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Kinostart: 25. Dezember 2008 Kinostart: 25. Dezember 2008: «Buddenbrooks»

Von Karin Zintz 18.12.2008, 17:30
Die Familie Buddenbrook (v.l.n.r.): Tony (Jessica Schwarz), Christian (August Diehl), Konsul Jean (Armin Mueller-Stahl), Thomas (Mark Waschke) und Konsulin Bethsy (Iris Berben) in einer Szene von «Buddenbrooks». Thomas Mann erhielt für seinen ersten Roman über den Aufstieg und Fall einer großbürgerlichen Handelsfamilie 1929 den Nobelpreis für Literatur. (FOTO: DPA)
Die Familie Buddenbrook (v.l.n.r.): Tony (Jessica Schwarz), Christian (August Diehl), Konsul Jean (Armin Mueller-Stahl), Thomas (Mark Waschke) und Konsulin Bethsy (Iris Berben) in einer Szene von «Buddenbrooks». Thomas Mann erhielt für seinen ersten Roman über den Aufstieg und Fall einer großbürgerlichen Handelsfamilie 1929 den Nobelpreis für Literatur. (FOTO: DPA) warner bros

Hamburg/dpa. - Selten trifft die Verfilmung eines historischenRomans so den Nerv der Zeit wie die «Buddenbrooks». Der Untergangeiner Kaufmannsfamilie, in der alle Entscheidungen und Beziehungendem wirtschaftlichen Erfolg unterworfen sind, wirkt angesichts derweltweiten Finanzkrise als eindringliche Mahnung, andere Prioritätenzu setzen. Doch vor dem Hintergrund der Krise entfaltet der Film vonHeinrich Breloer mit vielen deutschen Stars auch das glamouröse Bildeiner vergangenen Epoche.

Regisseur Breloer ist für seine hochwertigen Fernseh-Produktionenwie «Speer und Er» oder «Die Manns - Ein Jahrhundertroman» vielfachausgezeichnet worden. Der Filmemacher sieht den Menschen immer impolitischen, historischen Zusammenhang. Auch bei den «Buddenbrooks» -der 1901 erschienene Roman von Thomas Mann hat ihn seit seiner Jugendfasziniert - verankert er die Familie und ihre menschliche Krise inder Ökonomie.

Von der Aktualität des Themas wurde das Team «dann dochüberrascht», wie Schauspieler Armin Mueller-Stahl sagt. Der Weltstarschlüpft nach seiner Rolle als Thomas Mann in «Die Manns» nun mühelosin dessen Figur des Lübecker Konsuls Jean Buddenbrook. Mueller-Stahl,der sich seinem Leben früh für die Künste und gegen den Kommerzentschieden hat, benennt den Kern des Problems: «Das ist ja dieGeschichte: Das Dilemma, wenn alle denken, Gierigkeit sei des LebensInhalt.»

Dabei geht es nicht nur um Gier und das Streben nach Erfolg. Wieder Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann in seinem Roman ziseliertauch Breloer im Film den Unabhängigkeitsdrang der Tochter Toni(Jessica Schwarz) heraus, den Bruderzwist zwischen dem KünstlerChristian und dem Kaufmann Thomas Buddenbrook (August Diehl und MarkWaschke) und die eiserne Gefühlsdisziplin der Konsulin (Iris Berben).Und er zeigt, dass es kein richtiges Leben im Falschen gibt: DieOpfer, die die Familie über Generationen für den Erfolg bringt,fordern zu viel Kraft und Energie. Die Buddenbrooks gehen unter.

Die Bilder von Kameramann Gernot Roll, der zur Stammbesetzung imBreloer-Team gehört, fangen vor allem die alte Hansestadt Lübeck inall ihrer Pracht ein. An vielen Originalschauplätzen, allen voran dem«Buddenbrookhaus», in dem die Familie Thomas Manns gelebt hat, musstekaum etwas verändert werden, um die Atmosphäre der vergangenenBlütezeit lebendig werden zu lassen. Kostüme, Ausstattung, Besetzung- alles ist vom Feinsten. Das Publikum kann bei großen Ballszenenschwelgen und staunt, wie die Kaufleute in steifer Prozession mitZylinder auf dem Kopf in der Getreidebörse das Angebot begutachten.

«Buddenbrooks» bietet 150 schöne Kinominuten zur Weihnachtszeit -aber das schmerzhafte Drama tut nicht wirklich weh, obwohl vielgestorben wird. Die Darsteller spielen differenziert, funkeln könnensie nicht. Bei all den Stars und der historisch genauenPrachtentfaltung ist der Film doch eine jener Produktionen, die injüngster Zeit unter dem Label «Amphibienfilm» Kontroversen in denFeuilletons entfacht haben.

«Amphibienfilm», das bedeutet, dass eine Kinoproduktion maßgeblichmit Fernsehmitteln realisiert wird und sowohl auf der weiten Leinwandals auch auf dem engen Bildschirm funktionieren soll - mit fatalenAuswirkungen auf die Qualität des cineastischen Erlebnisses.Dramaturgie, Kamera, Schnitt der «Buddenbrooks» entsprechen denBedürfnissen des Fernsehens.

So wird in den «Buddenbrooks» bei jedem Ortssprung nach Lübeckoder Amsterdam brav kurz auf das Holstentor oder eine Grachtgeschnitten. Das mag im Fernsehen funktionieren, dann weiß derZuschauer, der möglicherweise nicht voll bei der Sache ist, wo ersich gerade befindet. Im Kino wirken solche Momente vor allem inihrer Wiederholung ein bisschen hilflos und plump. Wer es also überWeihnachten und Silvester nicht ins Kino schafft, kann sich auf dieAusstrahlung der längeren Fassung demnächst zur Primetime in der ARDfreuen. Dort finden die «Buddenbrooks» mit Sicherheit ihreBestimmung.