Schloss Oranienbaum Schloss Oranienbaum: Ausstellung über die Sprache der Fächer
Oranienbaum/MZ - Unter den Dingen, die verschwinden, nimmt der Fächer eine Spitzenposition ein. Dieser kunstvoll gefertigte Hand-Lüfter, der ein Gesicht kühlen oder verstecken kann. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird das blattförmige Instrument noch ab und an durch die Politikerin Jutta Ditfurth hochgehalten. Wenn die geborene Freifrau zum Talk-Streit in ein Studio tritt, hat sie den Fächer dabei. Auch der Modegestalter Karl Lagerfeld zeigt sich selten oben ohne, also ohne Fächerei.
Ditfurth und Lagerfeld hätten ihre helle Freude an der Ausstellung, die unter dem Titel „Frischer Wind in Oranienbaum“ im barocken Sommerschloss bei Wörlitz gezeigt wird. Über 100 Fächer sorgen für die belebende Brise: Schöne handgreifliche Stücke, die in den Vitrinen lagern, Fächer, die auf Gemälden zu sehen sind - und auf Fotografien. Was in Oranienbaum geboten wird, ist nicht nur einfach eine Fächer-Messe, die Stück an Stück hinter Glas arrangiert, sondern ein bis zuletzt überraschender Gang durch die gesellschaftliche Welt dieses merkwürdigen Mode-Gutes, das dem europäischen Adel einst unentbehrlich war.
Mit der Schau, die im Untertitel „Die Sprache der Fächer“ zu lehren verspricht, knüpft die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz an die 2012 präsentierte Erfolgsausstellung „Dutch Design - Huis van Oranje“ an, die niederländisches Kunsthandwerk der Gegenwart und Vergangenheit zeigte. Auch in der Fächer-Schau sind die Holländer wieder mit von der Partie. Das Königliche Hausarchiv in Den Haag hat einen Teil seiner Fächer-Sammlung nach Oranienbaum geschickt. Kunstwerke, die um 1900 die Königinnen Wilhelmina und Juliana in den Händen hielten.
Tatsächlich ist die blattförmige Gestalt des Fächers kein Zufall, wie die Kulturstiftungs-Mitarbeiterin und Kuratorin der Ausstellung, Kristina Schlansky, in dem bastelbogenartig gestalteten Katalog schreibt. Die Blätter von Bäumen wurden wohl als erste Fächer genutzt. Palmenblätter, geflochtene Bastblätter: Alles das wurde zum Wedeln gebraucht. Und in seiner Gestalt verfeinert. In der Schau ist die Nachbildung jenes Fächers zu sehen, der im Grab des altägyptischen Königs Tutenchamun gefundene wurde: halbkreisförmig und prachtvoll vergoldet, zum Tragen an einer langen Stange befestigt.
Die Faltfächer wiederum stammen aus Korea, China und Japan. Dort waren sie schon lange im Gebrauch, bevor sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts über Portugal, Spanien und Italien in den Norden Europas gelangten. Bespannt mit einem Pergament, das als „Schwanen-“ oder „Kükenhaut“ bezeichnet wird. Am Öffnungswinkel der Fächer lässt sich dessen Zeit ablesen. Das frühe 18. Jahrhundert gestattet 180 Grad, um 1740 geht es auf 120 zurück, um sich dann wieder zu öffnen und um 1800 erneut zu schließen.
Der Fächer ist eben ein Zeugnis der Kulturgeschichte und eine Kulturtechnik gleichermaßen. In Oranienbaum darf man auf einem Sessel Platz nehmen, um vor einem goldgerahmten Spiegel die Sprache der Fächer zu lernen und gleich selbst in Augenschein zu nehmen. Anleitung findet der Fächer-Schüler auf Fotografien, die in historischen Kostümen die Leipziger Modegestalterin Ilka Trotte zeigen. Die führt die Fächersprache vor. Fächer in der linken Hand aufgeschlagen vor dem Gesicht: Ich suche Bekanntschaft. Geschlossener Fächer, auf die Lippen gelegt: Küsse mich! Fächer mit abgespreizten kleinen Finger haltend: Auf Wiedersehen! Was also auch heißt: Wer vormals in einer gut geschulten Adelsgesellschaft mit einem Fächer nur einfach gedankenverloren herumhantierte, konnte schnell sein blaues Wunder erleben. Das war denn auch im Krünitz, dem von 1773 an verlegten Lexikon zu lesen: „Die Fächer, diese schön gemalten Zierden schöner Hände, sind öfters nicht anders, als scharfe Messer in den Händen unvorsichtiger Kinder...“.
Aber nützlich vor allem, auch zum Verdecken eines schlechten Gebisses oder eines mürrischen Gesichts. Die in Oranienbaum gezeigten Fächer jedenfalls sind durchweg Blickfänger - und denkwürdig ihrer Herkunft nach. Da liegt zum Beispiel ein in schönster klassizistischer Manier gestalteter Fächer aus der Zeit um 1800 aus, der aus dem Besitz des Prinzen Eduard von Anhalt stammt; gut denkbar, das sich einst die Fürstin Louise mit diesem Stück etwas Kühlung verschaffte. Interessant ist ein aus Bussard-Federn gestaltetes Teil, das zum letzten großen Dessauer Hofball im Jahr 1905 getragen wurde - von einer Frau von Kutschkowsky. Mit dem Abschied vom Adel ging der Fächer verloren: Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges blieb die dicke Luft in Gesellschaft unbehandelt.
Aber doch nicht ganz, belegt die Schau, die als Ausklang nicht nur das - sehenswerte - Kristall-Geschirr des niederländischen Glasdesigners Bernhard Heesen zeigt, sondern auch von Design-Studenten der Kunsthochschule Burg Giebichenstein geschaffene „Fächer für einen Anlass“ und „Fächer für eine Person“. Also einen aus Röntgen-Aufnahmen gefertigten Handschuh-Fächer für Wilhelm Conrad Röntgen und einen Pistolen-Fächer für James Bond. Ein Fächer, der von dem ewigen Geheimagenten wie sein Wodka-Martini zu nutzen wäre: geschüttelt, nicht gerührt.
Schloss Oranienbaum: bis 1. September. Di-So 10 bis 17 Uhr