Kinderliteratur Kinderliteratur: Vater von Räuber Hotzenplotz wird 80 Jahre alt
Stuttgart/Haidholzen/dpa. - Wo sonst sollte der Vater der «Kleinen Hexe» und des «Hotzenplotzes» wohnen? Ausgerechnet im «Rübezahlweg» in einer kleinen Gemeinde bei Rosenheim bringt Otfried Preußler die Ideen für seine weltweit gefeierten Kinderbücher zu Papier. «Reiner Zufall», meint der Märchenonkel, der am 20. Oktober seinen 80. Geburtstag feiert. Seit Jahrzehnten feilt er in seinen vier Wänden an den eigenen Geschichten, verbessert sie, bis sie so schlank und präzise sind, wie die Kinder es schätzen. «Man muss darauf achten, es ihnen nicht zu läppisch zu machen», sagt Preußler.
«Die Kinder sind nicht so dumm, wie manche Verlagslektoren glauben.»
Seit Jahrzehnten werden den Kindern die Abenteuer vom «Räuber Hotzenplotz» und dem «Kleinen Gespenst», vom «Kleinen Wassermann», der «Kleinen Hexe» oder dem Müllerburschen «Krabat» vorgelegt und vorgelesen. Dabei verzaubert Preußler kleine und große Leser rund um den Erdball. In Japan und China werden seine Geschichten ebenso verschlungen wie in Russland, Brasilien und der Türkei. Die «Kleine Hexe» schwingt sich auch auf Thailändisch und Hebräisch auf ihren Besen, der starke «Wanja» spannt auch auf Baskisch seine Muskeln. Für Preußler war es dabei bislang stets wichtig, die Kinder nicht mit den Problemen des Alltags zu konfrontieren, sondern sie in eine «heile Welt» zu entlassen, die nur noch leicht in der Wirklichkeit verankert
Seine Bücher wurden in hunderte Sprachen übersetzt und nach Angaben des Thienemann Verlags in Stuttgart bisher 21 Millionen Mal verkauft. Bei Thienemann ist die «Kleine Hexe» im Verlagsprogramm «nach wie auf Platz Eins», berichtet Thienemann-Sprecherin Anne- Kathrin Müller.
Seine jüngsten Leser seien für ihn nach wie vor die strengsten Kritiker, sagt Preußler. Sich selbst nimmt der passionierte Geschichtenerzähler stets zurück. Als er mit «Der kleine Wassermann» 1956 seinen Erstling veröffentlichte, genossen Kinderbücher in der literarischen Welt noch wenig Ansehen. «Märchen sind nicht gefragt. Schreiben Sie Umweltgeschichten», musste sich Preußler von dem ersten Verlag sagen lassen, dem er das Manuskript angeboten hatte.
Preußler betont stets seine Ausbildung als «Schulmeister»: Bis 1971 war er Volksschullehrer und Rektor im bayerischen Rosenheim, ehe er das Lehrerdasein ganz für das Bücherschreiben aufgab. Die Wurzeln seiner Märchen und seines Lebens sind böhmisch. Der am 20. Oktober 1923 geborene Preußler wurde als Sohn eines Lehrers im nordböhmischen Reichenberg, dem heutigen Liberec, geboren. Der Vater war Heimatforscher und Volkskundler. Viel zu hören bekam Otfried auch bei Großmutter und Tanten. Sie erweckten die Kobolde und Geister, die Wassermänner und Riesen der volkstümlichen Sagen zum Leben. Nach Kriegsdienst und sowjetischer Gefangenschaft ging Preußler nach Bayern, wohin es seine Familie nach der Vertreibung aus Böhmen verschlagen hatte.
Alle Bücher Preußlers sind in Sprache und Gedankenwelt geprägt von seiner nordböhmischen Herkunft. Mal geht es dabei lustig und derb zu wie im «Hotzenplotz», dem wohl bekanntesten deutschen Verbrecher, der seit mehr als 40 Jahren mit Bart und Hakennase durch die Kinderbücher streift, mal düster und unheimlich wie in dem auf einer sorbischen Sage basierenden «Krabat». Dieses Buch kostete zehn Jahre Vorbereitung. Der Deutsche und Europäische Jugendbuchpreis waren nur ein Teil des Literaturlorbeers für das Anfang der 70er Jahre erschienene Buch, das heute ein Klassiker der Jugendliteratur ist.
Auf den Bühnen von Kindertheatern, auf Hörspielcassetten und in Filmen sind die Werke Preußlers ebenfalls bis heute präsent. Grundstein allerdings bleiben Preußlers Bücher, die sich auch im Zeitalter von Fernsehen, Video und Computer in ungezählten Kinderzimmern auf dem Nachttisch finden.