1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Johann Sebastian Bach: Johann Sebastian Bach: Klappern der Wassermühle weist den Weg

Johann Sebastian Bach Johann Sebastian Bach: Klappern der Wassermühle weist den Weg

Von Andreas Hillger 12.03.2008, 18:36

Köthen/MZ. - Zwar herrschte in der Literatur kein Mangel an mutmaßlichen Wohnortenn - doch unter den acht in Frage kommenden Gebäuden war kein Favorit auszumachen.

Das soll nun anders werden - dank einer Untersuchung, die auf den eher spröden Namen "Machbarkeitsstudie zur weiteren Entwicklung der touristischen Infrastruktur in Köthen unter Bezugnahme auf den Arbeits- und Lebensbereich Johann Sebastian Bachs" hört. Hinter diesem Titel verbirgt sich der Versuch, dem Gesuchten mit Fleiß, Logik und den städtischen Steuerakten auf die Spur zu kommen. Unter Leitung des Computer-Experten Georg Heeg wurden dafür zunächst alle verfügbaren Quellen erfasst - insgesamt 479 Dokumente mit 13 243 Seiten.

Historische Adressen

Obwohl die Häuser zu Bachs Zeiten nicht nach Adressen, sondern nach Eigentümern erfasst wurden, konnte dank der Kontinuität in den Steuer-Jahrgängen und dank der "Huldigungsliste für Leopold" von 1716 eine Art Adressbuch für Köthen im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts erstellt werden. Darin taucht Bach zwar nicht auf, weil er nur "Hausgenosse" - also Mieter - war. Da anhand der "Schoss" genannten Grundsteuer aber auf die Größe der Wohnflächen geschlossen werden kann, lässt sich die Zahl der in Frage kommenden Häuser eingrenzen.

So weiß man nicht nur, dass Bach in seinem Haus mit der 18-köpfigen Hofkapelle übte - sondern auch, dass er sich in seiner Arbeit von dem Klappern einer Wassermühle gestört sah. Da der Krämer Johann Andreas Lautsch bis in Bachs erste Köthener Jahre hinein eine Mietentschädigung aus der fürstlichen Kammer bekam, weil sein nahe an der "Bladdermühle" in der Schalaunischen Straße gelegenes Haus für Orchesterproben genutzt wurde, liegt dieser Ort als Wohnsitz nahe. Leider wurde dort zum 20-jährigen Bestehen der DDR 1969 ein Kaufhaus errichtet.

Wie gut aber, dass der selbe Kaufmann in der neu erschlossenen Wallstraße ein weiteres Haus errichtete, das in Größe und Lage alle Kriterien erfüllt - und bereits 1932 als "Bachhaus" rekonstruiert werden sollte. Dieses in seiner barocken Substanz bis heute erhaltene Gebäude ist "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" der zweite und letzte Köthener Wohnsitz von Johann Sebastian Bach. Dass auf dem davor befindlichen Platz zum 200. Geburtstag des Komponisten 1885 ein Denkmal errichtet wurde, scheint fast zu schön, um wahr zu sein. Laut Heeg aber findet sich in den Akten über diese Ehrung kein Hinweis auf einen Kausal-Zusammenhang. Die Ahnen setzten das Wissen also entweder als selbstverständlich voraus - oder waren ahnungslos.

Musik in Reithalle

Ob und wie die Stadt Köthen aus dieser neuen Zuweisung nun touristisches Kapital schlagen kann, soll die städtische Kultur- und Marketing-GmbH prüfen. Die Studie empfiehlt, das Schlossareal als Zentrum für den Kulturtourismus zu etablieren und dabei auf die Zeit von Bach und seinem Dienstherrn Leopold von Anhalt-Köthen zu setzen. Von einem Museum im einstigen Wohnhaus, das heute als Teil des Pflegeheims St. Elisabeth genutzt wird, ist nicht die Rede. Das wird die Konkurrenz in Eisenach und Leipzig freuen - zumal der Bach-Standort Köthen Ende März bereits durch die neue Konzerthalle im historischen Reithalle aufgewertet wird. Die für das Projekt entwickelte Software "GH-Bachnetz" aber steht für Erweiterungen bereit - etwa zur Recherche über die "Fruchtbringende Gesellschaft".