Kurt Masur Kurt Masur: Der Maestro pendelt zwischen den Welten

Halle/MZ. - "Ohne Musik wäre ich ein todkranker Mann",bekannte der 1927 in Brieg nahe Breslau geboreneund beizeiten musisch gebildete Ingenieurssohn.Indes korrespondierte (oder kollidierte) auchdie zielstrebige Karriere des "schlesischenDickschädels" stets mit der Macht-Frage. Freilichdurch künstlerische Hochleistung erworbenePrivilegien hat er genossen und geschicktbehauptet. Wenn es um die Kunst ging, warMasur kein bequemer Chef. Als "Aushängeschild"eines Systems namens DDR wusste er sich imInteresse seiner Sache gleichwohl mit denkulturpolitischen Mächten zu arrangieren.Er wollte nie "Zweiter" sein - und selbstdann nicht loslassen, als es hernach längstgeboten schien.
Der altgediente Leipziger Musikwissenschaftlerund Gefolgsmann Johannes Forner hat ihm unlängstdie erste große Biografie "geschenkt". Aberdas ist, halten zu Gnaden, eine kreuzbrave,bisweilen oberlehrerhafte Lobschrift geworden.Diverse Widersprüche sind dennoch kaum zuverbergen. Zum Beispiel, dass Masur sich amrealsozialistischen Regime nicht störte, solangeer reisen durfte und ihm "das Tor zur Welt"weit geöffnet blieb: "Ich habe - naiv ausgedrückt- versucht, so zu leben, als gäbe es keineGrenze".
Mit den rasanten Gipfelstürmen des nachmaligenLeipziger Ehrendirigenten (1996) sind jedochaußergewöhnliche Taten verbunden. So hat derzweifache DDR-Nationalpreisträger, der sichseine musikalischen Sporen als Bongartz-Schülerohne geregelten Studienabschluss zunächstin Halle (Solorepetitor am Landestheater von1948 bis 1951), Erfurt, Leipzig, Schwerin,an Walter Felsensteins Komischer Oper Berlin(1960-1964) sowie als Chefdirigent der DresdnerPhilharmonie (1967-1972) verdient hatte, diesingulären Klang-Qualitäten des Gewandhausorchesterssystematisch profiliert und dessen internationalesRenommee entscheidend gefestigt. Vor allemist Masurs starkem persönlichen Engagementder manchen Widerständen abgetrotzte moderneNobelbau des 1981 eingeweihten neuen LeipzigerGewandhauses zu verdanken. Da widmete dervon permanenter Stasi-Observierung damalsvorgeblich nichts ahnende "Ehrenzimmermann"dann einen Hammerschlag "unserer sozialistischenHeimat". Auf die West-Flucht seines prominentenOrganisten Matthias Eisenberg reagierte Masurnoch 1986 mit Hausverbot, um den Musentempelim Wende-Herbst 1989 für Montagsdemonstrantenzu öffnen und zur gewaltfreien Besonnenheitim "friedlichen Dialog" aufzurufen.
Der "Politiker wider Willen" avanciertezum "Retter von Leipzig". Dass er dem derweilgeschassten Honecker am 30. Oktober 1989 einenfürsorglichen Dankesbrief schrieb, ist ihmallerdings verübelt worden. Größe und Naivitätbestimmten auch fortan die Verhaltensmusterdes bedeutenden Musikanten, der fünf Kinderaus drei Ehen hat und seit 1975 mit der japanischenBratscherin und Sängerin Tomoko Sakurai verheiratetist.
(Der Text wurde gekürzt. Die vollständige Fassung lesen Sie in der Druckausgabe der Mitteldeutschen Zeitung von Donnerstag, 18. Juli 2002.)
Die Masur-Biografie "Zeiten und Klänge"von Johannes Forner ist im Propyläen Verlagerschienen, sie kostet 25 Euro.