Autotest Freundlicher Filou: Der neue R5 fährt wie ein Großer
Fiat 500, VW ID.Buzz, Ford Capri: Auf dem Weg in die elektrische Zukunft zitieren viele Autobauer die Vergangenheit. Auch Renault kramt in der Mottenkiste und bringt den R5 zurück - mit viel Charme.
Berlin - In der Werbung war er der „kleine Freund“, in der Statistik aber eine große Nummer. Denn mit mehr als fünf Millionen Exemplaren ist der R5 eines der erfolgreichsten Renault-Modelle. Und jetzt sollen wieder ein paar dazu kommen: Mehr als 50 Jahre nach seinem Debüt bringen die Franzosen den Kleinwagen als Elektroauto zurück.
Wenn er zum Jahreswechsel in den Handel kommt, will er aber nicht nur mit einem charmanten Augenzwinkern Erinnerungen wecken. Sondern mit Preisen ab zunächst 27.900 und später sogar knapp 25.000 Euro will er zu den wenigen halbwegs bezahlbaren Elektroautos mit einem gewissen Maß an Alltagstauglichkeit stoßen. Und dann dort - genau wie damals das Original - die moderne Mobilität für eine breite Masse erschwinglich machen.
Vernünftige Technik
Um dieses Preisniveau zu erreichen, bewahren die Franzosen beim Antrieb die Bodenhaftung. Das für nächstes Jahr in Aussicht gestellte Basismodell muss deshalb mit 66 kW/90 PS auskommen und mit einem Akku, der mit 40 kWh für 312 Normkilometer Reichweite steht. Schnellladen ist aus Kostengründen auch gestrichen.
Alternativ gibt es ab 27.900 Euro auch einen Motor mit 88 kW/120 PS und eine bessere Ladeperformance: Zu den 11 kW an der Wallbox kommen dann noch 80 kW am Schnelllader. Und wer aktuell mindestens 32.900 Euro ausgibt, der fährt mit 110 kW/150 und einem 52 kWh-Akku theoretisch bis zu 410 Kilometer weit und lädt danach mit bestenfalls 100 kW.
Während das allenfalls Mittelmaß ist, haben die Franzosen allerdings trotzdem eine Alleinstellung an der Ladesäule: Als einer der wenigen in dieser Liga gibt der R5 den Strom auch wieder ab und taugt so als Powerbank fürs E-Bike oder als Puffer fürs Solardach.
Freundliche Verpackung
Während beim Antrieb die Vernunft regiert, setzten die Franzosen bei der Verpackung auf Attraktivität. Denn kaum ein Kleinwagen ist so freundlich gezeichnet wie der 3,92 Meter kurze R5.
Egal, ob man in den 1980er oder in den 2020er Jahren aufgewachsen ist: Beim ersten Blick auf die knackigen Proportionen, die poppigen Farben und die pfiffigen Details wie eine leuchtende Fünf als Ladestandsanzeige auf der Motorhaube, geht einem unweigerlich das Herz auf.
Trikolore und Baguette an Bord
Auch innen gibt der kleine Franzose den Filou. Zwar darf man bei 2,54 Metern Radstand kein Raumwunder erwarten. Auf der nur für zwei Personen zugelassenen Rückbank geht es vergleichsweise eng zu und der Kofferraum ist mit 326 bis 1.106 Litern nicht eben weltreisetauglich.
Doch dafür gibt es statt der plastifizierten Tristesse vieler anderer Billigmodelle eine farbenfrohe Lebensfreude und erstaunlich vornehme Materialien. Das Armaturenbrett ist mit Textil bezogen und hübsch abgesteppt, die Sitzbezüge machen einen wollig-wertigen Eindruck und neben Standards wie digitalen Instrumenten und einer Navigation mit Ladeplanung gibt es überall liebevolle Details.
Aus der Mittelkonsole lacht einem die R5-Silhouette entgegen, in der Optionsliste entdeckt man einen Baguette-Halter und damit der Getriebewählhebel aus dem Wust hinter dem Lenkrad heraussticht, kann man ihn mit der Trikolore schmücken.
Auf der Straße ist der Kleine ein ganz Großer
Das Lächeln, das einem der R5 bei der Erstbegegnung ins Gesicht zaubert, bleibt beim Fahren erhalten. Vor allem im Vergleich zu anderen E-Autos am unteren Ende des Preisbands wirkt der kleine Franzose viel erwachsener, solider und souveräner. In der Stadt ist er spritzig wie jedes E-Auto, handlich, agil und mit seiner direkten Lenkung angenehm wendig.
Aber wenn bei der Konkurrenz kurz hinter dem Ortsschild das große Gähnen beginnt, geht das Grinsen im R5 munter weiter: Mit breiter Spur und strammer, aber nicht unkomfortabler Abstimmung sind Kurven hier keine Pflichtübung, sondern die Kür. Der kleine Gallier stürmt dazu über die Landstraße wie Asterix, wenn er zusammen mit Obelix mal wieder Wildschweine jagt - oder Römer.
Und dass bei 150 km/h schon wieder Schluss ist, ist auch kein Schaden. Denn viele Konkurrenten regeln schon vorher ab, und beim Original waren auch nur 135 km/h drin.
Fazit: Imposantes Comeback
Er erinnert an früher, ohne retro zu sein. Er ist preiswert, ohne billig zu wirken. Und er fährt trotz seines kleinen Formats wie ein Großer. Damit feiert der R5 über 50 Jahre nach seinem Debüt ein imposantes Comeback - und erhöht den Druck vor allem auf VW.
Denn während Stellantis mit dem Citroën C3 und dem Fiat Grande Panda nun schon zwei Autos in dieser Liga anbietet, und Renault mit dem R5 jetzt zumindest eines am Start hat, ist vom ID.2 bislang noch nichts zu sehen.
Datenblatt: Renault R5