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Erfahrungsbericht Erfahrungsbericht: Sieben elektrische Tage

Von HANS-ULRICH KÖHLER 22.05.2009, 18:18

Halle/MZ. - Aber schon vom "Gas geben" mag er nicht sprechen. Es ist nichts mit Gas. Denn dieser Roller fährt mit Batteriestrom. Er hat hat in Deutschland derzeit kaum Konkurrenz.

Axel Spindler hat sich auf das Experiment mit dem Elektroroller eingelassen. 1 123 davon hat die Vertriebsfirma SAP Systems Auto Parts Weiden 2009 bisher an deutsche Händler ausgeliefert. Das ist noch ein Wagnis, denn das Fahren mit Strom ist eine teure Sparversion, ganz gleich, ob auf vier oder zwei Rädern. 3 295 Euro kostet der "e-max 110S", mit dem ich sieben Tage zur Arbeit pendle.

13 Kilometer sind es von zu Hause bis zur MZ. Kein Knattern weckt beim Start schlafende Siedlungsnachbarn, lautlos rolle ich los. Eine Silizium-Batterie treibt uns voran, sanft, sehr, sehr sacht. Kein Vergleich zum Motorrad. Aber ich bin ja jetzt ein "Stromer". Der prescht nicht gerade über die Heidestraße, aber 45 km / h zeigt der Tacho schon. Hinter mir sammeln sich die vierrädrigen Pendler. Dreißig Minuten lang bin ich tapfer mitgeschwommen im Morgenverkehr. Viel schneller wäre ich mit dem Auto auch nicht im Büro gewesen. Wie war's, werde ich abends zu Hause gefragt. Still, sage ich. Ansonsten: Alles wie bei jedem Roller.

Sechs schwarze Balken im Tacho zeigen sich zum Start, voll geladen also. Gefahren bin ich bisher 27 Kilometer. Da komme ich also noch etwa 60 Kilometer weiter - laut Gebrauchsanweisung. Aber ich bleibe skeptisch, je näher die avisierten 90 Kilometer Reichweite kommen.

An der ersten Ampel des Morgens übe ich den Schnellstart. Aber wirklich gut finden die Autos das hinter mir nicht - denn ich bleibe ziemlich langsam. An der nächsten Ampel zünde ich den Booster. Der Druck auf den kleinen roten Knopf rechts am Lenker lässt mich deutlich flinker starten. Bis 30 km / h wirkt die Starthilfe, die Autofahrer dürften zufriedener mit mir sein.

Die Zielstraße zur Redaktion ist wahrscheinlich Halles miserabelste Straße. Ein Härtetest für den Stahlrohrrahmen und meinen Rücken, dafür gibt es keine Pluspunkte. Aber die Federgabel vorn bügelt wenigstens einige Löcher weg. Auf Umwegen fahre ich heimwärts, kleine Kurven, auf kleinen Innenstadtstraßen - da kommt richtig Freude auf. Zwischen 25 und 40 liegt sein Revier. Da wirkt der 152 Kilo schwere Roller flink, ist wendig, leicht lenkbar. Schnell gelernt: "Gas" aufreißen bringt nichts, behutsam drehen ist besser, man kommt schon auf Touren.

Stopp am Straßencafe. Schön: Keine Parkplatz-Sorgen. Ich bilde mir wohlwollende Blick ein, weil ich lautlos ankomme und niemanden die Nase mit Abgasduft vernebele. Aber gefährlich ist der "e-max", wie ich immer wieder merke - weil Fußgänger mich nicht kommen hören.

Es klinge wie ein leiser Staubsager, sagt abends ein Nachbar, der wissen will, wo "das Ding" herkomme, sicher aus China? Ja, aber erfunden hat es der bayerische Unternehmer Thomas Grübel und sein Team. Der lässt den Roller in Wuxi City, Provinz Jiangsu, zusammenschrauben, nach deutschen Standards. Wie lange die Batterie noch reiche, will der Nachbar auch wissen. 15 Kilometer behaupte ich nach 80 Kilometern - mal sehn.

Ich pendle im Regen, früh und abends. Wirklichen Schutz von vorn kann der e-max nicht bieten, dafür ist er zu schmal, aber von unten bleibe ich trocken.

Heute "tanke" ich. Geht einfach, dauert mindest vier Stunden. Rollerstecker (unter dem Sitz) und Ladegerät zusammenbringen, Netzstecker rein. Fast die ganze Nacht über schnurrt es in meiner Garage. Das ist die Kühlung des Ladegerätes, zwei Kilo, groß wie ein Schuhkarton. Das wird mitgeliefert.

Morgens ist der Roller wieder vollgetankt, sechs Balken im Tacho. Die 90 km schöpfe ich in dieser Woche nie aus, zu unsicher. Was; wenn ich liegen bleibe? Schieben? Nein. Ich kann also nicht bestätigen, ob der Roller die 90 schafft. Heute werden es immerhin 85. Es geht Richtung Harz über Land, Spitze 45, wenn es flach ist, über 55 bergab. Bremsen? Ausreichend für das Tempo. Berg hoch? Acht Prozent schafft der Kleine überraschend gut. Mit 40 komme ich nach einem Kilometer oben an. An einem steilen Stich zünde ich den Booster, es hilft. Resümee: Landpartie kein Probleme, man braucht Zeit. Nur Platz ist nicht im Roller, das Topcase (79 Euro) als Extra ist sinnvoll, das Fach unter dem Sitz fasst gerade mal das Ladegerät.

160 Kilometer in sieben elektrischen Tagen. Nicht einen Cent bin ich losgeworden für meinen Weg zur Arbeit und ins Umland. Natürlich, Strom habe ich verbraucht. Grob gerechnet werden für 100 Kilometer 40 - 50 Cent angesetzt. CO habe ich nicht produziert. Aber das Kraftwerk, das ich per Steckdose angezapft habe, na klar. Was bleibt, ist neben Pendler-Spaß ein wenig Verklärung: Ich war umsonst und blitzsauber unterwegs.