Michael und Matthias Schweighöfer Michael und Matthias Schweighöfer: "Man will geliebt werden"

Halle (Saale)/MZ. - Manchmal ist er schon etwas neidisch, sagt Michael Schweighöfer. Auf seinen Sohn Matthias, der jetzt so berühmt ist, wie er mal war. Andererseits: Er hat es ja von ihm. Die Schauspieler Matthias und Michael Schweighöfer über Erfolg, Lieblingsfilme und die Schwierigkeit, ein guter Vater zu sein.
Mit Vater und Sohn sprach Anja Reich.
Matthias Schweighöfer: Alles gut?
Michael Schweighöfer: Wie meinste das jetzt?
Matthias: Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen. Das letzte Mal bei der Premiere von „Schlussmacher“.
Michael: Wo du mir das nette Kompliment über meine Kilos gemacht hast.
Matthias: Mussten alle sehr lachen.
Michael: Das kann ja ganz lustig sein, aber das bei „Wetten, dass..?“ über deine Mutter...
Matthias: Ich weiß gar nicht mehr, was ich da gesagt habe.
Michael: Meine Mutter schenkt mir zu Weihnachten höchstens ein paar Socken für 2,99.
Matthias: Ich hab gesagt: Strümpfe und Seife, praktische Sachen. Das schenkt sie mir ja auch wirklich.
Michael: Gitta ist vom Sofa gerutscht. Danach kriegte ich gleich einen Anruf.
Warum haben Sie sich so lange nicht gesehen?
Matthias: Wir sehen uns selten.
Michael: Ja, wir sehen uns selten, ist aber nicht so schlimm.
Matthias: Seit Micha auf dem Land wohnt, ist das auch noch schwieriger.
Michael: Am 2. März werde ich meinen Geburtstag feiern. Wenn du da Zeit hast. Wir wollen Lagerfeuer machen.
Matthias: Am 2. bin ich da. Am 12. oder 13. fliege ich nach L.A.
Michael: Du fliegst?!
Matthias: Ja, wahrscheinlich, obwohl ich solche Flugangst habe. Ich will es zumindest mal wieder versuchen.
Michael: Das ist ’ne Granate. Flieg einfach, ich hatte ja auch Flugangst. Allerdings, bevor ich jemals geflogen bin. 1988 bin ich von Leipzig nach Amsterdam zum Gastspiel geflogen. Seitdem steige ich in jedes Flugzeug ein.
Matthias: Bei mir ist das, seitdem ich mal im Schneesturm in New York gestartet bin. Der Pilot hat die Maschine im Start runtergezogen. Alle haben gedacht, wir sterben.
Michael: Warst du da nüchtern?
Matthias: Ich war zu dem Zeitpunkt schon sehr betrunken. Dann wurde ich nüchtern. Und bin nicht mehr geflogen danach.
Wovor genau haben Sie Angst im Flugzeug?
Matthias: Vor dem Kontrollverlust. Ich bin auch kein guter Beifahrer im Auto. Ich mag nicht irgendwo drinsitzen und weiß, dass ich nichts machen kann.
Hatte Matthias immer schon solche Angst? Auch als Kind?
Michael: Nee, daran kann ich mich nicht erinnern.
Wie war er denn damals so?
Michael: Lustig. Ein sehr fantasievoller Junge. Matthias hat Spaß gemacht als Kind. Wir beide wohnten gleich hier zwei Häuser weiter. Zwei Monate war er im Jahr bei mir, den Rest bei Gitta, seiner Mutter.
Matthias: Ich erinnere mich noch an Fanta Mango, dieses Getränk. Wenn ich mit meiner Mutter aus Chemnitz gekommen bin. Da in der Nähe vom Zoo, vom Ost-Zoo, wie hieß der noch gleich?
Michael: Tierpark.
Matthias: Genau, da war so ein großer Parkplatz. Da haben wir immer die Übergabe gemacht. Und da gab’s einen Stand, wo Fanta Mango verkauft wurde. Vorher haben wir alle zusammen in Anklam und Frankfurt/Oder gelebt.
Michael: Seine Mutter und ich waren in Anklam im Theater, wobei man da nicht von Theater sprechen kann. Wir haben versucht, die Bauern vom Feld zu locken und als wir gemerkt haben, es klappt nicht, sind wir in die Kneipe gegangen. Dann sind wir nach Frankfurt/Oder gekommen.
Können Sie sich an Frankfurt/Oder erinnern, Matthias?
Matthias: Ja, klar. Ernst-Thälmann-Straße 48. Wenn ich aus dem Fenster geguckt habe, war da so eine riesige Funkuhr. Und das Kleist-Theater war auch da.
Michael: Da hat er immer in der Kantine den Boden gebohnert. Einmal, in Berlin am Deutschen Theater, hat er eine Probe unterbrochen. Dieter Mann sagte zu mir: Micha, das musst du anders machen. Da hat sich Matthias umgedreht und gesagt: Wieso, das war doch gut.
Wenn Sie Matthias heute so sehen, erinnert er Sie dann an Sie selbst?
Michael: Natürlich. Sieht aus wie ich, nur einen halben Kopf größer.
Matthias: Und ohne Bart.
Was ist das für ein Gefühl?
Michael: Ein gutes, ist doch mein eigen Fleisch und Blut. Das hab ich doch gemacht. Kann er gar nichts dafür. Den ganzen Scheiß hat er doch geerbt.
Matthias: Finde ich klasse, dass du das mit Gitta so in Angriff genommen hast.
Michael: Wir haben uns gesagt, wir machen jetzt mal ’nen Jungen, der ein ganz großer Filmstar wird. Na ja, in Anklam biste auf so ’ne Sachen nicht gekommen.
Wann stand denn für Sie, Matthias, fest, dass Sie Schauspieler werden?
Matthias: Das ging so schleichend. Ich hing eben immer im Theater rum. Vielleicht war ich so elf, zwölf.
Wie war das bei Ihnen, Michael?
Michael: Mein Vater war ja auch Schauspieler, in Borna, wo ich geboren bin. Ich habe Verkäufer für Fahrzeug- und Ersatzteile gelernt und war so ein richtiger Gammler, es war die Beatles- und Stones-Zeit. Kneipe, Mädels, Musik.
Aber schon in der Schule nannte man mich immer Schwejk, weil ich lustig war. Ich habe auch im Jugendtheater gespielt. An Film habe ich nie gedacht. Die DDR war ein Theaterparadies. Es gab 56 Theater. Man konnte in den Stücken Botschaften unterbringen.
Kam für Sie Theater jemals in Frage?
Matthias: Zum Anfang ja. Ich kannte die ja alle. Aber irgendwann kippte das dann. Man konnte im Film ganz andere Welten kreieren als im Theater.
War das auch ne Möglichkeit, sich von den Eltern abzugrenzen?
Matthias: Ja, klar. Auf der Schauspielschule hieß es, du sitzt ja hier sowieso nur wegen der Kontakte deines Vaters.
Michael: In der Theaterszene kannte mich einfach jeder.
Matthias: Der Knackpunkt war, als die Klasse entscheiden sollte, ob ich in „Soloalbum“ mitspielen darf. Ich musste mich in die Runde setzen und sollte mir von einem Mädchen, die gerade vom Abi kam, anhören, warum ich spielen sollte oder nicht. Da habe ich gesagt, wisst ihr was, ich glaube, es wäre besser, wenn ich die Klasse verlasse. Ein halbes Jahr später habe ich den Grimme-Preis bekommen und dann wurde mir eine Gastprofessur angeboten.
Und?
Matthias: Ich hab gesagt, leckt mich.Fragen Sie sich manchmal, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie geblieben wären?
Matthias: Nee. Ich bin dann nach Berlin gezogen und hab in der Wohnung über Micha gewohnt. War eine klasse Zeit. Die Neunziger. Wie sich alles verändert hat. Wie es hier damals noch aussah! Und ich war dann weg, hab drei, vier Filme pro Jahr gemacht.
Woher nehmen Sie eigentlich diese Energie?
Michael: Hat er auch von mir. Ich hatte ja 15 Stücke zu laufen früher, im Monat zwischen 25 und 28 Vorstellungen. Es gibt diesen wunderbaren Satz: Wenn du einen Beruf hast, den du liebst, brauchst du nicht arbeiten gehen. Das ist der Antrieb.
Haben Sie jemals auf der Bühne zusammengespielt?
Matthias: Auf der Bühne nie.
Michael: Kriegen wir aber nochmal hin.
Es war schon mal geplant, oder?
Michael: Ja, wir hatten mal eine gemeinsame Lesung vor, mit Musik auflegen. Matthias hat dann irgendeinen Dreh gehabt.
Stimmt es, dass Sie Angst hatten, von Ihrem Vater an die Wand gespielt zu werden?
Matthias: Das war bestimmt wieder sowas, was ich so rausgehauen habe. Ich musste wirklich drehen.
Gibt es etwas, was Ihr Vater besser kann?
Matthias: Die Energie und der Humor ist das Gleiche. Micha ist nicht mehr so schnell. Der macht nicht mehr den Scheiß, den ich so mache. Micha ist viel fitter. Wenn der ’ne Stunde schreit, bin ich nach 20 Minuten raus.
Was kann Matthias besser?
Michael: Besser ist vielleicht das falsche Wort. Ich sehe meinen Sohn sehr gerne spielen. Wenn ich Filme mache, sieht man manchmal, dass ich weiß, dass ich gerade vor der Kamera stehe. Sieht man bei dir nicht mehr. Das bewundere ich.
Matthias: Wenn Micha auf der Bühne steht, steuert er auch seine Kollegen. Und ich habe im Film gelernt: Wenn einer nicht so richtig bei der Sache ist, weil er Stress hat mit seiner Frau oder so, versuche ich, ihn in der Szene zu steuern.
Gibt es Konkurrenz zwischen Ihnen?
Michael: Der Schauspielerberuf ist ein Konkurrenzberuf. Das ist so.
Matthias: Na ja, aber wir sind jetzt nicht Konkurrenten. Ich bin natürlich froh, dass ich als Regisseur meine Eltern besetzen kann, die sind ja beide gute Typen.
Haben Sie schon mal eine Rolle abgelehnt, die Ihr Sohn Ihnen angeboten hat?
Matthias: Micha macht alles mit.
Michael: Ich mach alles.
Ist das nicht ein bisschen komisch, wenn Matthias gestandene Theaterschauspieler wie Sie jetzt groß rausbringen will?
Michael: Nee, warum? Für mich ist Matthias nicht mehr der Kleine. Matthias ist ein sehr gestandener erwachsener Mann.
Werden Sie weiter romantische Komödien drehen, Matthias, oder haben Sie Lust, auch mal eine Geschichte aus der deutschen Geschichte oder Wirklichkeit zu erzählen?
Matthias: Ich muss ehrlich sagen, mich interessiert nur die westliche Filmwelt. Ich würde mir zehnmal lieber eine Kinokarte für „Herr der Ringe“ kaufen als für „Das Leben der Anderen“. Auch, weil ich daher komme. Ich bin niemand, der seine eigene Geschichte gerne auswälzt. Ich interessiere mich dafür nicht. Ich interessiere mich sehr für Kameratechnik, aber nicht für Historie.
Was sind Ihre Lieblingsfilme?
Matthias: „Vergiss mein nicht“ mit Jim Carrey und Kate Winslet. Großartig! „ET - Der Außerirdische“ ist der Wahnsinn. Und alle Animationsfilme von Pixar. Wenn ich Filme mache, gucke ich mir auch nur Animationsfilme an, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo die Emotionen liegen.
Michael: Meine sind „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Manche mögen’s heiß“. Auch Ernst Lubitsch. Mich interessieren auch politische Zusammenhänge, wir haben ja täglich damit zu tun. Ich verstehe aber auch Matthias’ Haltung.
Matthias: Ich bin oberflächlicher geworden in der letzten Zeit. Ich habe einfach zu wenig Zeit. Gestern Abend hat wieder bis ein Uhr das Telefon geklingelt, da geht’s wieder um irgendwelche Pläne, und dann komme ich nicht zum Lesen und muss ins Bett wegen meiner Tochter.
Sie haben gesagt, dass Sie ja auch mal ein Star waren wie Matthias, Michael. Wann war das vorbei?
Michael: Nach der Wende, weil ja auf einmal alles auf war. Das Deutsche Theater war nicht mehr die Spitze des Eisbergs. Man konnte jetzt auch sagen, ich fahr nach Wien und geh ins Burgtheater.
Das war so etwa die Zeit, als es für Matthias bergauf ging. Hat das Ihre eigene Situation schwerer gemacht?
Michael: Eigentlich nicht. Ich wusste ja, das ist eine andere Generation. Dazu kam, ich hatte zwei richtig schlimme Unfälle, die mich fast das Leben gekostet hätten. Klar, hat man auch gedacht, ach, so einen Goldenen Bären hätte man dir auch mal geben können. Da bin ich ein bisschen neidisch. Aber als ich so alt war wie Matthias, war ich in Anklam. In dieser engen DDR.
Denken Sie manchmal, dass Sie in der falschen Zeit geboren sind?
Michael: Das habe ich nie gedacht. Das einzige, was ich gerne ausgelassen hätte, sind die drei Jahre in Anklam. Aber dann wäre Matthias nicht auf der Welt.
Haben Sie sich, Matthias, manchmal Sorgen um Ihren Vater gemacht?
Matthias: Ja, habe ich. Es gab auch Zeiten, wo ich mich ein bisschen abgrenzen musste von der Familie. Wo ich auch so meinen Hass hatte. Das gehört wahrscheinlich zum Erwachsenwerden, die Eltern in Frage zu stellen. Wir sind alle egomane Typen, sehr selbstzentriert. Wir müssten eigentlich mal wieder was miteinander machen, Micha, auch mal Theater.
Michael: Da kommst du zu nichts, du hast ja Termine. Ich hab ne tolle Story, Matthias. Es geht um zwei Brüder, der eine älter, der eine jünger, stell dir mal vor, wir spielen Brüder. Ganz heißes Ding. Müssen wir mal in Ruhe besprechen. Zu meinem Geburtstag kommst du doch?