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Jubiläum von DDR-Zeichner Jubiläum von Werner Klemke: Erinnerung an den Mann mit dem schwarzen Kater

Von Andreas Montag 12.03.2017, 10:33
Werner Klemkes Sohn Christian (67) zeigt ein von seinem Vater illustriertes Schulbuch.
Werner Klemkes Sohn Christian (67) zeigt ein von seinem Vater illustriertes Schulbuch. Bernd Settnik

Halle (Saale) - DDR-Bürger waren das Warten gewohnt. Warten auf einen Kleinwagen namens „Trabant“, auf eine Neubauwohnung mit Bad, auf Südfrüchte oder Radeberger Export-Bier im Konsumladen.

Warten auf irgendein kleines Wunder. Das hat oft Nerven und manchmal auch die gute Laune gekostet. Auf manche Dinge aber hat man als Ostler auch ausgesprochen gern gewartet, voller Vorfreude.

Auf das (noch immer) monatlich erscheinende „Magazin“ zum Beispiel - eine Zeitschrift, die man, so spottete der Volksmund nicht zu Unrecht, erst bestellen konnte, wenn einer der Abonnenten gestorben war.

Und das beste am „Magazin“ war, neben dem mit Spannung erwarteten Aktfoto als Bonbon, eben gleich das Titelbild. Gestaltet hat es Werner Klemke, insgesamt mehr als 400 Mal - vom Januar 1955 bis zum Februar 1990.

Zeichner Werner Klemke: Mit Charme und Witz die Menschen erreicht

Meist war es eine luftig-erotische Zeichnung, niemals anzüglich, immer charmant und voller Lebensfreude. Und immer mit dem schwarzen Kater als Maskottchen.

Klemke hat ihn in den verschiedensten Positionen dargestellt und gern auch versteckt, manchmal war nur ein Pfötchen oder die Schwanzspitze zu sehen. Den Kater zu suchen (der jetzt wieder auf das Cover zurückkehren soll) war ein heiterer Volkssport in der sonst so ernsthaften Republik.

Dafür allein hat das Publikum seinen Klemke geliebt und liebt ihn noch, über seinen Tod im Jahr 1994 hinaus. An diesem Sonntag wäre der Künstler 100 Jahre alt geworden.

Zeichner Werner Klimke: Herausragendes geleistet

Geboren als Sohn eines Tischlers in Weißensee, das damals noch nicht zu Berlin gehörte, wuchs Klemke in bescheidenen Verhältnissen auf. Seine Neigung zum Zeichnen hat er früh erkannt und selbst ausgebildet, ein Studium hat er nie absolviert - wohl aber später jahrelang als Professor an der heutigen Kunsthochschule in Berlin-Weißensee gelehrt.

Buchkunst und Typographie waren seine Gebiete, in beiden hat er Herausragendes geleistet. Besonders als Illustrator ist Klemke unvergesslich, seine hintersinnigen, erotischen Zeichnungen zu Giovanni Boccaccios „Decamerone“ haben die Fantasien befeuert.

Werner Klemke war ein Meister in der Beherrschung des grafischen Handwerks, seine Leidenschaft hat er in der Eleganz des Strichs verraten. Dabei hätte den Mann auf der Straße jeder für den Buchhalter eines Volkseigenen Betriebes gehalten: Fotografien zeigen Klemke mit korrekt gescheiteltem Haar über der hohen Stirn, Anzug, Hemd, Krawatte. Nur der Schalk, der aus den Augen hinter der großen Kassenbrille und dem spöttisch verzogenen Mund blitzt, verrät etwas anderes.

Zeichner Werner Klemke: Menschenretter im Zweiten Weltkrieg

Man muss sich den Künstler und Vater von vier Kindern wohl als großen Menschenfreund vorstellen, sonst hätte er nicht solch wunderbare Illustrationen schaffen können wie jene zu Märchen von Hans Christian Andersen, die jetzt, mit 40-jähriger Verspätung, im Kinderbuch-Verlag veröffentlicht worden sind, der zur Verlagsgruppe Beltz gehört. Im Kinderbuchverlag der DDR hatten Klemkes getuschte Bilder bereits 1975 erscheinen sollen, doch die Publikation kam damals nicht zustande.

Und noch eine, wenig bekannte Seite gibt es an Klemke, die Bewunderung auslöst. Während des Krieges, den der junge Mann als Wehrmachtsschreiber an der Westfront erlebte, hat er als Fälscher für das Leben großen Mut bewiesen. Dank seiner Pässe, die er heimlich herstellte, konnten 300 holländische Juden gerettet werden.

Klemke hat kaum darüber gesprochen, erst vor wenigen Jahren, lange nach seinem Tod, ist diese stille Heldentat durch einen Zufallsfund in einem Archiv öffentlich bekannt geworden. Es gab sie ja, wenn auch wenige: die Gerechten in Zeiten des großen Mordens und Wegschauens. Klemke war einer von ihnen.

Märchen von Hans Christian Andersen, illustriert von Werner Klemke, Kinderbuchverlag, 224 S., 19,95 Euro

(mz)