Schloss Mansfeld Schloss Mansfeld: In Luthers Bann

mansfeld/MZ - Es hat seine ganz eigene Symbolik, dass die Ruinen von Schloss Mansfeld seit Sommer vergangenen Jahres buchstäblich aufgetaucht sind. Weil 2009 ein Bogen in der Tordurchfahrt zwischen „Mittelort“ und „Hinterort“ einstürzte und Gefahr drohte für die Gäste der Jugendeinrichtung im „Vorderort“ gab es Geld für eine Sanierung der Bauwerke.
Von Efeu und Wildwuchs befreit, worunter „Mittelort“ und „Hinterort“ zugewuchert waren wie einst die Inkastadt Machu Picchu im peruanischen Urwald, stellte man fest, dass zuletzt nur die Wurzeln das Mauerwerk noch zusammenhielten und die Reste der Pracht zudeckten, die aus Dokumenten zu erahnen ist. Und „Vorderort“, obwohl zugänglich und belebt, scheint oberflächlich nur als neugotischer Umbau dazustehen.
1501 teilte sich das Mansfelder Grafengeschlecht in drei Linien. Jede errichtete auf dem Gelände der Stammburg ein eigenes Schloss, „vorne“, „mittig“ und „hinten“, daher die Namen. An Prunk überboten sie sich gegenseitig, und darin lag der Keim für spätere Finanznot. Die Schlösser verfielen, nur das vordere fand im 19. Jahrhundert einen Käufer.
Museum im Schloss
Die Bedeutung der Schlösser für die Architekturgeschichte ist immens. Das wissen aber nur ein paar Spezialisten. Verkannt sind sie zudem auch als die vielleicht authentischsten Orte der Reformation in ihrem Stammland. Denn die Grafen gerieten früh in den Bann Luthers, die einen als Gegner, die andern als Unterstützer, aber jeweils gleichermaßen entschlossen. Sie waren zugleich Getriebene und Akteure der Zeitenwende, gespiegelt in ihren Bauten.
Von der Rolle der Grafen in der Reformation war bis vor kurzem am Ort selbst nur sehr wenig zu erfahren. Die Ruinen waren zugewachsen, Schloss Vorderort und die nahezu unberührt erhaltene gotische Schlosskirche für Besucher schwer zugänglich. Als nach dem Krieg die letzten Schlossherren vertrieben waren, überließ die damalige Landesregierung die Bauten und Gelände der evangelischen Kirche. Über dem Torbogen hängt noch das Schild vom „Tagungs- und Rüstzentrum“, das sie 1947 eröffnete. Nach der Wende wurde eine Jugend- und Begegnungsstätte daraus, betrieben vom Förderverein mit Stadt, Kirchenkreis, Christlichem Jungmännerverein und Privatleuten als Mitglieder.
„Zutritt verboten“ heißt es heute immer noch an etlichen Türen, aber jüngst wurde nahe am Eingang erstmals ein kleines Museum eröffnet. In dem überwölbten Raum erläutert eine Reihe von Tafeln die Bau- und Dynastiegeschichte. Für den Text bürgt die hallesche Burgenkundlerin Irene Roch-Lemmer, anerkannte Expertin der mitteldeutschen Renaissance und nimmermüde Archivforscherin.
Mit „welschen Giebeln“
Der Besucher bekommt in Reproduktion zahlreiche Bildzeugnisse zu sehen, die bisher nur in der Fachliteratur diskutiert waren. Ein Stich von Merian und die Darstellung der Schlösser auf zwei Gemälden von Cranach dem Älteren und Cranach dem Jüngeren zeigen detailreich, wie stolz die Bauten mit ihren „welschen Giebeln“ prangten. Diese rundbogigen Aufsätze auf Erkern und Portalen eifern Vorbildern nach, die um 1500 in Venedig zu verorten sind – auf San Marco, aber auch auf zahlreichen damaligen Neubauten.
Auf das Markenzeichen der lagunenstädtischen Renaissance wurden die Bauherren Mitteldeutschlands, die auf ihre Bildung hielten, schon früh aufmerksam, aber nirgends so früh wie in Mansfeld. Graf Hoyer VI. von Vorderort könnte nach einem Brand von 1509 begonnen haben, meint Frau Roch-Lemmer. Sie verweist auch darauf, dass der Graf da gerade mit seinem Bruder Günther IV. von einer Pilgerreise ins Heilige Land zurückgekommen war, auf der sie in Venedig Station gemacht hatten. Hoyer müssen die Brüder Gebhard VII. von Mittelort und Albrecht IV. von Hinterort zur Seite gestellt werden. Auch sie bauten ihre Sitze mit allen Kennzeichen des neuen Stils aus. Alles deutet auf höchste Ansprüche an die Baumeister und Bildhauer. Der Treppenturm von Vorder-, die Vierflügelanlage von Hinter-, der ehemals „Goldene Saal“ samt Schmuckerker von Mittelort künden davon architektonisch, die Bogenreliefs der „Trunkenen Landsknechte“ und des „Bacchus“, der Epitaph, die Sakramentsnische und der Flügelaltar in der Kirche künstlerisch. Wertvolle stuckierte Säulen sind vom Goldenen Saal erhalten. Im Buschwerk des Burghügels sind zudem Reste der gewaltigen Festungsanlagen zu sehen, die ihr eigenes Licht auf die Zeiten werfen, denn sie zeigen die Angst vor den Bauernaufständen.
Es ist aber in der Schlosskirche, dass die Epoche zu höchst atmosphärischem Eindruck gerinnt. Graf Hoyer hielt darin einen Reliquienschatz, der mit den Heiltümern von Kardinal Albrecht und Friedrich dem Weisen konkurrierte. Über eine Empore betrat er die Kirche aus seinen Gemächern. Den schmiedeeisernen Lettner bringt Frau Roch-Lemmer neuerdings mit dem Schatz in Verbindung, der von dem darin eingebauten Podest gezeigt worden wäre. Wie treffend, dass Luther von diesem Podest gepredigt hat, später, nachdem Hoyer 1540 gestorben war, felsenfest im alten Glauben und bis zuletzt ein Widersacher des Reformators. Seine Brüder aber zählten zu Luthers besten Freunden. „An allen wichtigen Begebenheiten der Reformation war er persönlich beteiligt“, heißt es von Albrecht IV. in der Allgemeinen deutschen Biografie.
Die Geschichte der Reformation in Mansfeld bleibt zu erzählen. Im Ort wird 2014 das neue Museum am Luther-Elternhaus eröffnet, in Eisleben soll das von Graf Hoyer gegründete Annenkloster geöffnet werden. Im Mansfelder Schloss aber neben der Jugendeinrichtung auch die museale Erschließung zu entwickeln, muss eine Priorität der Lutherdekade werden.
