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Weimar-"Tatort: Der höllische Heinz" Weimar-"Tatort: Der höllische Heinz": Nora Tschirner überzeugt im Alleingang

Von Andreas Montag 23.12.2018, 11:00
Nora Tschirner spielt im Weimar-„Tatort“.
Nora Tschirner spielt im Weimar-„Tatort“. imago stock&people

Weimar - Christian Ulmen ist nicht gekommen zur Voraufführung. Wieder einmal. Also muss Nora Tschirner alias Kira Dorn es allein in die Hand nehmen auf der Bühne des Deutschen Nationaltheaters Weimar (DNT). Wie in den „Tatort“-Krimis, wo sie oft die Chefin des eigenwilligen Ermittlerduos ist, während ihr Kompagnon und Film-Lebenspartner Lessing (gespielt von Ulmen) oft der zweite Sieger ist.

Aber das passt schon - so gut, dass die zunächst als Versuchsballon gestartete, schräge Kriminalstory in Serie ging und von den Zuschauern fest erwartet wird zu den Feiertagen. Am 1. Januar läuft die achte Folge, und „Der höllische Heinz“ wird nicht der letzte „Tatort“ aus der Stadt der Dichter und Denker sein.

Auch dort ist derzeit die Weihnachtsmarkt-Hölle los, vor dem Theater kurven zu knackigen Elektropop-Rhythmen junge Menschen auf Schlittschuhen über ein Kunsteis-Oval, der Glühwein fließt in Strömen.
Drinnen wird am Mittwochabend Nora Tschirner gefeiert, die Handykameras knipsen, als ob es kein Morgen gäbe. Und die Angehimmelte lächelt, als ob ihr das nichts ausmachte. Professionell, aber keine Spur affektiert.

Nora Tschirner ist ein Star seit MTV-Tagen

Die 37-jährige gebürtige Ostberlinerin ist seit den frühen Erfolgen als Moderatorin beim Musiksender MTV  ein Star, schon damals hat sie mit dem heute 43-jährigen Ulmen gearbeitet. Der kam 2003 als Herr Lehmann in Leander Haußmanns gleichnamigem Kinofilm groß heraus.

Tschirner machte an der Seite von Til Schweiger in dessen Komödie „Keinohrhasen“ vier Jahre später im Kino Kasse. Und wurde von vielen Zuschauern ins Herz geschlossen, wie Ulmen auch. Dort haben beide ihren festen Platz behalten. Ulmen als der teddyhaft Nette und rührend Unbeholfene, Tschirner als die hübsche, sympathische, schlagfertige Göre. Wie sie dieses Image jeweils in die Jahre des Charakterfachs tragen oder auch wandeln wollen, wird man sehen.

Einstweilen wirkt Nora Tschirner jedenfalls immer noch so natürlich, unverdorben und glaubwürdig, dass dies entweder ein Beleg wahrhaft großer Schauspielkunst - oder eben authentisch ist. Oder beides zusammen. Ich bin für Euch da, Leute, vermittelt Tschirner. Ich bin Eure Nora. Und das finden alle prima.

Der neue Weimar-„Tatort“ lohnt sich!

Und Ulmen? Er ist ja nicht da. Jedenfalls auf der Bühne des DNT nicht. Im Film, den es dann zu sehen gibt, schon. Und, so viel darf immerhin verraten sein, ohne die Spannung zu nehmen: Der Ritt in eine Westernstadt, um die es dieses Mal wesentlich geht, ist lohnend. Ein köstlicher Film für alle, die Freude am gehobenen Blödsinn haben. Oder an tiefer gelegter Intellektualität. Das kann man sehen wie man will.

Damit aber das Publikum, das den Theatersaal bis auf den letzten Fall gefüllt hat, auch sonst auf seine Kosten kommt, liefert Tschirner eine Ein-Frau-Show erster Güte ab. Vor und nach dem Film. Zwar stehen der Hausherr, Intendant Hasko Weber, sowie diverse Film- und auch Fernsehschaffende vom Mitteldeutschen Rundfunk, der das ARD-Programm mit dem Weimar-„Tatort“ beschenkt, auf der Bühne, aber Frau Nora rockt den Saal allein.

Das ist im Übrigen kein Kinderspiel, die Damen und Herren sind überwiegend gesetzteren Alters und kennen zum Beispiel die deutsche Nachdenklichkeitsband „Die Sterne“ nicht. Das ficht Tschirner aber nicht an, sie hat sich in den Kopf gesetzt, dem Kollegen Ulmen, der quasi unentschuldigt fehlt, ein Handy-Video aus dem singenden Saal zu übermitteln - mit dem Sterne-Lied „Was hat dich bloß so ruiniert“.

Singen für Christian Ulmen

Also wird geprobt, bis der Text einigermaßen sitzt: „Wo fing es an und wann? / Was hat Dich irritiert? / Was hat Dich bloß so ruiniert?“ Vor allem beim letzten Vers rumpelt es mit dem Rhythmus, Die Sterne sind nicht Wolfgang Petry. Aber egal, alle haben ihren Spaß dabei. Und mit Tschirner, die selbst nicht die weltgrößte Sängerin ist, würden die Leute auch das Branchentelefonbuch singen. Weil sie so nett ist.

Dazu kommt es freilich nicht. Aber Weihnachtslieder gibt es schon, als Nachschlag. Nein, wirklich: Hier bekommt man was geboten, es muss nicht jeden Abend der Weihnachtsmarkt sein. Und auf den Krimi werden sich  auch alle freuen. Den kann  man nämlich  zwei Mal gucken.

Wie immer geschrieben von dem eingerittenen Duo Murmel Clausen und Andreas Pflüger, entfaltet der Film eben so viel Spannung, wie man sie in diesem Genre erwartet,  es wird  gemordet, wie sich das gehört. Der Rest gehört dem Spaß.

„Mehr Licht“, Goethes angeblich letzte Worte, kommen auch vor. In einem dramaturgisch höchst kniffligen Moment. Sie werden sich daran erinnern, garantiert. Und schallend lachen. Versprochen.
„Tatort: Der höllische Heinz“ am 1. Januar um 20.15 Uhr im Ersten. (mz)