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Arbeitslosengeld II Arbeitslosengeld II: Erben müssen zurückzahlen

Von Dorothea Reinert 17.09.2004, 19:29

Halle/MZ. - Auf Nachfrage bei der Bezirksdirektion der Bundesagentur für Arbeit erklärt deren Pressesprecherin Bianka Kleschtschow: "Ja, es gibt eine Erbenhaftung. Sie ist im Paragraph 35, Sozialgesetzbuch II, geregelt." Das bedeutet: Neben dem ALG II-Empfänger selbst müssen sich mit den Regelungen von Hartz IV auch ihre Angehörigen vertraut machen.

Und zwar nicht nur deshalb, weil möglicherweise ihr Vermögen und das Einkommen des Partners angerechnet werden. Auch die Erben können in Regress genommen werden. Der Staat kann vom Zeitpunkt des Todesfalls an innerhalb von drei Jahren seine Ansprüche geltend machen.

Verstirbt ein ALG II-Empfänger, müssen seine Erben das Geld zurückzahlen, das dieser in den letzten zehn Jahren erhalten hat. Voraussetzung ist, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in dieser Zeit 1 700 Euro überschritten haben (Regelung zur Erbenhaftung im Paragraph 35, Absatz 1). Gezahlte Leistungen bis 1 700 Euro bleiben also in jedem Fall außen vor. Alle erhaltenen Bezüge, die 1 700 Euro übersteigen, gehen in den Nachlass ein.

Allerdings wird erbenden Lebenspartnern des verstorbenen ALG II-Empfängers ein Freibetrag zugestanden. Soweit der Wert des Nachlasses des Verstorbenen unter 15 500 Euro liegt, darf ihn der Erbe behalten, wenn er

oerstens Partner oder Verwandter ist,

ozweitens bis zum Tod des Verstorbenen in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat,

ound ihn drittens gepflegt hat.

Gänzlich befreit sind Erben von diesem so genannten Ersatzanspruch, wenn das für sie "eine besondere Härte" bedeuten würde. Das wird von der Agentur jedoch immer nach den Besonderheiten des Einzelfalls entschieden (das Nichtgelten des Ersatzanspruchs regelt Paragraph 35 in Absatz 1 und 2).

Hintergrund dieser Erbenregelung ist, dass während des Bezuges von Arbeitslosengeld II zu Lebzeiten Teile des Vermögens des Empfängers geschützt (Vermögensfreibeträge) und damit nicht angerechnet worden sind. So sei es nur recht und billig, wenn nicht verbrauchtes Geld später an den Staat wieder zurückfließe. Das entspreche auch den Regelungen zur Sozialhilfe. Letztlich sei das Arbeitslosengeld II eine steuerfinanzierte Sozialleistung nach Bedürftigkeit.

Vor allem Lebenspartner von ALG II-Empfängern, die heute im eigenen Haus wohnen oder in der Eigentumswohnung leben, fürchten, angesichts des staatlichen Erbanspruchs im Todesfall zum Verkauf von Haus oder Eigentumswohnung gezwungen zu sein. Schließlich falle bei gemeinsamem Besitz ein Teil des Hauses in den Nachlass, den der Staat mit Blick auf die Rückzahlung von ALG II-Geldern beanspruchen könnte.

Ob eine solche Situation im Einzelfall als Härte von der Agentur für Arbeit und damit als Befreiung vom Ersatzanspruch angesehen werde, müsse dahin gestellt bleiben, meint Rechtsanwalt Arnd Merschky aus Halle. Hier fehle die öffentliche Transparenz der Durchführungsbestimmungen der Bundesagentur für Arbeit. Auf jeden Fall bleibe das eigene Vermögen des Erbenden unantastbar - das kann der Staat nicht angreifen.

Mit Blick auf den Hausbesitz oder die Eigentumswohnung rät Merschky, Sektionsleiter des Deutschen Forums für Erbrecht in Sachsen-Anhalt, ALG II-Beziehern zu vorbeugenden Regelungen. "Werden Haus oder Eigentumswohnung zu Lebzeiten gegen Gewährung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnrechts den Kindern überschrieben, können sie nicht mehr in den Nachlass fallen." Der Nachlass ist nach Aussage des Anwalts stets das Vermögen zum Todeszeitpunkt. Bei einer Überschreibung zählen das eigene Haus beziehungsweise die Eigentumswohnung nicht mehr zum Vermögen des ALG II-Empfängers, sondern liegen im Eigentum der jungen Generation. Für die Eltern stellt das kein Risiko dar, wenn sie sich bei der Überschreibung das lebenslange unentgeltliche Wohnrecht haben festschreiben lassen. Im Zweifelsfall sollte juristischer Rat eingeholt werden.

Auch wenn die Erbenhaftung bei ALG II-Empfängern durch die Regierung gesetzlich sanktioniert ist, ist nach Ansicht von Merschky im Einzelfall mit Sicherheit mit späteren Klagen vor den Sozialgerichten zu rechnen.