Sachsen Sachsen: Leipzig will auf die UNESCO-Liste

Leipzig/Berlin/ddp. - Winfried Hoffmann steht an einer alten Druckmaschineim Leipziger Druckkunstmuseum und hält einen Bogen Papier gegen dasLicht. Er prüft eine Handschrift von Johann Sebastian Bach, seinEntlassungsgesuch an die Stadt Mühlhausen - eine Kopie nur, abertäuschend echt aussehend.
Eine technische Rarität ist die Maschine, mit der Hoffmann dasDokument soeben vervielfältigt hat. Sein Arbeitsplatz ist eine vondrei weltweit noch aktiven Lichtdruckereien. Die teilweise guthundert Jahre alten Gerätschaften in der Stahlbetonhalle täuschendarüber hinweg, dass hier tagtäglich Edeldrucke von Kunstwerken undhistorischen Dokumenten entstehen. Das Alter der Maschinen aber lässtdas Hauptproblem des Gewerkes erahnen: Es ist vom Aussterben bedroht.
Ausgebildet werden Lichtdrucker schon seit den 1970er Jahren nichtmehr. Die verbliebenen Könner des Fachs gehen alle auf die Rente zu.«Es wird nicht mehr lange dauern, dann kann niemand mehr mit diesenMaschinen umgehen», sagt Susanne Richter, die Direktorin desDruckkunstmuseums und Hausherrin der Etage, die der eigenständigeLichtdruck-Verein nutzt.
Aus diesem Grund möchten Werkstattleiter Udo Scholz, DruckerHoffmann und der agile Projektentwickler Detlef Menges am Samstag miteiner besonderen Aktion auf sich aufmerksam machen. Am Rande derBuchmesse werden sie dem Ost-Beauftragten der Bundesregierung,Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD), ein Dokument überreichen, indem sie die Aufnahme ihres Handwerks in die Liste des schützenswertenimmateriellen Weltkulturerbes der UNESCO beantragen.
Hinter dem komplexen Namen verbirgt sich die Einsicht derUNO-Organisation, dass nicht nur Orte oder Architekturen daskulturelle Gedächtnis der Menschheit bilden, sondern auch konkretePraktiken und Fertigkeiten.
Auch wenn Deutschland das UNESCO-Abkommen über das immaterielleKulturerbe erst im Juni unterschreiben will und eine Antragstellungformell daher noch gar nicht möglich sei, zähle doch die Symbolkraftdes Ganzen, sagt Menges. Aber auch ganz handfeste technische Gründesprechen für einen Erhalt der Kunst: Bis heute sind Farbtreue undWiedergabegenauigkeit des Lichtdrucks unübertroffen.
Drucker Hoffmann indes ist noch nicht ganz zufrieden mit derBach-Handschrift. Noch einmal wirft er die Maschine an - mit ruhigenBewegungen und bedachten Handgriffen. Von Hektik keine Spur. Um 1870entwickelte der bayerische Hoffotograf Joseph Albert das Verfahren,das aus heutiger Sicht hoffnungslos langsam anmutet.
Nach der fotografischen Reproduktion des Originals in einer zweiRäume großen Kamera werden die Abzüge auf Glasplatten übertragen.Diese Platten wurden zuvor mit einer lichtempfindlichenGelatineschicht überzogen, stundenlang gebacken, einen halben Taglang abgekühlt, belichtet, gespült, gewässert, getrocknet, wiederbefeuchtet und endlich mit Farbe eingewalzt. Und während moderneDruckverfahren mit vier Farben arbeiten, kommen für einen Lichtdruckbis zu zwölf Farben zum Einsatz.
Das bedeutet zwölfmal fotografieren, backen, wässern, warten. «Einkomplexer Druck kann so leicht bis zu einem Vierteljahr dauern»,erklärt Menges. Im Zeitalter von sekundenschnellen Datentransfers anOffsetdruckereien in China nicht unbedingt ein Marktvorteil. Und sosieht Projektentwickler Menges die Zukunft des Vereins darin, dasEdeldruckverfahren in einer Liebhabernische internationalbekanntzumachen. Die Herausgabe von Künstlereditionen soll dabeihelfen. Das Know-how dafür haben die Drucker aus der Nonnenstraße.Künstler wie Neo Rauch oder kürzlich der große Maler des Informel,Jean Miotte, haben die Dienste der Druckerei bereits in Anspruchgenommen.
