1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Abschied von Sterbenden: Abschied von Sterbenden: «Das Gehör ist das letzte, was geht»

Abschied von Sterbenden Abschied von Sterbenden: «Das Gehör ist das letzte, was geht»

Von Thomas Kärst 04.10.2006, 12:51
Schwere Stunden am Sterbebett - aber diese Zeit ist auch eine Chance für körperliche Nähe und klärende Gespräche. (Foto: dpa)
Schwere Stunden am Sterbebett - aber diese Zeit ist auch eine Chance für körperliche Nähe und klärende Gespräche. (Foto: dpa) Jens Schierenbeck

Schwerte/Hamburg/dpa. - Er ist das einzige Ereignis im Leben eines Menschen, das mit Sicherheit eintritt - und doch mag sich kaum jemand auf den eigenen Tod oder den eines Angehörigen vorbereiten. Viele stehen dann ratlos vor der Situation - vor allem die Begleitungdes Sterbenden ist eine heikle Frage. Dabei können die letzten Wochenmit dem todkranken Menschen sehr wertvoll sein.

«Viele Leute, die sich die Zeit genommen haben, erleben das alseine sehr intensive und reiche Erfahrung», sagt Kerstin Lammer,Pfarrerin und Trauerforscherin aus Schwerte (Nordrhein-Westfalen). Zum einen bietet sich die Gelegenheit, offene Fragen zu klären. «Wichtig ist aber auch ein Rückblick auf das, was gut war.»

Am Anfang gilt es, die Sprachlosigkeit zu überwinden. «Jeder weiß, was los ist, aber will es dem anderen nicht zumuten», beschreibt Kerstin Lammer die Situation. Die Dinge sollten jedoch beim Namen genannt werden. «Oft fällt das Frauen leichter als Männern», sagt Lammer. Meist könnten professionelle Ansprechpartner helfen, die Sprachbarriere zu lösen: Ärzte, Seelsorger oder Mitarbeiter von Pflegediensten und ehrenamtlichen Hospizdiensten zum Beispiel.

Die Begleitung selbst kann unterschiedlich verlaufen. Lammer rät, sich die eigenen Kräfte gut einzuteilen. «Manche Angehörige sind Tage und Nächte da», beobachtet die Seelsorgerin. Doch kann eine längere Begleitung nur selten von Fremden übernommen werden: Stattwechselnder neuer Beziehungen bräuchten Sterbende eherVertrauenspersonen um sich, sagt Inge Kunz vom überkonfessionellenVerein Omega, der bundesweit Sterbebegleitung anbietet.

Eine große Rolle spielen die äußeren Bedingungen. «90 Prozent derMenschen wünschen sich, zu Hause zu sterben», sagt Eugen Brysch,Geschäftsführer der Deutschen Hospizstiftung in Dortmund. Tatsächlichsterben aber rund 50 Prozent im Krankenhaus und weitere 25 Prozent imPflegeheim. Soll der sterbenskranke Mensch zu Hause gepflegt werden,müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. So sei oft derUmzug aus dem Ehebett in ein Krankenbett und damit aus dem Schlaf-ins Wohnzimmer erforderlich.

Ferner muss gewährleistet sein, dass die begleitenden Angehörigenwissen, wer bei der Pflege oder im Notfall helfen kann, erklärt Kunz.Auch sollte geklärt werden, ob der Hausarzt im Notfall kommen kannund ob er sich im Umgang mit Sterbenden auskennt. Mit Morphium undanderen Mitteln ließen sich Schmerzen mittlerweile gut in den Griffbekommen, sind sich die Experten einig.

Um die praktischen Fragen zu klären, können sich Angehörige aneinen örtlichen Hospizdienst wenden oder auch an das Beratungstelefon der Hospizstiftung. Mittlerweile gebe es ein vergleichsweise gutes Netz von Hospizdiensten, Palliativstationen in Krankenhäusern und stationären Hospizen, sagt Lammer.

Ob Krankenhaus oder die eigenen vier Wände - wenn es endgültig auf das Ende zugeht, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ein Signal sei es etwa, wenn der Sterbende nichts mehr essen will. «Und wenn er sagt: "Ich will nach Hause", ist das nicht wörtlich zu nehmen», erläutert Lammer. Hat der Sterbende das Bewusstsein verloren, sollte dennoch niemals in seiner Gegenwart über ihn gesprochen werden, sondern immer nur mit ihm. «Das Gehör ist das letzte, was geht», sagt Lammer.

Informationen:
Deutsche Hospiz Stiftung
Europaplatz 7
44269 Dortmund
Tel. 0231 / 738 07 30
www.hospize.de

Bundesbüro Omega
DPWV - Der Paritätische Wohlfahrtsverband
Dickampstraße 12
45879 Gelsenkirchen
Tel. 0209 / 913 28 11
www.omega-ev.de