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Schnurrbärte und Lara-Boom: 50 Jahre "Doktor Schiwago"

04.10.2016, 06:23
Omar Sharif (M) und Regisseur David Lean (r) bei den Dreharbeiten in der Bergregion bei Soria (Spanien). Foto: Teodoro de Miguel/Soria City Council
Omar Sharif (M) und Regisseur David Lean (r) bei den Dreharbeiten in der Bergregion bei Soria (Spanien). Foto: Teodoro de Miguel/Soria City Council Soria City Council

Berlin - Er rührte Millionen Zuschauer zu Tränen - vor 50 Jahren feierte der Liebesfilm „Doktor Schiwago” seine Deutschlandpremiere.

Von der Kritik eher kühl aufgenommen, begeisterte das nach dem Roman von Literaturnobelpreisträger Boris Pasternak entstandene Hollywood-Drama das Publikum auf Anhieb. Vor den Kinos bildeten sich lange Schlangen. Alle wollten Omar Sharif und Julie Christie als leidenschaftliches Liebespaar Juri und Lara in den Wirren der russischen Revolution sehen.

Es war der Beginn eines schwärmerischen Russland-Booms in Deutschland: Zahllose neugeborene Mädchen wurden auf den Namen Lara getauft. In Verehrung für den charmanten Macho Sharif (1932-2015) ließen sich Männer Schnurrbärte wachsen, wie sich der 78-jährige Berliner Filmhistoriker Hans Helmut Prinzler erinnert. In der Damenmode tauchten Pelzkragen-Mäntel auf, wie sie die Filmfiguren trugen.

Oscar-Preisträger Maurice Jarre („Lawrence von Arabien”) komponierte die schwelgerische, sehnsüchtige Musik für die tragische Liebesgeschichte zwischen der Krankenschwester Lara und dem Arzt und Dichter Juri. „Laras Thema” wurde ein echter Hit. In Deutschland verballhornte Dieter Hallervorden den Song in einem seiner Sketche. Dabei sucht er auf einer Straßenkreuzung dringend „den Mittelteil von Doktor Schiwago”. Wie ging das nochmal nach „Schnief schnief di schneuf” weiter?

Fünf Oscars heimste „Doktor Schiwago” ein - allerdings nicht die Trophäe für den besten Film. Die Filmkritiker nahmen das Melodram auch etwas reserviert auf. Bei der als großes gesellschaftliches Ereignis gefeierten Europapremiere in London, zu der auch Prinzessin Margaret kam, wurde der Film zurückhaltend aufgenommen.

Mit drei Stunden und 20 Minuten sei er eindeutig zu lang, hieß es. Bewundert wurde die Kameraführung. Mit der Leistung der Schauspieler waren nicht alle zufrieden. Vor allem Sharif wirke eher wie ein „durchnässter Spaniel als der Dichter der Revolution”, schrieb der „Daily Express”. Als einen „Rührfilm” bezeichnete der „Spiegel” das Werk nach der Deutschlandpremiere in Frankfurt am Main.

„Die Leute sehen bis heute im Kino gerne Rührstücke”, sagt Filmexperte Prinzler. Den Erfolg von „Doktor Schiwago” erklärt er auch mit der ungewöhnlichen Länge des Films. Der Kinoabend sei für die Zuschauer so zu einem richtigen Event geworden. „Es war nicht das Übliche, sondern ein Film mit großem Atem auf Breitwand.” Auch die Neugier auf die Verfilmung eines berühmten Buches habe zu dem Erfolg beigetragen.

Regisseur David Lean („Lawrence von Arabien”, „Die Brücke am Kwai”) verfilmte das russische Epos über den zwischen seiner Ehefrau Tonja (Geraldine Chaplin) und der Geliebten Lara stehenden Schiwago größtenteils in Spanien. „Tonya, sieh nur, der Ural”, sagt Schiwago im Film zu seiner Frau. Dabei zeigt er in Wirklichkeit auf den Berg Moncayo, den höchsten Gipfel des Iberischen Gebirges. (dpa)