ARD-Zweiteiler "Gladbeck" Gladbeck: ARD zeigt bedrückenden und intensiven Film über Geiseldrama

Köln - Dieser TV-Zweiteiler war (und ist) ein echtes Geheimprojekt. "Gladbeck", die neue Verfilmung des Geiseldramas von 1988. Vier Jahre dauerte die Vorbereitung. Bis zu seiner Ausstrahlung am Mittwoch und Donnerstag zur Primetime hielten ARD und die Produktionsfirma "Ziegler-Film" aber fast alles zu unter Verschluss.
Der "Kraftakt", wie Produzentin Regina Ziegler ihn heute nennt, greift (und wühlt) eines der traumatischsten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte auf, dass sowohl medienethisch als auch polizeitaktisch bis heute diskutiert wird. Zwei Männer, Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski, die nach einem Bankraub Dutzende Menschenleben gefährden und durch das halbe Land reisen - ohne dass sie jemand stoppt. Berichterstatter, die ihnen eine Plattform geben, mit ins Auto steigen - und teilweise die Ermittlungen behindern.
Eine Polizei, die dilettantisch agiert - und am Föderalismus der einzelnen Behörden scheitert. Und über allem zwei junge Geiseln, Silke Bischoff (18) und Emanuele di Giorgi (15), die einen sinnlosen Tod sterben.
Die Nation damals - genauso elektrisiert wie ihre Behörden hilflos. "1988 hat mich dieses Ereignis extrem betroffen", sagte Regina Ziegler, Produzentin des neuen ARD-Zweiteilers, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Ich konnte nicht glauben, dass so etwas möglich ist. Ich weiß noch: Es war der heißeste Sommer seit Jahren. Diese Angstodyssee, die 54 Stunden gedauert hat, hat mich nicht mehr losgelassen."
Rechtliche Absicherung durch Star-Anwalt Christian Schertz
Sender und Produktionsfirma befürchteten aber auch von Anfang an, die realen Figuren könnten sich wehren. Deshalb wurde Star-Anwalt Christian Schertz früh mit eingebunden. "Er hat die rechtliche Absicherung übernommen", erklärt Autor Holger Karsten Schmidt ("Auf kurze Distanz"). "Wir haben gesagt, wir stellen nur das dar, was belegt ist. Die Dialoge sind zu nahezu 100 Prozent dokumentiert. Selbst Gespräche aus dem Fluchtwagen, weil der verwanzt war."
Das machte die filmische Aufarbeitung leichter, verhinderte aber nicht, dass Rösner vor dem Oberlandesgericht Köln dagegen klagte, die Ausstrahlung verhindern wollte. Die Richter wiesen seinen Antrag ab. Sein Anwalt Rainer Dietz erklärte aber, sein Mandant werde "den ARD-Zweiteiler kritisch beobachten, um gegebenenfalls im Nachgang juristische Schritte zu unternehmen".
Keine Premiere aus Angst vor juristischen Konsequenzen
Auf eine Premiere oder ähnliche offene Vorführungen verzichteten die Macher deshalb auch. Im Gegenteil: Der Film wurde streng geheim gehalten - nur die Beteiligten und rundes Dutzend Journalisten durften ihn bei zwei Terminen in Hamburg und Berlin sehen.
Trotzdem sagt Ziegler, die sich mit der Verfilmung realer Ereignisse auskennt, heute: "Ich hatte nie die Befürchtung, dass Herrn Rösner die Ausstrahlung aus rechtlichen Gründen verhindern könnte. Seine Taten sind damals durch alle Medien gegangen, das kann man jetzt nicht verschweigen. Wenn diese beiden Täter keine Personen des öffentlichen Lebens sind, wer dann?"
Zuschauen tut physisch weh
"Gladbeck" ist genauso wuchtig wie bedrückend. Er entwickelt seine Dramatik langsam, aber umso wirkungsvoller, inszeniert Kleinigkeiten höchst wirksam zu Symbolen. Die Schauspieler (vorneweg die Theater-Stars Sascha Alexander Gersak und Alexander Scheer als Rösner und Degowski, aber auch das restliche Ensemble) spielen um ihr Leben. Es tut zeitweise physisch weh, ihnen zuzusehen.
"Wir versuchen die Begebenheiten neu aufzubereiten und diesem Verbrechen ein Mahnmal zu setzten", betont Gersak. "Am Anfang hatte ich schon meine Zweifel, ob ich die Rolle annehmen soll. Ich habe mich einfach gefragt, ob ich diesem Menschen und damit diesem Verbrechen noch mal eine Plattform geben soll. Aber Kilian Riethof stellt nicht die Täter, sondern die Opfer in den Vordergrund."
Kein Widerspruch - der Film ist genau deshalb so mitreißend inszeniert. Die Momente, in denen die Eltern beziehungsweise Großeltern von Emanuele und Silke die Todesnachricht bekommen, rühren zu Tränen. Weil sie das Grauen dieser Tat greifbar machen. Dazu passt die Zusammenarbeit mit den Hinterbliebenen, die auch in der Dokumentation (läuft am Donnerstag im Anschluss an den zweiten Teil) zu Wort kommen.
"Ich wollte, dass die Hinterbliebenen mit einbezogen werden, das ist einfach eine Frage des Anstands, wenn man wahre Ereignisse in fiktionaler Form aufbereitet", erklärt Autor Schmidt. "Die Mutter von Silke Bischoff hat den Film inzwischen gesehen, und Frau Ziegler steht seit Jahren mit ihr in Kontakt."
Wann wird der Film ausgestrahlt?
Der Zweiteiler "Gladbeck" läuft am 7. und 8. März, jeweils um 20.15 Uhr im Ersten. "Das Geiseldrama von Gladbeck - Danach war alles anders" heißt eine begleitende Dokumentation, die das Erste am Donnerstag (21.45 Uhr) zeigt. Zu Wort kommen Opfer und Angehörige, Vertreter von Polizei und Presse. Der Film von Nadja Kölling thematisiert Fehler der Sicherheitskräfte und journalistische Grenzüberschreitungen. Vor allem aber zeigt er, welche Spuren so ein Verbrechen bei den Betroffenen hinterlässt