Jochen Kowalski Jochen Kowalski: Heimkehr zu den Wurzeln
Berlin/MZ. - Es ist ein großes Wort, das er gelassen ausspricht: "Halle hat mein Leben verändert." Wann das gewesen ist? In einem anderen Land, einem anderen Jahrtausend. Damals, so erzählt er, sei die Nachricht eher zufällig in das hallesche Theater des Friedens gedrungen, dass sich ein Student an der Berliner Hochschule "Hanns Eisler" zum Countertenor ausbilden ließ. Man habe ihn eingeladen und nach dem Vorsingen vom Fleck weg engagiert - obwohl er bis dato noch nie als Solist auf einer Bühne gestanden hatte. Am 15. Juni 1982 war es soweit: In der Aula der Universität wurde Händels "Muzio Scevola" konzertant aufgeführt. Und mit Jochen Kowalski ging ein Stern am Barockhimmel auf.
Was folgte, war eine Weltkarriere: Noch vor dem Staatsexamen, das er im Oratorium "Theodora" ein Jahr später ebenfalls bei den Händel-Festspielen in Halle absolvierte, wurde Kowalski an die Komische Oper Berlin engagiert. Mit "Giustino" avancierte er 1984 zum Star, ein Jahr später debütierte er mit "Belsazar" in Hamburg - immer auf den Spuren von Georg Friedrich Händel. Dabei hatte der junge Mann aus Brandenburg das Rollenfach, in dem er brillierte, quasi selbst erfunden: Zuvor waren die barocken Kastraten-Partien in Halle mit Frauen besetzt worden, die zwar die nötige Höhe, jedoch nicht das ideale Timbre mitbrachten. Jochen Kowalski, der eigentlich Tenor werden wollte und mit seinen Leistungen in dieser Stimmlage nie zufrieden war, löste einen Trend aus - und ebnete Kollegen wie dem heutigen halleschen Opernintendanten Axel Köhler den Weg.
Zugleich inspirierte er mit seiner Stimme auch Zeitgenossen, die speziell für ihn komponierten: Ruth Zechlin, Siegfried Matthus und Georg Katzer haben für Jochen Kowalski geschrieben, unlängst hat er eine Hauptrolle in Johannes Kalitzkes Oper "Die Besessenen" in Wien und die Titelpartie des "Akhnaten" von Philip Glass in Los Angeles gesungen - und wurde beim Japan-Gastspiel als Prinz Orlofsky in der "Fledermaus" gefeiert.
Dass Jochen Kowalski nicht in den branchenüblichen Kategorien von E- und U-Musik denkt, sondern lediglich nach Qualität fragt, sieht man an seiner Affinität für Salonmusik und amerikanische Standards von George Gershwin oder Cole Porter. Eine ungewöhnliche Kombination führt ihn nun nach langer Zeit auch wieder an den Ort, wo alles begann: Am 20. November wird er im Rahmen des Impuls-Festivals in der Händel-Halle "Machtträume" mit dem Jugendbarockorchester "Bachs Erben" aufführen - und dabei unmittelbar auf den Comedian Olaf Schubert treffen, der Kowalskis Barock-Arien die "Märsche, den Sieg zu verfehlen" von Maurizio Kagel folgen lässt.
Bereits am kommenden Wochenende stellt Kowalski ein Programm zu Puschkins "Pique Dame" im Goethe-Theater Bad Lauchstädt vor, das er gemeinsam mit dem Schauspieler Dieter Mann gestaltet. Und auch sein eigentliches Bühnenjubiläum wird er in Halle feiern: Für den 1. Juni 2012 ist ein Auftritt mit seiner Swing-Combo bei den Händel-Festspielen geplant - mit einem Programm, das Barockarien in ein Jazz-Gewand kleidet. Die Einladung begründet Festival-Intendant Clemens Birnbaum mit der Rolle des Sängers: "Mit Jochen Kowalski kam die historische Aufführungspraxis nach Halle - lange bevor das Händel-Festspielorchester auf Barock-Instrumenten spielte."
Dass er zu jener Avantgarde gehörte, die der Alten Musik eine Zukunft eröffnet hat, hört Jörg Kowalski gern. Zugleich betont er, wie hilfreich ihm bei dieser Entwicklung die halleschen Opernkollegen waren. Und darum, so sagt er, versucht nun auch er Jüngere an seinen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Nicht zuletzt deshalb freut er sich auf den Auftritt beim Impuls-Festival. Dort wird er wieder die Wahrheit jenes Gedichtes von Eva Strittmatter unter Beweis stellen, das seine Webseite ziert: "Wenn einer singt, so muss er singen: Gegen die Schwerkraft und den Tod."
Goethe-Theater Bad Lauchstädt: 29. Oktober, 14.30 Uhr; Händel-Halle: 20. November, 20 Uhr