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"Hart aber Fair" zum Bienensterben Hart aber Fair mit Frank Plasberg zum Bienensterben: "Der Nervfaktor ist erreicht"- Ranga Yogeshwar ist alarmiert

Von Sara Pichireddu 05.12.2017, 06:15

Es war eine ungewöhnliche Themenwahl für Frank Plasbergs Talk-Format. Trotz drängender politischer Fragen wie einer möglichen Großen Koalition oder dem neu-designierten bayerischen Ministerpräsidenten Söder entschied sich das Format für ein wissenschaftlich konzentriertes Thema: das Bienensterben. Aufmacher, ganz klar, war die Verlängerung der Glyphosatlizens, für die sich CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt im Laufe des Abends rechtfertigen würde.

Für Plasberg eine „Herzensangelegenheit“, die er sich besonders nicht vom Streit zwischen dem CSU-Politiker und Grünen-Mann Harald Ebner zerreden lassen wollte. Obwohl die beiden ihr bestes gaben. Mehrfach ging Plasberg ganz wörtlich dazwischen, als sich die Politiker mit Fachworten und Anschuldigungen anfeindeten. Von Glyphosat war am Ende auffällig wenig die Rede, erst im letzten Einspieler, sieben Minuten vor Ende der Sendezeit wurde es zum Thema. Aber die Teilnehmer der Talkrunde hatten trotzdem genug zu besprechen.

Wer durfte mitreden?

Christian Schmidt

Der Landwirtschaftsminister stimmte in Brüssel überraschend für eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat um weitere fünf Jahre. Die EU Kommission hatte vorher vergeblich versucht, die Zulassung für das umstrittene Herbizid um zehn Jahre zu verlängern. Unter anderem blockiert wurde dies von der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks. Schmidts Position in der Debatte: “Wir tun, was wir können”. Es sei viel wichtiger, Biodiversität zu fördern, als einzelne Mittel zu verbieten, betont Schmidt immer wieder. Seine Entscheidung verteidigt er als das kleinere Übel. Die Kommission hätte sonst für die Mitgliedsstaaten entschieden. Ein Punkt, auf den Harald Ebner anscheinend geradezu allergisch reagierte.

Als die Sprache auf sogenannte Neonikotinoide kommt – Nervengifte, die Insekten töten, die Pflanzen schaden, aber anscheinend auch Bienen und anderen Insekten schadet, die Pflanzen eigentlich nicht angreifen – betont er, dass Deutschland drei der gefährlichen Stoffe bereits letztes Jahr verbot. Damit nehme es eine Vorreiterstellung in der EU ein, ist sich Schmidt sicher.

Harald Ebner

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete hatte sich seinen Lieblingsgegner schon vor der Sendung ausgeguckt, so schien es. Mit viel Nachdruck und großen Fremdworten präsentierte er schwierige Sachverhalte und verlangte Antworten von Christian Schmidt. Gleich zu Anfang des Gesprächs sehr direkt „Wenn nächste Woche die Frage [nach einem Verbot der Nikotinoide] ansteht, was werden Sie tun? Das können Sie jetzt den Menschen hier im Land sagen!“. Plasberg steigt auf diese Frage ein: „Machen Sie uns da auch den Glyphosatminister?“.

Schmidt antwortet hierauf wie erwartet zurückhaltend. Es gäbe Studien, dessen Ergebnis er abwarte. Immer wieder brechen kleinere Nebengespräche zwischen Ebner und Schmidt aus und mehrfach bittet Plasberg um eine Vertagung dieser Gespräche in die Ausschüsse des Bundestags. Ebner folgt der Aufforderung sichtbar widerwillig. Neben den Neonikotinoiden bringt Ebner weitere Themen ins Gespräch. Er verweist zum Beispiel darauf, dass nicht nur die Bienen einen wichtigen Anteil an der deutschen Landwirtschaft haben. Auch Schlupfwespen, eine eher parasitäre Insektenart habe einen wichtigen Bestandteil im Öko-System und sei im Bestandsrückgang inbegriffen. Die Nervengifte beeinträchtigen die Wahrnehmung der Insekten, Männchen und Weibchen finden nicht mehr zueinander, „die biologische Tinder-App ist kaputt“. Zitat des Abends, so Plasberg.

Rangar Yogeshwar

Der Wissenschaftsjournalist und Autor tritt bei den öffentlich-rechtlichen normalerweise in anderer Funktion auf. In der Wissenschaftssendung „Quarks und Co“ hat er selbst bereits einige Sendungen zum Thema Landwirtschaft und Insektensterben präsentiert, wie Plasberg zu Beginn der Gesprächsrunde erinnert. In der Tat zieht er Yogeshwar immer wieder zur Erklärung von schwierigen Sachverhalten heran und dem Quarks-Moderator gelingt es in gewohnter Manier, in einfache Worte zu fassen, worum es geht. Die bekannte Krefelder Studie, auf die sich viele berufen beispielsweise, findet Yogeshwar alarmierend.

Als Bernhard Krüsken die Studie über statistische Spitzfindigkeiten abtun will, entgegnet er: „Wenn man merkt, da ist ein Problem und dann versucht, das auf statistische Fehler zu reduzieren, dann finde ich das falsch. Wenn es brennt und Sie sagen, die Alarmanlage funktioniert vielleicht nicht, dann ist das falsch. Und ich sage Ihnen, es brennt.“

Frank Plasberg geht Minister Schmidt hart an

Die Imkerin von der Ostsee stellt selbst eine kontinuierliche Schwächung ihrer Bienen fest, will die Schuld aber nicht nur bei den Bauern suchen. Viele Faktoren haben Einfluss darauf, unter anderem das Klima und die einseitige Ernährung durch Monokulturen. „Unser ganzes Konsumverhalten hat Einfluss auf die Bienen“, findet sie und mahnt zu Bio-Konsum und weniger Fleisch.

Bernhard Krüsken

„Werden Sie eigentlich rausgeschmissen, wenn Sie sagen: Wir sind Landwirte und akzeptieren hier eine kleine Teilschuld an dem Problem?“, fragt Plasberg den Generalsekretär des deutschen Bauernverbandes, der mit allen Mitteln versucht, der Frage auszuweichen. Die Schuld will er nicht bei den Landwirten sehen. Ursachenforschung müsse betrieben werden, aber die Krefelder Studie sei unzuverlässig und man müsse sorgfältige Langzeitstudien anstellen, bevor man etwas unternehme, so Krüsken widersprüchlich.

Was machte Plasberg?

Interessiert und emotional moderiert Frank Plasberg diese Sendung, geht immer wieder bei Streitigkeiten dazwischen und bemüht sich, den Diskurs allgemeinverständlich zu halten. Dem Familienvater Arne Meinhardt, der seiner Familie einige Bienenvölker in den Garten gestellt hat, stellt er die Frage: „Mögen Ihre Nachbarn Sie denn noch“ („Durchaus, bei mir gibts ja Honig“ ist die Antwort). Bei Krüskens ausweichenden Antworten hakt er leider weitgehend erfolglos nach, verliert nur kurz die Contenance, um sich aber gleich wieder zu fangen. Ebner und Schmidts zunehmend lautstarkes Geplänkel am Ende der Sendung unterbindet Plasberg mit den Worten: „Ich glaube, der Nervfaktor ist erreicht.“ Und als Schmidt sich am Ende der Sendezeit nicht kurz genug fasst: „Dieses Gespräch muss ich nochmal in den Bundestagsausschuss verweisen. Sonst muss ich bei Ihnen, Herr Schmidt, als Pressesprecher anfangen, weil mich die ARD sonst rausschmeißt.“ Mit den Worten „Eine verdammt engagierte Diskussion, wir gehen jetzt zu den Tagesthemen“ schließt er die Sendung.

Wie hoch war der Erregungsfaktor?

Hoch. Nicht nur zwischen Ebner und Schmidt und Krüsken und Plasberg kochten die Emotionen hoch. Bienen ja, Landwirtschaft aber auch ja. Yogeshwar weist darauf hin, dass die Landwirtschaft, wie sie heute betrieben wird vielleicht einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Ob man mehr Studien abwarten soll oder nicht, auf Verdacht Pflanzenschutzmittel verbietet und der Landwirtschaft damit Schwierigkeiten bereitet, all das sind Themen bei denen keine Einigkeit besteht. Weder in der Talk-Runde, noch in der Politik.

Was haben wir gelernt?

In erster Linie, dass Umweltschutz ein schwieriges Anliegen ist. Bio-Produkte sind weniger belastet aber auch teurer und wer Landwirtschaft im großen Maßstab betreibt kann kaum per Hand das Unkraut zupfen. Die Krefelder Studie zeigt: in den letzten 27 Jahren ist die Biomasse der Insekten in Deutschland um 75 % zurückgegangen, das sind 6 % pro Jahr, wie Yogeshwar extrapoliert. Wie nah wir an dem Punkt sind, an dem ûnser Ökosystem sich unwiederbringlich verändert, wissen wir nicht, aber zu warten bis wir da sind ist sicher keine Lösung. 22 Milliarden Euro sind Bienen und Bestäubende Insekten der Landwirtschaft im Jahr wert. Wenn sie ihre Arbeit nicht mehr tun können, wird Obst zum Luxusgut. Keine angenehme Vorstellung. Was tun? Bienenpflanzen auf den Balkon stellen kann sich, wer kein eigenes Volk pflegen will. Vielleicht reicht es aber auch schon, ab und an mal ins Bio-Regal statt zum Steak zu greifen.