1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Werner Tübke in der alten Heimat: Werner Tübke in der alten Heimat: Schönebeck zeigt Grafiken und Zeichnungen des Malers

Werner Tübke in der alten Heimat Werner Tübke in der alten Heimat: Schönebeck zeigt Grafiken und Zeichnungen des Malers

Von KAI AGTHE 19.07.2019, 09:00
Werner Tübke: „Drei Bauarbeiter“, Studie aus dem Jahr 1970 für das Gemälde „Arbeiterklasse und Intelligenz“ 
Werner Tübke: „Drei Bauarbeiter“, Studie aus dem Jahr 1970 für das Gemälde „Arbeiterklasse und Intelligenz“  Galerie Schwind Leipzig/VG Bildkunst, Bonn 2019

Schönebeck - Am Ende seines Lebens kehrte Werner Tübke noch einmal in seine Heimatstadt zurück: In seinem Todesjahr 2004 entstand die Zeichnung „Elternhaus und Garten in Schönebeck“. Mit einer geradezu fotorealistischen Genauigkeit hat der greise Künstler die Rückseite jenes Hauses am Schönebecker Markt erfasst, in dem er Kindheit und Jugend verlebte. Das Blatt ist Teil der Ausstellung „Schönebeck, Deutschland und die Welt“, die das Industrie- und Kunstmuseum aus Anlass des 90. Geburtstages - den Tübke am 30. Juli begangen hätte - veranstaltet.

Die späte Zeichnung mit dem Elternhaus schließt gleichsam Tübkes künstlerischen Lebenskreis, da auch die ersten Kunstwerke von seiner Heimatstadt inspiriert waren. So sind mehrere Arbeiten aus den 40er und 50er Jahren mit Ansichten der Elbbrücke und den charakteristischen Gründerzeitgebäuden zu sehen.

Den Friseur porträtiert

Das früheste Werk ist eine Zeichnung aus dem Jahr 1945, die das künstlerische Talent des gerade erst 16-Jährigen bereits erkennen lässt. Das Porträt zeigt einen älteren Herrn und trägt den Titel „Friseur in Schönebeck“. Wie klein die Welt doch ist: „Tübkes Friseur war auch mein erster Friseur“, sagt Georg Plenikowski, der Präsident des Vereins Indus-trie- und Kunstmuseum Schönebeck, der die Schau organisiert.

Mit der Nachkriegszeit verband sich für Tübke ein traumatisches Ereignis: Ende 1945 wurde der junge Mann von der russischen Besatzungsmacht wegen des Vorwurfs inhaftiert, einen Mordanschlag auf einen russischen Soldaten verübt zu haben. Zehn Monate saß Tübke in Magdeburg hinter Gittern. Zu Unrecht, wie sich zeigte. Die Gefängnis-Erfahrung des Jugendlichen mag erkennen, wer Tübkes Selbstporträt von 1947 betrachtet: Vor dunklem Hintergrund sieht man einen jungen Mann in Hemd und Pollunder, Baskenmütze und Nickelbrille, der überaus ernst dreinblickt.

Während alle anderen Exponate durch die Leipziger Galerie Schwind zur Verfügung gestellt wurden, gehört besagtes Selbstporträt des 18-Jährigen zur Sammlung des Industriemuseums, wo es gemeinsam mit Arbeiten von mehr als 50 Künstlern der Stadt in einer Dauerausstellung zu sehen ist. Eine eigene Abteilung ist dort Dario Malkowski gewidmet, der trotz Blindheit, die ihn als Soldat im Zweiten Weltkrieg ereilte, nach 1945 ein Kunststudium absolvierte.

Tübke wiederum studierte ab 1948 in Leipzig, wo er später mit Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer, seinen Kollegen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, die „Leipziger Schule“ begründen sollte. 1972 wurde Tübke daselbst Professor und zwischen 1973 und 1976 war er auch Rektor der Hochschule.

Ende der 70er Jahre widmete er sich im Auftrag des DDR-Kulturministeriums seinem größten Projekt: dem Rundblick zur Frühbürgerlichen Revolution für Bad Frankenhausen. Auf dem 14 mal 123 Metern großen Bild, an dem der Maler und Gehilfen zehn Jahre arbeiteten, porträtierte sich Tübke als Narr. Eine Figur, die in seinem Werk immer wiederkehrt. So etwa auf den in Schönebeck zu sehenden Kreidelithografien „Pilatus und der Narr“ (1981) und „Gen Narragonien 2“ (1981).

Die Thematisierung des Karnevalesken und die Selbstinszenierung als Narr mag auch als Selbstschutz eines Künstlers verstanden werden, der dem Staat als Aushängeschild der DDR-Kunst galt - und der auch Staatskunst lieferte. Stellvertretend dafür ist die Studie „Drei Bauarbeiter“ (1970) zum Gemälde „Arbeiterklasse und Intelligenz“ zu sehen, das Tübke 1973 für die Universität Leipzig schuf.

Altmeisterliche Art

Reisen führten ihn nicht nur ins sozialistische, sondern lange vor 1989 auch ins westliche Ausland. Auf Grafiken, Kreidelithografien zumeist, hat Tübke seine Eindrücke festgehalten. In Schönebeck kann man den Künstler etwa nach Italien und Frankreich begleiten. Als Aquarell ausgeführt hat er das 1982 nach einer Reise durch Griechenland entstandene Blatt „Abend auf Attika“.

Tübke war ein in Ost und West gefeierter Künstler, dem schon 1980 der Saarländische Rundfunk ein Filmporträt widmete. Dass seine Arbeiten auch in der Bundesrepublik beliebt waren, mag vor allem am altmeisterlichen Stil Tübkes - der Lucas Cranach d. Ä. und Albrecht Dürer als Vorbilder nannte - und an seinen Werken mit religiösen Themen gelegen haben. „Tübke war gewiss ein privilegierter DDR-Künstler“, sagt Georg Plenikowski. „Er war aber dennoch ein an sich zweifelnder Mensch, kein Stratege.“

››„Schönebeck, Deutschland und die Welt - Werner Tübke zum 90. Geburtstag“: bis 25. August, Sa/So 14-17 Uhr, im Industrie- und Kunstmuseum Schönebeck, Ernst-Thälmann-Straße 5a.

(mz)

Werner Tübke: „Selbstporträt“ (1947)
Werner Tübke: „Selbstporträt“ (1947)
Industriemuseum Schönebeck