Köthen Köthen: Sprachpflege in eigener Sache
Köthen/MZ. - Drei Tage nach den verbalen Entgleisungen auf dem Deutschen Sprachtag sind die Stadt Köthen und die Neue Fruchtbringende Gesellschaft um Schadensbegrenzung bemüht. Bei der Veranstaltung in der Köthener Lutze-Klinik hatte ein Referent die gegenwärtige Dominanz der "kulturell unterlegenen" USA kritisiert, während ein anderer Vortragender in einem Diskussionsbeitrag wiederholt von "Negern" gesprochen hatte. Ein dritter Tagungsteilnehmer hingegen beklagte die verlorenen Errungenschaften der DDR, in der noch ordentliches Deutsch gesprochen worden sei.
"Überforderte" Runde
Der Köthener Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander (SPD), der die Tagung zum fraglichen Zeitpunkt bereits verlassen hatte, sieht bereits in dieser Liste einen Beleg für die Unvereinbarkeit der Positionen, die dort aufeinander trafen - nennt aber vor allem den Gebrauch von rassistisch besetztem Vokabular "katastrophal" für die Ziele der Gesellschaft. Gerade wer sich um Feinheiten und Reinheiten der Sprache verdient machen wolle, müsse sich über die Wirkung solcher Worte im Klaren sein. Der Umgang mit den Risiken einer ideologischen Unterwanderung, der die Initiatoren der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft bereits seit ihrer Gründung im Januar beschäftige, solle auf der nächsten Vorstandssitzung daher erneut diskutiert werden.
Auch eine Veranstaltung, die den demagogischen Missbrauch von Sprache direkt thematisiere, sei für die Zukunft denkbar. Diese Absichten teilt Uta Seewald-Heeg, die den Vorfall als Präsidentin der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft direkt miterlebt und noch am selben Abend intern ausgewertet hat. Im Moment der Debatte sei die Tagungsrunde mit der nötigen Reaktion wohl "überfordert" gewesen, im Nachhinein aber hätten alle Gesprächspartner ihr eigenes Entsetzen bestätigt.
Dass man solche Skandale im Vorfeld nicht generell ausschließen konnte, habe am Modell der Tagung gelegen: Der Referent Klaus Däßler, der kein Mitglied der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft sei, habe sein Thema - wie alle anderen Redner - vorab in einem kurzen schriftlichen Abriss vorgestellt. In der rein technischen Ausrichtung sei keine ideologische Tendenz erkennbar gewesen.
Tatsächlich handelte es sich dabei um die Vorstellung eines neuartigen Übersetzungssystems, das von Däßler als Mitglied der Gesellschaft für Mathematische Intelligenz präsentiert wurde. Seine "Neger"-Polemik steuerte er zu einem seriösen Vortrag über die Bedrohung des Deutschen als Wissenschaftssprache bei. In der Zukunft will Uta Seewald-Heeg, die am generell positiven Ertrag der Konferenz keinen Zweifel aufkommen lässt, das Thema Sprachmissbrauch in der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft offensiv behandeln. Ob es dazu eine eigene Diskussionsrunde geben werde oder ob man die Moderatoren im Vorfeld künftiger Konferenzen für die Gefährdungen sensibilisiere, sei noch ungewiss. Auch eine distanzierende Erklärung auf der Internet-Seite des Vereins scheint der Köthener Professorin für Computerlinguistik und Fachübersetzen vorstellbar.
Im Geist der Gründer
Sicher ist hingegen, dass man sich von solchen Aktionen die Absichten der Gesellschaft nicht beschädigen lasse: Die Pflege der deutschen Sprache in allen Bereichen bleibe - analog zu dem historischen Vorbild von 1617 - ihr in Übereinstimmung mit der Stadt Köthen erklärtes Ziel.