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Komponist Günther Fischer Komponist Günther Fischer: Manfred Krug nannte ihn Wolfgang Amadeus Fischer

Von Gunnar Leue 03.03.2018, 11:00
Günther Fischer ist mittlerweile Mitte 70, aber immer noch vielbeschäftigt und höchst kreativ. Der Komponist und Musiker lebt in Irland.
Günther Fischer ist mittlerweile Mitte 70, aber immer noch vielbeschäftigt und höchst kreativ. Der Komponist und Musiker lebt in Irland. Gunnar Leue

Herr Fischer, die vier Amiga-Alben, die Sie von 1971 bis 1976 zusammen mit Manfred Krug produzierten, werden jetzt als Vinylbox neu veröffentlicht. Überrascht?

Günther Fischer: Ja, ich hätte nie gedacht, dass die noch mal erscheinen. In der DDR wurden die Platten nach Krugs Ausreise 1977 ja sogar zerstört. Nicht aus politischen Gründen, sondern weil sie im Presswerk Babelsberg die Pressmasse brauchten. Es war allerdings nur ein Restposten, denn als „Bückware“ sind die gut weggegangen.

Sie haben die Platten nicht mehr angehört?

Nein, ich war beschäftigt mit neuen Aufträgen, außerdem höre ich mir gern die Werke anderer Künstler an. Vor elf, zwölf Jahren lud mich Thomas Putensen jedoch zu seinem Konzert ein, wo er die Lieder mit Orchester und Chor spielte.

Die Leute waren begeistert, ich konnte es kaum glauben. Wir hatten die deutschen Lieder früher nie live gespielt, weil Krug stets ein bisschen Bammel hatte, da die nicht so simpel zu singen waren.

Günther Fischer wurde im heute tschechischen Teplice geboren und floh mit seiner Familie nach dem Krieg nach Zwickau. Hier schickten ihn seine Eltern früh zum Geigen- und Klavierunterricht und schon mit 16 gründete Fischer seine erste eigene Band. Nach einem Musikstudium stieg Fischer schnell in die erste Riege der DDR-Musikszene auf: Er spielt mit Klaus Lenz und Reinhard Lakomy, begleitete Manfred Krug und Veronika Fischer und schrieb Musicals und Filmmusiken, darunter für Kinohits wie „Schöner Gigolo, armer Gigolo“, „Wie füttert man einen Esel“ und „Ein irrer Duft von frischem Heu“. Günther Fischer wohnt heute im irischen Cork, er macht aber immer noch Musik.

Deshalb spielten wir meistens nur die internationalen Standards von der LP „Greens“. Außerdem hatte er bei seinen eigenen Texten schlicht keinen Bock, sie auswendig zu lernen.

Dass die Songs heute noch gut ankommen, merkte ich dann in Irland, wo ich seit zwanzig Jahren lebe. Meine Kinder hatten die Platten entdeckt und den Iren vorgespielt. Die waren total begeistert.

Komponist Günther Fischer im Interview: „Ich wollte nie Schlager machen, sondern avantgardistisch sein“

Kein Wunder, die Iren haben einen guten Musikgeschmack ...

Ja, das ist natürlich eine Musik, die total handgemacht war, ohne Elektronik. Man konnte nicht mit den Spuren experimentieren und sie am Computer zusammenschneiden.

Oder von einer Aufnahme den schönen Anfang hier mit dem tollen Schluss da mischen, man musste sich halt für eine entscheiden. Insofern staune ich doch über die Qualität.

Die Musik wirkt extrem frisch und trotzdem modern. Welchen Stellenwert haben die Alben für Sie innerhalb ihres umfangreichen Schaffens?

Einen ganz großen, denn sie spiegeln auch eine wichtige Phase für mich. Ich hatte Komposition und Arrangement an der Hans Eisler-Hochschule studiert und wollte nie Schlager machen, sondern avantgardistisch sein.

Jazz und sinfonische Musik schwebten mir vor. Krug lernte ich bei der Klaus Lenz-Band kennen. Er sagte zu mir: Schreib doch mal was. Als ich ihm zwei Titel vorspielte, meinte er nur: Du schreibst noch zehn und wir machen eine LP, auf englisch.

Als wir bei Amiga anklopften, bekamen wir zu hören: Krug und der Jazz-Fischer? Kein Mensch wird sich die anhören! Und dann noch in englisch, nüscht is, versuchen Sie es in deutsch und dann reden wir weiter.

Wir waren natürlich sauer, deutsch - das wollten wir ja nun überhaupt nicht. Die deutsche Sprache gehörte damals allein zum Schlager, zu Leuten wie Heino und Roy Black. Wir wollten uns aber von den Schlagerheinis absetzen.

Günther Fischer im Gespräch: An Ray Charles orientiert

Das klappte ja dann doch ...

Im Nachhinein bin ich so froh, dass sie uns gezwungen haben, denn dadurch kann man die Songs heute noch gut anhören. Ehrlich, in englisch hätten wir doch nichts Ordentliches zustande gebracht.

Diese Mischung aus Jazz und Schlager, der das Elitäre total abging, gab es so in der Tat vorher nicht. Krug hatte auf die Frage nach seinen Vorbildern als Schlagersänger mal gesagt, das seien alles Jazzsänger gewesen.

Wir wollten keine Tagesschlager, sondern uns einreihen in die Musik eines Ray Charles. Das trieb uns richtig an: Wir machen was, das es in dieser Form noch nicht gibt.

Haben Sie sich als kongeniales Duo empfunden?

Schon, aber wir gingen kritisch miteinander um. Ich habe Krug kritisiert, weil ich mir den Gesang mehr Richtung Marvin Gaye oder Elton John wünschte. Wir konnten hart ringen, wenn etwas nicht passte. Krug hat sich von mir was sagen lassen, von anderen nicht. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis.

Musiker Günther Fischer: Manfred Krug nannte ihn Wolfgang Amadeus Fischer

Er soll aber auch unwirsch gewesen sein, wenn ihm jemand die Show stahl?

Krug war ein Talent, das es alle 50 Jahre nur einmal gibt, aber wenn jemand mehr Aufmerksamkeit erregte, gefiel ihm das nicht. Mich hat er aber immer neben sich leben lassen. Er nannte mich Wolfgang Amadeus Fischer. Aber Krug war nicht nur als Sänger, sondern auch als Texter super. Und er hatte einen tollen Humor.

Bei einem Fernsehkonzert 1975 singen Sie doch mal: „Alles geht einmal zu Ende“. So war es dann ja auch. War nach Krugs DDR-Ausreise Ihre Zusammenarbeit beendet?

Krug wollte zunächst, dass ich mit in den Westen gehe. Da er ziemlich unsicher war, ob er als Schauspieler wieder auf die Beine kommt, wäre ihm ein zweites Standbein als Sänger sehr willkommen gewesen.

Aber ich hatte meine ganze Familie hier. Wir haben allerdings bei meinem ersten Musical im Westen, „Jack the Ripper“, von 1984 bis 1989, noch mal musikalisch zusammen gearbeitet.

Existieren noch die Bänder von der fünften Amiga-LP, die kurz vor Krugs Ausreise geplant war?

Ich habe nur noch ein paar Noten zu Hause. Wir hatten nur zwei, drei Lieder aufgenommen, von denen der Titel „Morgen“ wohl im Internet kursiert. Eigentlich schade, wir hätten sicher wieder eine gute Platte zustande bekommen.

Dann ließ Krug mich über Freunde wissen, dass er gern wieder mit mir arbeiten würde. Ich lebte jedoch bereits in Irland und war damals voll mit Arbeit in London, Amerika und fürs deutsche Fernsehen, außerdem wollte ich nicht mehr mit ihm arbeiten.

Günther Fischer über Manfred Krug: „Zeit mit ihm gehört zu den schönsten Zeiten in meinem Leben“

Sie waren zu einer Versöhnung nicht bereit, nachdem sich Krug 1993 mit Spitzelvorwürfen von Ihnen losgesagt hatte?

Eine Versöhnung wäre nur möglich gewesen, wenn er sich für die Wunden, die er meinen Kindern, meiner Frau und mir zugefügt hat, entschuldigt hätte. Leider fehlte ihm dazu der Mut. Die gebetsmühlenartige Wiederholung dieses unbewiesenen Vorwurfs durch die deutsche Presse war auch nicht hilfreich.

Waren Sie auf seiner Beerdigung?

Nein.

Vermissen Sie ihn manchmal?

Die Zeit mit ihm gehört zu den schönsten Zeiten in meinem Leben. Wir waren jung und wollten der Welt zeigen, dass wir was drauf haben.

Sie haben mit Weltstars gearbeitet und Filmmusik unter anderem für „Just a Gigolo“ geschrieben. Haben Sie die Hauptdarsteller David Bowie und Marlene Dietrich kennengelernt?

Natürlich. In Paris bei den Dreharbeiten war ich mit beiden essen, Austern - die mir sehr fremd erschienen. Marlene Dietrich wollte ja zunächst keine Rolle übernehmen, dann doch.

Aber Vorsicht, meinte Regisseur David Hemmings, bloß nicht deutsch sprechen, die Dietrich will das nicht, sie hat ein großes Problem mit den Deutschen. Als ich dann mit ihr gearbeitet habe und sie an meinem mangelhaften englisch den Akzent erkannte, sprach sie doch deutsch mit mir und war ganz lieb.

Und Bowie?

Das war ein so bescheidener Typ, dass ich ihn erst gar nicht bemerkt hatte. Als ich 1980 wegen einer Filmarbeit in New York weilte, traf ich Bowie, der damals im Broadway-Stück „The Elephant Man“ mitspielte, noch einmal. Er wollte mir sogar seinen Freund John Lennon vorstellen. Dazu kam es leider nicht mehr, weil er kurz vor meiner Ankunft erschossen wurde. (mz)