Aquaristik Aquaristik: Gleichgewicht stellt sich im größeren Becken leichter ein

Neustadt/Erfurt/dpa. - Doch nicht wenige Neulingeerliegen dem bunten Reiz der im Handel angebotenen Fische und kaufenzu viele davon. Überhaupt können sie einiges falsch machen. Werlänger etwas von der Unterwasserwelt im Wohnzimmer haben möchte,macht sich vorher also ein paar Gedanken.
Zunächst ist die Platzfrage zu klären: Wo soll das Becken stehen?Ungeeignet seien Standorte mit direkter Sonneneinstrahlung, also amFenster oder an der Wand gegenüber, sagt der Agrarbiologe StephanDreyer aus Neustadt/Weinstraße (Rheinland-Pfalz). Er hat schonmehrere Bücher für Aquarianer geschrieben. «Die Sonneneinstrahlungbegünstigt Algenwuchs.»
Die im Fachhandel angebotenen Einsteiger-Aquarien haben häufigeine Abmessung von 60 mal 30 mal 30 Zentimetern, also ein Volumen vonknapp 60 Litern. Dem Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) inDüsseldorf zufolge sollte die Grundfläche aber nicht kleiner sein als80 mal 35 Zentimeter.
Auch Axel Gutjahr, Aquaristik-Experte aus Erfurt, rät Einsteigernzu eher größeren Becken. «Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube,dass sie mehr Arbeit machen.» Das Gegenteil gelte: Größere Beckenließen sich einfacher pflegen, denn das «ökologische Gleichgewicht»stelle sich darin leichter ein.
«Ich habe schon 60-Liter-Becken mit 30 oder 40 Fischen gesehen,das ist viel zu viel», warnt Gutjahr. Um die Höchstzahl der Tiere,die sich artgerecht halten lassen, richtig einschätzen zu können,gibt es zwei Faustregeln: Pro Zentimeter Fisch müssen ein bis 1,5Liter Wasser vorhanden sein. Und die Beckenlänge sollte mindestenszehn Mal der Länge des größten Fisches im Aquarium entsprechen.
Bevor überhaupt ein Fisch das neue Aquarium von innen zu sehenbekommt, muss es eingerichtet werden. Für den Boden eignet sichfeiner Kies oder Sand aus dem Zoohandel. Es folgt die Dekoration mitWurzeln und Steinen. Dann wird das Becken zu einem Drittel gefüllt,und das Einsetzen der Pflanzen beginnt. Dabei sollten hochwachsendeExemplare in den Hintergrund gesetzt werden, die kleinen nach vorne.
Der Pflanzenkauf kann teuer werden. Einsteiger greifen am bestenzu schnell wachsenden und eher anspruchslosen Arten wie Speerblatt,Wasserpest, Hornkrautarten oder Java-Moos. Letzteres sollte lautGutjahr mit Angelschnur an einem Stein oder einer Wurzel befestigtwerden. Liegt es direkt am Boden, setzt es sich schnell mit Schmutzzu. Sind die Pflanzen im Becken, wird es vorsichtig aufgefüllt. DieFische dürfen erst zwei Wochen später einziehen, damit sich dasBiosystem einspielen kann.
Nach dem Motto «die sind aber schön bunt» neigen Anfänger dazu,Fische vieler Arten zu kaufen. So werden Gutjahr zufolge oft Pärchenverlangt, obwohl die Art im Schwarm zu halten ist. Schwarmfischeeinzeln oder in zu kleinen Gruppen zu halten, bedeutet für die TiereStress - und womöglich eine kürzere Lebenszeit. Zu bedenken ist auch,dass sich nicht alle Fischarten miteinander vertragen.
Welche Fische eignen sich? Häufig fragen Einsteiger nach Guppys.«Doch der Guppy ist kein Anfängerfisch», sagt Gutjahr. Das gilt auchfür Neonfische. Vergleichsweise tolerant gegenüber Haltungsfehlernsind dagegen Prachtbarben oder Paradiesfische. Nach Angaben desZentralverbands Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) in Wiesbaden könnenEinsteiger auch Kardinalfische, Zebrabärblinge, Fünfgürtelbarben oderlebendgebärende Zahnkarpfen wie der Platys und Black Mollyserfolgreich halten. Ergänzen lassen sich solche Gruppen gut durcheinen Trupp Panzerwelse, der sich vornehmlich in Bodennähe aufhält.
Weil viele Welsarten herabgesunkenes Futter vertilgen, das dieBewohner der oberen Wasserschichten nicht gefressen haben, gelten sieals Staubsauger. Doch auch Welse sollten mit speziellem Futterversorgt werden, rät Gutjahr. Grundsätzlich favorisiert der ExperteLebendfutter. Das kann der Aquarianer im Handel kaufen oder mit einemKescher fangen - schwarze Mückenlarven aus der Regentonne etwa.
Wie bei der Zahl der Fische gilt auch beim Füttern, es nicht zu übertreiben: «Die Fische sollten nur so viel bekommen, wie sie inzweimal zwei Minuten pro Tag fressen können», sagt Stephan Dreyer.Wird zu viel gegeben, fördert das den Algenwuchs. Dadurch wird dieWasserqualität schlechter, und die Fische werden eher krank.
Damit es nicht so weit kommt, ist regelmäßige Pflege des Beckens angesagt. «Ungefähr eine Stunde pro Woche muss man einkalkulieren»,sagt Dreyer. Er rät, je nach dem Grad der Verschmutzung alle zwei bisvier Wochen ein Drittel des Wassers auszutauschen. Ein zu häufigerWechsel könne dem guten Zweck jedoch entgegen wirken: Der Aufbaueines biologischen Gleichgewichts wird erschwert. «Und es gibt Algen,die sich in frischem Leitungswasser sehr wohlfühlen.»
Zur Routine gehört der tägliche Blick ins Becken: Funktioniert dieTechnik, und geht es den Fischen gut? Schnappen die Tiere an derOberfläche nach Luft oder schwimmen sie schaukelnd, sind sie wahrscheinlich erkrankt - ein Spezialist, etwa im Zoohandel oder beimAquarianerverein, muss befragt werden. Doch Dreyer beruhigt: In einemgut gepflegten Aquarium kommt so etwas nur selten vor.
Literatur: Stephan Dreyer, Rainer Keppler: Das Kosmos-Buch derAquaristik, ISBN: 978-3-440-09868-4, 19,95 Euro; Axel Gutjahr:Aquarien einrichten - Fische und Pflanzen in Harmonie, ISBN:978-3-8338-0044-3, 7,90 Euro.