Neues Album in Magdeburg vorgestellt Neues Album in Magdeburg vorgestellt: Phillip Boa präsentiert "Bleach House"

Magdeburg - Kill the future! Wer beginnt denn so eine neue Platte? Und gleich auch noch ein Konzert mit gleichem Titel? Programmatik sieht gemeinhin anders aus. Im Fall von Phillip Boa jedoch nicht. Der gebürtige Dortmunder gilt seit jeher als jemand, der gerne gegen den Strich bürstet. Und sich wenig um anderer Leute Meinung schert. Etwa, dass der 51-Jährige, der beinahe Jahrzehnte als der einzig nennenswerte (Independent)-Künstler Deutschlands auch im Ausland galt, sich seit geraumer Zeit nur noch selbst kopiert.
Boas Verweigerungshaltung hat längst auf seine Fans abgefärbt. Am Freitagabend jedenfalls war es knapp 1 000 Zuhörern völlig egal, wie die Kritiker Boas neues Album „Bleach House“ beurteilen. Zwar als das bessere unter den letzten drei Platten des immer leicht manisch-depressiven Boa (bürgerlich: Ernst Ullrich Figgen). Aber eben doch nicht als das, was Boa und seine 1985 gegründete Band Voodooclub einst auszeichnete: Pop-Avantgarde zu sein. In der Magdeburger Factory dauerte es keine drei Songs, bis der Saal vollends entflammt war und tobte. Bis der Schweiß dampfte, wenngleich er nicht, wie damals beim legendären Konzert im Club Luise der Landeshauptstadt, von Decke und Wänden tropfte. Nein, krawallige Punksongs wie der Konzert- und CD-Opener sind sicher nicht mehr Avantgarde. Und nein, die immer gleiche Mischung aus eben jenen harten Gitarrenriffs (fein: Oliver Klemm) und sphärischen Balladen wie „Standing blinded on the rooftops“ sind auch sicher nicht mehr independent. Nichtsdestotrotz schafft es Boa immer noch zu überraschen: Wenn er etwa eine kammerbluesartige Version von „Deep in velvet“ murmelt. Und nicht mehr aus Frust ins Publikum tritt, sondern nur mit dem Zeigefinger droht, wenn er zu lange mit einem Smartphone aufgenommen wird.
Nur ein einziges Mal jedenfalls scheint Boa wirklich auszuflippen: Als er seinem Trommler Moses Pellberg – warum auch immer - den Mikroständer ins Arbeitsgerät donnert. Pellberg aber unerschrocken weiter spielt. Kalkulierte Attitüde? Wer weiß das schon. Und auch der zum x-ten Mal personell renovierte Voodooclub weiß, was man dem Meister schuldig ist: Man spielt sich handwerklich und ohne Extravaganzen durch die 100 Minuten (mit Zugaben) - neben den erwähnten Klemm und Pellberg Maik Timmermann unaufgeregt am Bass; während die Percussioneinlagen von Detlef Götte (sonst auch Taste) schon sehr begeistern. Bliebe noch die Frage aller Fragen: Wo ist Pia?
Pia Lund, dieses blonde Wesen mit elfengleicher Stimme, dem kongenialen Widerpart zu Boa? Voriges Jahr hat sie diesen zum zweiten Mal verlassen, wohl endgültig. Pia heißt daher jetzt Pris, trägt eine dunkle Kurzhaarfrisur zum aparten Gesicht und ist auch musikalisch kein bloßer Abklatsch ihrer Vorgängerin. Der letzte Song des Abends hieß denn daher auch ganz programmatisch „Kill your ideals“. Nein, es ist weiß Gott nicht alles Gold bei Boa. Aber noch immer beste „Fine art in silver“. (mz)