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Robert Musil Robert Musil: Einer der meistbekannten Ungelesenen wäre 125 Jahre alt

Von Irmgard Schmidmaier 02.11.2005, 15:08
Der österreichische Schriftsteller Robert Musil: Seine Werke "Die Verwirrungen des Zöglings Törless" und "Der Mann ohne Eigenschaften" gehören zu den Standardwerken der Weltliteratur. (Foto: dpa)
Der österreichische Schriftsteller Robert Musil: Seine Werke "Die Verwirrungen des Zöglings Törless" und "Der Mann ohne Eigenschaften" gehören zu den Standardwerken der Weltliteratur. (Foto: dpa) Ullstein

Wien/dpa. - Dennoch istMusil einer der meistbekannten Ungelesenen der modernen Literaturgeblieben. Am Sonntag (6. November) jährt sich sein Geburtstag zum125. Mal.

In seinem Werk schildert Musil in unterschwelliger Weise dieStimmung der «Zeitenwende» um 1900. So beschreibt er in seinem erstenRoman «Die Verwirrungen des Zöglings Törleß» bereits die Mechanismender kommenden Diktaturen, ohne bewusst darauf abzuzielen. Auch seinOpus Magnum, das Fragment gebliebene zweibändige Werk «Der Mann ohneEigenschaften», konzentriert wie unter einem Brennglas diepolitischen, sozialen und kulturellen Strömungen am Vorabend desersten Weltkrieges.

Gleichzeitig gelingt es Musil, über seine Hauptfigur Ulrich auchdie innere Verfasstheit des Individuums zu beschreiben am Beginneiner psychologisch einschneidenden Zeitenwende: die Auflösung vonSicherheiten, die Verstörung durch politischen Zerfall,Erkenntniszweifel. Nicht zuletzt wirkte Musil als einer jenerIntellektuellen, die den Untergang der österreichisch-ungarischenMonarchie ironisch begleiteten. Als Inbegriff des Wiener Kaffehaus-Literaten prägte er die Klischees vom Wiener Salonleben mit.

Sein unbestrittener Stellenwert in der Geistes- undLiteraturgeschichte des 20. Jahrhunderts steht jedoch in krassemGegensatz zum wechselvollen Verlauf seines Lebens zwischen großerAnerkennung und schierer Vergessenheit im Exil. Als Schriftstellerbekannt wurde Musil durch sein erstes Werk, den Pubertätsroman «DieVerwirrungen des Zöglings Törleß». Darin verarbeitet Musil, der am 6.November 1880 in Klagenfurt geboren wurde, auch seine eigenenErfahrungen als Internatsschüler in Militärgymnasien derDonaumonarchie.

Die packende und schonungslose Darstellung von Pubertätskonfliktenin rigiden Machtsystemen machte Musil beim Erscheinen 1906 über Nachtbekannt. Dabei hatte er zunächst eine militärische, dann wie seinVater eine technische Laufbahn eingeschlagen und sich erst nach demMaschinenbau-Studium in Brünn dem Schreiben zugewandt. Über Jahrearbeitet er gleichzeitig als technischer Universitätsassistent inStuttgart und Wien, als Schriftsteller und Journalist.

1903 beginnt er in Berlin ein Studium der Philosophie undbeschäftigt sich vor allem mit Logik, aber auch Psychologie. Erpromoviert 1908 in Philosophie, Physik und Mathematik mit einerArbeit über den Positivisten Ernst Mach. Im ersten Weltkrieg wird erals Offizier an der italienischen Front eingesetzt, danach nimmt erseine Tätigkeit als Journalist in Wien und ab 1920 in Berlin wiederauf. Dort schließt er Freundschaft mit dem Verleger Ernst Rowohlt.Nach dem großen Erfolg des «Törleß» und geringerer Aufmerksamkeit fürden Novellenband «Vereinigung» 1911 wird sein Drama «Die Schwärmer»1920 erneut stark beachtet und erhält den Kleist-Preis.

Weitere Preise schließen sich an, doch Musil, der sich zunehmendder Arbeit am «Mann ohne Eigenschaften» verschreibt, gerät in einefinanzielle Notlage. Auch der gewaltige Erfolg bei Erscheinen desersten Bandes 1930 ändert daran nichts. Kollegen gründen eine Musil-Gesellschaft zu seiner Unterstützung, die ihm die Weiterarbeitermöglichen soll.

Als er 1933 Berlin wegen seiner Ablehnung der Nazis verlässt undwieder in Wien lebt, wird er erneut von Kollegen gefördert. Dennochgerät er als verbotener Schriftsteller zunehmend aus dem Blickfeldder Öffentlichkeit und vereinsamt. Völlig verzweifelt wird seineLage, als er 1938 nach dem «Anschluss» Österreichs an NS-Deutschlandnach Genf emigriert. Nach einem Schlaganfall auch in gesundheitlichschlechter Lage, verdüstert sich seine Situation immer weiter. Am 15.April 1942 stirbt er an einem Gehirnschlag.