Schloss Hubertusburg Schloss Hubertusburg: Prunkvolles Jagdschloss öffnet nach 250 Jahren seine Türen

wermsdorf/MZ - Dass es dieses Schloss gibt, das wusste man. Aber schon nicht mehr, in welchem Zustand es sich befindet. Was es noch zu bieten hatte von seiner ursprünglichen Pracht. Wenig zog hin nach Schloss Hubertusburg, gelegen zwischen Leipzig und Riesa, im nordsächsischen Flecken Wermsdorf bei Oschatz. Ein zuletzt als psychiatrisches Krankenhaus betriebener Barockbau, in dem einmal Weltgeschichte geschrieben worden war.
Kein sächsisches Schloss unter vielen, sondern tatsächlich eines der größten Jagdschlösser Europas. Genauer: eine Jagd-Schloss-Stadt, von 1721 an im Auftrag Augusts des Starken errichtet und von dessen Sohn, König August III., von 1736 bis 1752 als eine im Kern Vierflügelanlage vollendet. Nur vier Jahre blieben dem dritten August, um hier jeweils im Herbst Jagden zu veranstalten, zu denen auch der polnische und litauische Hochadel anreiste, der dem Sachsen als polnischem König untertan war.
Doch Ende August 1756 marschierten die Preußen in das mit Österreich verbündete Sachsen ein, um in einem Präventivkrieg gegen die Habsburger die Eroberung Schlesiens zu verteidigen. Dieser Feldzug wuchs sich aus zum Siebenjährigen Krieg. Zu dessen Beginn floh August III. weg von Sachsen nach Polen, wo er 1763 starb. In jenem Jahr, als am 21. März das Ende des Krieges in dem von den Preußen geplünderten Hubertusburg besiegelt wurde. Fortan sollte für das Schloss nichts mehr so sein, wie es einmal war.
Sächsische Landlust
Plötzlich war der Bau eine Problem-Immobilie, die notdürftig zu nutzen war: als Militärmagazin, Lazarett und als Ort von „Gnadenwohnungen“ für pensionierte Offiziere und Staatsbeamte in den frühen Jahrzehnten. 1880 zog in die Raumfluchten eine psychiatrische Anstalt ein, die hinter vergitterten Fenstern ihren Betrieb bis 1991 fortführte. In den späten DDR-Jahren soll in den Kellergewölben nach dem Bernsteinzimmer gesucht worden sein, zuletzt 2010 - und vergeblich. Das Schloss dämmerte dahin in einem Zustand, der als Dornröschenschlaf viel zu freundlich beschrieben wäre.
Und nun das: Man tritt in den begrünten und gepflasterten Schlosshof und traut seinen Augen nicht. So viel Schönheit und unaufdringliche Größe. Die Fassade des eigentlichen Schlossgebäudes, das rechteckig einen Innenhof umschließt, ist saniert: mit cremigen, weiß abgesetzten Gelbtönen. Über dem ovalen Mittelbau reckt sich ein Türmchen empor, das an seinen Seiten mit goldenen Hirschköpfen besetzt ist. Es ist Heiterkeit und Landlust, die sich hier mitteilt, und die sich Sachsen in den vergangenen 22 Jahren rund 25 Millionen Euro kosten ließ: für die Dächer, Fassaden und die Umfassungsmauer des Schloss-Ensembles mit 12 000 Quadratmeter Wohnfläche. Ein Jagdschloss mit angeschlossener Landschaft, in der sich einst ein Metropolen-Gewimmel entfaltet haben muss, wenn der Dresdner Hof zur Staatsjagd eintraf. Mit so vielen Bediensteten, dass diese in den Dörfern rundum untergebracht werden mussten.
Vieles davon wird von diesem Sonntag an endlich wieder sinnfällig. „Die königliche Jagdresidenz Hubertusburg und der Frieden von 1763“ heißt die überraschende Schau, die von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in den vormaligen Gemächern der Königin Maria Josepha gezeigt wird. In sechs für fast eine Million Euro nutzbar gemachten Räumen der Beletage, die sich östlich vom Hubertussaal aneinanderreihen.
Geplündert bis zum letzten Nagel
Um die Sensation zu begreifen, die diese Ausstellung - die ja die erste wirkliche Öffnung des Schlosses seit 1756 ist! - bedeutet, muss man die Plünderung des Schlosses 1761 erklären. Ein Kriegsverbrechen (denn das Zerstören von Herrschersitzen war tabu), das Friedrich II. angeblich als Vergeltung für vergleichsweise harmlose Plündereien in den Randberliner Schlössern Charlottenburg, Friedrichsfelde und Schönhausen bestimmte; tatsächlich ging es dem König um Rache. Allein, was heißt: Plündern? Hubertusburg wurde über eine Dauer von 16 Tagen bis auf den Rohbau generalstabsmäßßig auseinandergenommen: alle Einrichtungsgegenstände, alle Kunstwerke wurden zum Verkauf abtransportiert, alle halbwegs verwertbaren Materialien abgenommen bis hin zum Blattgold, dem Kupferdach und dem buchstäblich letzten Nagel, sogar Fenster und Türen wurden teilweise entfernt. Verschont blieb nur die Kapelle.
Wieviel Schloss steckt also noch im Schloss - und in der Ausstellung? Die wird zwischen den baudenkmalpflegerisch freigelegten Wänden gezeigt: Man sieht vor allem die Farbgründe des 19. Jahrhunderts, aber im vormaligen Audienzsaal der Königin an der Decke die Spuren des abgeschlagenen Stuckes. Solcherart sind die Entdeckungen, die die Schau auch garantiert, die für sich selbst sehr sehenswert ist: als kulturhistorische Rückgewinnung des Jagdschlosses und seines Lebens vor den Verheerungen in Folge des Siebenjährigen Krieges. Prachtvollste Jagdwaffen und -geräte (eine am Griff mit Diamanten besetzte, aus Silberdraht gewirkte Reitpeitsche Augusts des Starken), ein Audienzsessel Augusts III., Porzellane, Gemälde und Papiere sind zu sehen, darunter für die Eröffnungstage der Original-Friedensvertrag von 1763.
Ein Großteil der Hubertusburger Gemälde war 1765 in Amsterdam versteigert worden; sie finden sich heute weltweit in Sammlungen verteilt. Ähnliches gilt für das Mobiliar. Für die Ausstellung konnte eine Jagdvase gewonnen werden, die zum Bestand des Audienzzimmers gehörte. Hubertusburg: Das ist eben auch ein Stück europäischer Kunst- als Kriminalgeschichte. Ein wilder Roman, der mit dem Siebenjährigen Krieg begann, der in Wahrheit der - auch in Nordamerika ausgetragene - allererste Weltkrieg war. 250 Jahre dauerte es, bis er für Hubertsburg vorüber war.


