Kinofilm «Fleisch ist mein Gemüse» Kinofilm «Fleisch ist mein Gemüse»: Sexuelle Nöte in den 80er Jahren

Berlin/dpa. - Sie spielen in der Coverband «Tiffanys» Tanzmusik beiSchützenfesten und Miss-Wahlen. Heinz bläst in die «Rotzkanne», das Saxofon, und wird «Heinzer» genannt. Am liebsten kocht er mit Hack, ein Bandkumpel sagt beim Essen: «Fleisch ist mein Gemüse.» So war es, das Leben in Hamburg-Harburg, als angesagte Kneipen «Papperlapub» hießen, Helmut Kohl noch Kanzler war und Frauen Miniröcke in verwaschener Jeansoptik trugen.
Der Musiker Heinz Strunk, bekannt durch die Comedyshow «StudioBraun», hat über seine «Landjugend mit Musik» einen autobiografischen Bestseller geschrieben. Vom Film sagt er, dass zu seinem größten Bedauern alles wahr ist. «Fleisch ist mein Gemüse» ist im Kinoallerdings weder so lustig noch so traurig wie das Buch. Dafür setztRegisseur Christian Görlitz («Freier Fall») an manchen Stellen zusehr auf Slapstick. Einiges ist auf der Leinwand auch schwerdarstellbar. Wie die Eiterbeulen Heinz am Saxofon plagen oder wie dieBand die Bühne mit Blähungen verpestet, ist Toilettenhumor, der eherzwischen Buchdeckel passt.
Strunk (45) ist zu alt, um sich selbst im Film darzustellen. Ertritt als Kommentator auf, der mit einem ausgestopften Hirschspricht, eine Anspielung auf das Buchcover. Die Hauptrolle übernahmNewcomer Maxim Mehmet («NVA»), der den Hamburger Akzent passabelmeistert. «Man sollte versuchen, den Film unabhängig vom Buch zusehen», empfiehlt Mehmet in den Produktionsnotizen. Erfunden ist dieFigur der Jette, die der Berliner Göre Anna Fischer («Liebeskind»)auf den Leib geschrieben ist. Die Schauspielerin mit der Mireille-Mathieu-Frisur spielt selbst in einer Band und dürfte nach derKomödie auf der Karriereleiter weiter nach oben klettern, egal, wiedie Kritiken ausfallen. Heinz' platonische Filmliebe Susanne Bormannwar schon in «Liegen lernen», der ebenfalls von einer Jugend in derKohl-Ära handelt, der blonde Traum im Jungszimmer.
Andreas Schmidt («Sommer vorm Balkon») trägt als Bandchef GurkiDauerwelle und Schnauzbart, er ist für die Sprüche zuständig.Charakterdarstellerin Susanne Lothar («Funny Games») tritt als Heinz'psychisch kranke Mutter auf. Die Mutter-Sohn-Geschichte wirkt in demFilm aber wie ein Fremdkörper, anders als im Buch, wo das tristeLeben der Familie im «Zwergenhaus» eindrucksvoller geschildert ist.
Am besten ist die mit der Handkamera gedrehte Komödie immer dann,wenn es um die Auftritte der Band geht und echter 80er-Jahre-Gruselaufkommt, als die «Polonaise Blankenese» durch den Saal zieht.«Spiel' doch mal was von Mooaarius (Müller Westernhagen)», grölt dasPublikum. Bei Bruce & Bongos Hit «Geil» wird den Bandmitgliedernschwummerig wegen der sexy «Biester» auf der Tanzfläche. SexuelleNöte sind ein großes Thema: Heinz wird von einem anonymen Anruferdabei ertappt, wie er an einem Tag zum dritten Mal onaniert. DasFilmende wartet mit einer bunten Shownummer auf und passt nicht rechtzu der entwaffnenden Ehrlichkeit von Strunks Geschichte.