Montage 575Euro, die fachgerechte Instandsetzung nur 313 Euro.
Dass immer mehr freie Kfz-Werkstätten solche «smartrepair»-Verfahren anwenden, hat laut Steinforth einen einfachenHintergrund: «Freie Werkstätten haben kein Interesse, Kunden eineneue Stoßstange zu verkaufen, sondern ihre Arbeitszeit.»Markengebundene Werkstätten verdienen dagegen auch kräftig am Verkaufvon Originalersatzteilen.
Bei einer Reparatur eines Unfallschadens nur auf die Kosten zuschauen, wäre nach Angaben von Elmar Fuchs, Geschäftsführer desBundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigenfür das Kraftfahrzeuggewerbe (BVSK) in Berlin, jedoch die falscheHerangehensweise. In erster Linie sei die Reparatur eine technischeund keine Kostenfrage. Fuchs verweist auf Sicherheitsaspekte, die beifachgerechten Kfz-Reparaturen unbedingt zu berücksichtigen sind.
Ein Sachverständiger habe daher bei der Begutachtung einesUnfallschadens den «vernünftigeren» Reparaturweg zu wählen und nichtvor allem den günstigeren - auch wenn dieser bei Versicherungen beider Regulierung von Schäden womöglich auf größeres Interesse stößt.Gegen das grundsätzliche Ziel, die Reparaturkosten zu senken, seiallerdings nichts einzuwenden, betont der BVSK-Geschäftsführer.
Auch das AZT weist darauf hin, dass «smart repair»-Verfahren ihreGrenzen haben. Sie dürften generell nicht angewendet werden, wenn dieFahrzeughersteller die Bauteile nicht freigegeben haben. Auswirkungenauf die Sicherheit haben geklebte Kunststoffteile indes nicht, sagtReparaturforscher Hermann. In Crash-Tests des AZT konnten keinereparaturbedingten Materialveränderungen der Stoßfänger nachgewiesenwerden. «Wir reparieren grundsätzlich keine sicherheitsrelevantenTeile, sondern nur eine "vorgehängte" Kunststoffhaut», so Hermann.
Außerdem empfiehlt ZKF-Vorstandsmitglied Steinforth, vor einer«smart repair»-Instandsetzung eine Gegenrechnung zu machen. So könnteder Komplettersatz unter Umständen doch günstiger sein. Probleme gebees beispielsweise oft bei Sonderlackierungen, bei denen neu zulackierende Schadstellen nur mit sehr großem Aufwand angeglichenwerden können. «Das treibt natürlich die Kosten hoch.»
Laut AZT-Experte Hermann rechnet sich das Reparaturverfahren meistauch nicht bei unlackierten und strukturierten Kunststoffstoßstangen.Diese Bauteile seien mit Kosten um die 150 Euro in der Regel sogünstig, dass ein Austausch in jedem Fall billiger sei. Außerdem wärees unwirtschaftlich, «aus Einzelteilen eine Stoßstange wiederzusammen zu puzzeln. 75 Prozent des Neuteilpreises ist die Grenze,bis zu der sich eine Reparatur noch lohnt.»