"Tom of Finland": Porträt über Ikone der Schwulenbewegung

Berlin - Das Geheimnis von Touko Laaksonen ist groß. So groß, dass er sich mit Gleichgesinnten nur in Verstecken treffen darf und sein Zimmer abriegelt, sobald er zu Hause ist. Laaksonen (Pekka Strang) ist schwul - und im Finnland der Fünfzigerjahre ist das eine Straftat.
Ein noch größeres Problem aber ist, dass er seine homoerotischen Fantasien als Zeichnungen auf Papier bringt - und diese immer wieder in die falschen Hände geraten.
Als „Tom of Finland” ist Laaksonen (1920-1991) später zu einer weltweit gefeierten Ikone der Schwulenbewegung geworden. Mit seinen Zeichnungen halbnackter Muskelpakete schuf er neue Bilder von Männlichkeit: Etwa den schnauzbärtigen Lederwestenträger, der uns spätestens seit der Band Village People ein Begriff ist.
In einem beeindruckenden Biopic erzählt uns Dome Karukoski nun die Geschichte hinter dem Künstler, der durch seine Zeichnungen für viele zur Symbolfigur wurde. „Du machst diese Jungs zu etwas Besonderem”, erklärt ein Freund an einer Stelle des Films. „Du gabst mir das Leben, hast mir Liebe gezeigt”, dankt ihm ein anderer.
Der Film setzt im Zweiten Weltkrieg ein, als Laaksonen bei der finnischen Armee dient. „Es war so dunkel, man musste mit den Händen tasten, es lag eine Spannung in der Luft”, wird er später über diese Zeit erzählen. Um die Spannung abzubauen, treffen sich die Männer nachts in den Wäldern zum Sex.
Immer wieder geht es im Film um solche für die Protagonisten bedrohlichen, gleichsam betörenden Situationen. Karukoski weiß dafür großartige Bilder zu finden. Da ist zum einen der dunstige, stimmungsvolle Lichteinsatz: In den Innenräumen sickert das Licht nur ganz zaghaft durch die dicken Vorhänge, in den Wäldern verfängt es sich nachts im Zigarettenrauch.
Durchweg ist „Tom of Finland” nicht nur wegen der Geschichte seines Protagonisten, sondern auch seiner Optik sehenswert. Weite Einstellungen zeigen beeindruckende Bilder der finnischen Landschaft: Ein Dutzend Soldaten beim Nacktbaden in einem halb gefrorenen See, oder einen russischen Kämpfer, der mit dem Fallschirm in einem Wald landet.
Oft ist die Kamera aber auch ganz nah. Dann folgen die Zuschauer Laaksonens Blick aus einem Versteck im Wald auf die brutalen Polizisten, die seinen Liebhaber zusammenschlagen. Oder begleiten seine Versuche, in einer Jazzbar einen Lover zu finden, aus unmittelbarer Nähe.
Mitte der Fünfziger schickt Laaksonen ein paar seiner Grafiken an einen US-amerikanischen Bodybuilder-Verlag. Sie werden gedruckt und von diesem Moment an immer populärer. Der Siegeszug von Tom of Finland beginnt - doch es wird noch viele persönliche und politische Rückschläge geben.
Erst vor wenigen Jahren, 23 Jahre nach Laaksonens Tod, sorgten seine Bilder für eine neue Kontroverse. Sein Heimatland ließ einige seiner Bilder auf Briefmarken drucken - und erzürnte damit Teile des Nachbarlands Russland. Der russische Abgeordnete Witali Milonow forderte die Briefträger dazu auf, Post mit den Briefmarken nicht zuzustellen.
Als „ein Stück Papier, ein schmutziges Bildchen” bezeichnet Laaksonen seine Kunst in einer Filmszene, kurz nachdem er vorübergehend inhaftiert wurde. „Das ist eine Atombombe, die dich ins Gefängnis bringt”, entgegnet ihm ein Freund. Wir wissen, dass das in manchen Ländern bis heute eine Wahrheit ist.
Tom of Finland, Finnland/Schweden/Dänemark/Deutschland/Island/USA 2017, 115 Min., FSK ab 12, von Dome Karukoski, mit Pekka Strang, Lauri Tilkanen, Jessica Grabowsky (dpa)