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Rosenstolz Rosenstolz: Anna R. und Peter Plate bringen Soloalben heraus

Von Steffen Könau 17.05.2013, 17:40
Andrea Natalie Neuenhofen alias Anna R. im Kreis ihrer neuen Band Gleis 8.
Andrea Natalie Neuenhofen alias Anna R. im Kreis ihrer neuen Band Gleis 8. aa-on-music.de Lizenz

Halle/MZ - Das geht alles viel zu schnell. Singt Andrea Natalie Neuenhofen gleich zu Beginn ihres ersten Soloalbums. Im Dezember die offizielle Ankündigung, dass das Duo Rosenstolz eine angekündigte „Kreativpause“ auf unbestimmte Zeit ausdehnen wird. Und kein halbes Jahr später schon der Doppelschlag: Nachdem Peter Plate, der musikalische Kopf der Zwei-Mann-Band, im April ein Solo-Werk vorgelegt hatte, folgt jetzt Neuenhofen, die sich seit den Anfängen von Rosenstolz kurz nach dem Mauerfall nur „AnNa R.“ nennt.

Dieser Name steht allerdings nicht auf dem Cover von „Bleibt das immer so“ (Universal). Weil AnNa R. mit drei Musikern zusammenarbeitet, wird Bandgefühl gepflegt. „Gleis 8“ heißt das Quartett, inspiriert von dem Bahngleis im Berliner Hauptbahnhof, von dem aus die Züge nach Hamburg abfahren. Die tiefere Bedeutung ist so tief nicht: Zwei Bandmitglieder wohnen in der Hauptstadt, zwei an der Elbe. Man traf sich zu Proben abwechselnd da und dort. Und Gleis 8 verband die Band.

Aber auch sonst markieren die zwölf Stücke von „Bleibt das immer so“ (erscheint am 24. Mai) einen Neuanfang auf erprobten Schienen. Obwohl nur Saxophonist Lorenz Allacher schon bei Rosenstolz aktiv war, nimmt das Album, an dem außerdem der Keyboarder Manne Uhlig und der Produzent Timo Dorsch mitgewirkt haben, einen vorhersehbaren Verlauf: Die hochemotionalen Texte sind da, die mollenen Melodien, das Laut-Leise-Schema und die von einem simplen Klavierlauf angekündigte Dramatik, die sich gern in einem opulenten Orchesterarrangement entlädt.

,„Und wenn Du jetzt gehst, versprich mir eins, lass mich nicht allein“, singt AnNa R. im Eröffnungsstück, das wohl gut auch als Abschiedsgruß in Richtung Peter Plate gehört werden darf. Hatte dessen Album den Rosenstolz-Kosmos eher in Richtung Pop-Schlager verlassen, zielt die 43-jährige gelernte Chemielaborantin eher auf die Silly- und Silbermond-Ecke. Gedämpft wird gerockt, gediegen gefühlt. Das Herz ist ein einsamer Jäger und die Sängerin, wie ihr Ex-Partner längst genesen von den bundesweit vielbeachteten gesundheitlichen Folgen fortgesetzten Ruhms, ist weniger Geschichtenerzählerin als in Sachen Lebenshilfe unterwegs. „Wir sehen, was uns trennt, und nicht was uns verbindet“, singt sie im Titelstück, „weil wir die Liebe suchen, wo sie uns nicht findet“ und „es ist so schwer zu sagen ich liebe dich, und noch schwieriger ist ein ich lieb dich nicht“, heißt es in „Ich liebe Dich nicht“. Kein Schlagersound grundiert das, sondern ein bass-satter Rockpop, wie ihn Roxette oder die Cranberries früher spielten.

Hatte Peter Plate seinen Alleingang mit „Schüchtern ist mein Glück“ überschrieben und es letztlich auch nur auf Platz 29 der Verkaufscharts geschafft, hält AnNa R. dem den entschiedenen Anspruch entgegen, ganz oben mitzuspielen. Songs wie „Wer ich bin“ oder „Alles ohne Dich“, meist von allen vier Bandmitgliedern im Kollektiv geschrieben, drehen das ganz große Ohrwurm-Rad. Herz und Schmerz, verpackt in kleine und in große Terz und mit einer AnNa R. am Mikrophon, die den theatralischen Gestus ihrer frühen Jahre fast völlig beiseite lässt. Kein Kopfstimmenkippen mehr wie seinerzeit bei „Soubrette werd’ ich nie“, keine Selbstironie wie in „Schlampenfieber“ und auch kein plumpes Hymnenjagen wie zu Zeiten von „Gib mir Sonne“. Nicht zu überhören: Ohne Peter Plate gelingen AnNa R. und ihren neuen Kollegen die besseren Rosenstolz-Stücke.

Statt halbironischer Pop-Chansons, wie sie Plate bietet, spielen AnNa R. und ihre Männer radiokompatiblen Rock mit philosophischer Note. Gleis 8 zielt auf ein erwachsenes Publikum, dem die Toten Hosen zu laut, Unheilig zu depressiv und 2Raumwohnung zu elektrisch sind. Das hier ist handgemachte Musik, handwerklich über jeden Zweifel erhaben wie eine der Luxus-Ausgabe des Albums beiliegende CD mit Akustikversionen belegt. Und inhaltlich mit genau den Zweifeln aufgeladen, die die Kernzielgruppe zwischen Ende 20 und Ende 50 bewegen dürften: Wer bin ich und wenn ja, weswegen? Bleibt das immer so oder ist es das gewesen?

AnNa R. hat keine Antworten, aber sie stellt immerhin die richtigen Fragen. „Jeder Schritt nach vorn holt uns wieder ein und wir laufen davon“, singt sie, die Stimme Tamara-Danz-artig weich und spitz zugleich. Und als sei das nicht schon genug Grübelaufgabe, heißt es weiter: „Jeder Schritt zurück bringt uns wieder dahin, dass wir nicht wissen, wo wir sind“. Im Hintergrund brummt eine Bratsche, rechts macht eine Harfe pling und links schrubbt eine Gitarre wie bei „Every Breath You Take“ von The Police. Großes Luftholen. Refrain mit Männerchor. Gänsehaut. Die Generation, die ihr Glück nach dem Mauerfall fand und heute plötzlich in der Euro-Krisen-Patsche steckt, die nicht nur Selbstzweifel weckt, fragt sich selbst verwundert: „Was muss sich ändern, damit alles bleibt, wie’s ist?“

Aus Sicht des doppelt versorgten Fans nicht viel. Die Rosenstolz-Trennung, die immer noch nur eine Pause unklarer Länge sein könnte, hat der Sängerin gut getan, wie sie auch selbst meint. „Das kannte ich ja bislang nicht, eine Band, sich austobt“, sagt AnNa R, die nach 20 Jahren an der Seite von Peter Plate auszog, „meine eigenen Lieder zu schreiben, meine eigenen Gedanken loszuwerden“.

Die sind schon wieder fast so gefragt wie zu besten „Das große Leben“-Zeiten mit Rosenstolz. Nachdem die Band ein erstes Konzert im kleinen Berliner „Astra“ angekündigt hatte, waren die Karten so flott weg, dass gleich drei Zusatzauftritte gebucht werden mussten.

Mehr Informationen unter: www.gleis8.net