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„Tatort“-Kritik „Tatort“-Kritik: Eine Wohltat für „Tatort“-Puristen nach Experimenten

Der Fall

Von Anne Burgmer 05.11.2017, 21:45
Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ahnt nichts Gutes.
Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ahnt nichts Gutes. NDR Presse und Information

Der Fall

Julia Holdt (Annika Martens) wurde auf dem Weg zum Reitstall verschleppt. Ihr  Mann Frank (Aljoscha Stadelmann), Leiter einer Bankfiliale, bat seine Schwiegereltern um das Lösegeld. Die Polizei wollte er, wie von den Entführern gefordert, nicht einschalten. Doch sein Schwiegervater widersetzte sich diesem Wunsch. Lindholm misstraute bald dem Ehemann, denn er war verschuldet, wusste zudem, dass seine Frau eine Affäre hatte. Und er war äußerst cholerisch und neigte zu Gewaltausbrüchen. Dann wurde die misshandelte Leiche von Julia Holdt gefunden.

Die Auflösung

Ähnlich wie im realen Entführungsfall Maria Bögerl, der bis heute nicht aufgeklärt werden konnte, endet auch der fiktive Fall Holdt mit dem Selbstmord des Ehemanns. Lindholm hatte ihn aufgrund von Verbindungsdaten des Telefons, die darauf hindeuteten, dass er einen Tag vor der Entführung mit den Tätern telefoniert hatte, verdächtigt und massiv unter Druck gesetzt. Allerdings war die Datumsanzeige der Telefonanlage falsch eingestellt und wies die Anrufe einen Tag zu früh aus. Die wahren Hintergründe der Entführung und des Mordes wurden nicht abschließend aufgedeckt.

Die Kommissarin

Dieser Fall war eine doppelte Herausforderung für die sonst eher kühle Kommissarin – nicht nur der Zeitdruck machte ihr zu schaffen, sondern vor allem die Folgen einer Partynacht, in der sie zu Beginn vor einem Lokal von einigen Männern verprügelt worden war.

Grimme-Preisträger Jan Braren („Homevideo“) hat mit „Der Fall Holdt“ (Regie: Anne Zohra Berrached), einen Krimi geschrieben, der Maria Furtwängler in ihrem 25. Einsatz als Charlotte Lindholm einiges abverlangte. Doch sie meisterte die Herausforderung souverän. Braren fokussierte sich stark darauf, wie die Gewalterfahrung die Kommissarin zermürbte. Der Fall entglitt ihr, sie agierte unprofessionell, verlor die nötige Distanz. Er machte sie zur Antiheldin. Und sie schaffte es nicht, sich die Traumatisierung einzugestehen, ließ sogar lieber zu, dass ihre junge Kollegin Frauke Schäfer (Susanne Bormann) dachte, sie habe ein Alkoholproblem.

Fazit

Dieser Film war für viele „Tatort“-Puristen sicherlich eine Wohltat. Nach diversen Experimenten in den vergangenen Wochen war der Sonntagabendkrimi mit dem neuen Fall aus Hannover wieder auf klassischem Gebiet unterwegs. Neben Maria Furtwängler konnte vor allem Aljoscha Stadelmann überzeugen. Ein klassischer Krimi, allerdings mit einem für den „Tatort“ eher untypischen Ende. Ein bisschen Experiment war also doch.