Kommentar zu "Terror" "Terror - Ihr Urteil": Abstimmung der ARD suggeriert die Möglichkeit eines anderen Urteils - Kommentar

Das Ergebnis der Abstimmung war höchstens in seiner Deutlichkeit eine Überraschung. Knapp 87 Prozent der Zuschauer, die sich an der Abstimmung über den ARD-Film „Terror – Ihr Urteil“ beteiligten, stimmten für einen Freispruch des angeklagten Kampfjetpiloten Lars Koch. Ein viel höherer Wert als bei den Aufführungen des Theaterstücks, auf dem der Film basiert.
Hat die ARD mit ihrer Inszenierung die Zuschauer bewusst in eine bestimmte Richtung gelenkt? In gewisser Weise ja. Es wäre etwa interessant zu erfahren, wie die Abstimmung ausgefallen wäre, wenn man die Rolle des Angeklagten nicht mit einem gutaussehenden Sympathieträger wie Florian David Fitz besetzt hätte. Doch das sind nur Randaspekte.
Konstruktion ist falsch
Die entscheidende Frage lautet: War es ein Fehler, die Zuschauer abstimmen zu lassen? Hat die ARD gar das Grundgesetz zum Abschuss freigegeben? Nein, das hat sie nicht. Aber sie hat Fehler gemacht. Und die liegen im Wesentlichen schon in der Konstruktion des Stücks von Ferdinand von Schirach begründet.
Die Zuschauer darüber abstimmen zu lassen, wie sie die Handlung des Piloten Lars Koch beurteilen, ist legitim und interessant. Und das Abstimmungsergebnis wirft Fragen auf, die eine Diskussion wert sind – gerne auch in einer anschließenden „Hart aber Fair“-Sendung. Darf man Leben gegen Leben aufwiegen? Wie reagieren wir auf die Bedrohung durch Terroristen? In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Falsche Suggestion
Der entscheidende Fehler dieses TV-Experiments war jedoch, dass die Meinungsäußerung des Publikums dann zu einem Urteil wurde. In einer repräsentativen Demokratie werden Urteile aber nicht von der Masse und aufgrund eines Gefühls, was falsch oder richtig ist, gefällt. Und auch Gerichte können sich nicht über das fundamentale Prinzip unserer Verfassung stellen. Juristisch – und das sagt ja auch der Autor selbst – kann es in diesem Fall nur ein Urteil geben: schuldig. Und es ist falsch zu suggerieren, dass eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre.
Ein verschenkter Abend war es dennoch nicht. Denn es wurden zwar eindeutig Fehler gemacht, aber diesem Film ist es eben auch gelungen, bei vielen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen unserer demokratischen Grundordnung anzustoßen. Und wer glaubt, dass eine Abstimmung über einen Fernsehfilm im Ersten die Macht hat, die Grundwerte unserer Verfassung zu gefährden, traut dem Grundgesetz zu wenig zu.