Militärhistorisches Museum Militärhistorisches Museum: Spuren des Krieges
Dresden/MZ. - Der Zweite Weltkrieg tobte. Irgendwo, irgendwann füllte sich ein Soldat der Wehrmacht den Mund mit Wasser. Steckte sich eine Pistole in den Mund. Schoss. Durch den Wasserdruck explodierte sein Kopf regelrecht. Dieser Mann wollte nicht nur sterben, er wollte sich auslöschen.
Wenn das Militärhistorische Museum in Dresden als Teil seiner neuen Ausstellung ein solches Dokument der Verzweiflung ausstellt, dann zeigt das auch den Mut der Ausstellungsmacher und ihrer Auftraggeber in der Bundeswehr: Opfer des Militärs sind nicht zuletzt Militärs selbst.
Ein Keil für Dresden
Tatsächlich kann man mit Fug und Recht feststellen: Das Museum hat sich neu erfunden. Der Altbau wurde saniert, die Ausstellungen darin von den Architekten HG Merz und Holzer & Kobler neu gestaltet. Auf den ersten Blick spektakulärer ist aber der 2001 von Daniel Libeskind entworfene und ab Sonnabend für das Publikum zugängliche Neubau.
Wie ein gewaltiger Keil scheint er die alte Neurenaissance-Fassade mit seinem Metallgitter zu durchschlagen. Das Sächsische Armeemuseum zog 1914 in das Dresdner Arsenal ein, seit 1972 zeigte hier die DDR ihre Sicht der Militärgeschichte. Daniel Libeskind, der auch das Jüdische Museum in Berlin entwarf, gewann 2001 den Wettbewerb für die Erweiterung des Museums. 62 Millionen Euro kostete das Projekt.
Der neue Blick 1990, als die Nationale Volksarmee der DDR in die Bundeswehr integriert wurde, war klar: Das Museum muss nicht nur einer anderen Weltsicht angepasst werden. Die 1972 eingerichtete Abteilung zum Bauernkrieg etwa galt als Musterbeispiel ideologischer Verfälschung von Geschichte.
Nichts mehr sieht man nun von der in Militärmuseen üblichen Anbetung der Technik, Größe, Durchschlagskraft. Das Museum setzt stattdessen auf Selbststudium, auf Neugier. Im Altbau wird streng chronologisch gearbeitet, vom reichlich willkürlich gesetzten Zeitschnitt um 1300 über die Armeesystematik des Barock und die Schrecken der Weltkriege bis zu den Kriegen in Afghanistan, dem Einsatzplan für die Evakuierung von Zivilisten aus Tirana oder dem Einsatz im Kosovo.
Man verläuft sich oft, soll sich verlaufen - und entdeckt dadurch die Nähe etwa zwischen der Propaganda im I. und im II. Weltkrieg.
Großobjekte wie Kanonen, Flugzeuge, Helikopter und Autos fehlen nicht. Und doch: Nichts da mit Waffenkult. Hier geht es um Geschichte, um den ritterlichen Kult des Heiligen Georg, um die Schlachtschiffmanie der Kaiserzeit. Vorzüglich ist die Darstellung der NVA und der Bundeswehr, ihrer Ähnlichkeiten, aber auch ihrer Unterschiede. So etwas wie den "Bürger in Uniform" konnte die DDR mangels Demokratie nie erfinden. Die Bundeswehr hingegen erkämpfte sich geradezu den Weg aus den Traditionen der Reichswehr.
Wenn am Sonnabend eher Widerstandskämpfern wie Baron von Freytag-Loringhoven gedacht wird, dessen berührender Abschiedsbrief zu sehen ist, dann markiert das auch einen Teil des Wegs hin zu einer modernen Armee . Der Nachteil dieser Inszenierungsstrategie ist: In der Fülle geht so mancher Schwerpunkt verloren. Die Kolonialkriege waren nicht nur eine Nebensache der deutschen Militärgeschichte.
Wie steht es mit Sexualität, gar mit Homosexualität im Militär? Sind Kindersoldaten nur aus Afrika bekannt - siehe den NS-Volkssturm? Und vor der Großvitrine mit Schuhen von im Holocaust ermordeten Juden schaudert es einem: So korrekt diese Position sein mag - da fehlt es an Empathie.
Luftig im Neubau
Ganz anders zeigen sich die Ausstellungen im Neubau Libeskinds. Weitläufig werden hier die großen Themen abgehandelt. Die brutale Formung des Menschen zum Militär. Das Leiden am Krieg. Schafe, die durch Minenfelder laufen müssen. Spielzeug ist zu sehen, ein Geschicklichkeitsspiel, mit dem man Atombomben werfen soll.
Enttäuschend allerdings ist, dass die Keilform des Libeskind-Baus sich im Museum kaum bemerkbar macht. Was bedeutet seine V-Form überhaupt? Churchills Victory-Zeichen, mit dem er seine Briten zum Widerstand gegen die Nazis bewegte? Libeskind erklärt die Form als Hinweispfeil auf die Altstadt Dresdens. Mag sein. Mit schrägen Linien und Fußböden will die Architektur irritieren.
Doch wurde die Brutalität des Keils nicht durchgezogen. Im Foyer etwa sind die alten Gewölbe aufgetrennt wie eine Sahnetorte. Glatte Kanten kaschieren den Eingriff. Und so enttäuscht ausgerechnet das Innere des Libeskind-Baus. Bis eben auf seine obersten Geschosse. Dort, wo die Selbstverherrlichung des Militärs gezeigt wird und die Zerstörung ganzer Städte wie Dresden oder Wielun in Polen. Da fühlt man sich in der Spitze des Keils wie in einem Flugzeug, dem ganz Dresden zu Füßen liegt. Es ist die Perspektive des Bomberpiloten.
