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Interview mit Clueso Interview mit Clueso: "Reisen sind mein Benzin für Songs"

Von Jenny Filon 28.11.2014, 15:50

Köln - Ein wenig verschlafen tritt Clueso aus dem Aufzug ins Foyer des Savoy Hotels– Lederjacke, schwarze Jeans, schwarzes Shirt. Er habe sich gerade noch mal für zehn Minuten hingelegt, sagt er. Für eine TV-Aufzeichnung ist der 34-Jährige in Köln, es reiht sich ein Interviewtermin an den nächsten.

Clueso, Sie haben sich drei Jahre Zeit für ihr neues Album „Stadtrandlichter“ genommen. Was war los?

Clueso: Im Prinzip waren es nur anderthalb Jahre, weil ich mit dem alten Album noch auf vielen Festivals unterwegs war. Mir hat einfach die Zeit für meine Leidenschaft gefehlt und dafür, Songs auch wirklich fertig zu machen.

Deswegen haben Sie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen?

Clueso: Ja. So hatte ich Zeit wieder in Erfurt anzukommen, wo ich wohne und mein Studio habe. Auch um einfach mit Leuten abzuhängen, mal in einen Club zu gehen oder zu kickern – was ich sehr gerne mache. Das Leben wieder aufzusaugen. Dadurch sind dann auch neue Themen entstanden und eigentlich auch Stadtrandlichter.

Müssen Sie sich ab und zu zurückziehen, um kreativ zu sein?

Clueso: Es gibt zwei Dinge: Reisen und Zurückkommen. Reisen sind mein Benzin für Songs. Und das Zurückkommen ist für mich das Musik machen. Deswegen ist meine Musik chillig und energetisch. Ich habe viel Action im Leben, was ich liebe, aber die Musik ist der Entspannungsmoment. Es ist einfach geil, wenn es keinen Druck von außen gibt und die Zeit, die man dafür hat, nicht durch Termine durchlöchert wird.

Haben Sie sich deswegen entschieden, Stadtrandlichter komplett selbst zu produzieren?

Clueso: Ich wollte einfach direkt sagen können, was ich möchte. Ich wollte eine eigene Handschrift kreieren. In der Dekade meines Lebens, in der ich gerade bin, kann ich noch viel lernen. Das will ich nutzen.

Hat es deswegen auch länger gedauert als sonst?

Clueso: Ja, das war wie eine Fremdsprache zu lernen. Es vergeht einfach viel Zeit bis man alles drauf hat, was zum Produzieren dazu gehört. Aber jetzt kann ich mitreden.

Versuch geglückt. Das Album ist direkt auf Platz 1 der Charts geschossen.

Clueso: Klar, ich freue mich darüber – vielleicht auch mehr als sonst. Aber ich sehe es als eine Art Tor für die Mannschaft. Für mich gab es nie den Druck auf Platz 1 zu landen, das war nie mein Ziel.

Clueso, mit bürgerlichem Namen Thomas Hübner, wurde 1980 in Erfurt geboren. Mit 15 Jahren beginnt er Musik zu machen. Eine Friseurlehre bricht er ab. Mittlerweile hat der Clueso fünf Gold- und zwei Platinauszeichnungen in der Tasche, hat mit Udo Lindenberg, Wolfgang Niedecken und den Fantastischen Vier gespielt. Sein neues Album „Stadtrandlichter“ produzierte er erstmals in Eigenregie. Am heutigen Samstag spielt er in der Kölner Lanxess-Arena.

Kein bisschen stolz?

Clueso: Doch. Es hat ja trotzdem geklappt. Ich höre jetzt aber vor allem die Zeit, die drum herum vergangen ist. Das ist wie eine Blase. Hinterher sagt man sich vielleicht, das man das ein oder andere anders hätte machen können, aber der Zeitabschnitt ist jetzt einfach vorbei. So klingt die Zeit. Jetzt müssen sich die anderen damit beschäftigen – oder auch nicht.

Sie haben auch noch ein anderes Album aufgenommen – mit Ihrem Opa Horst. Die Vorbild-Frage drängt sich auf…

Clueso: Opa ist einer meiner besten Freunde. Er ist 84 Jahre alt und extrem cool. Er war auch Musiker und Friseur – wie ich. Wir haben viele Gemeinsamkeiten. Ich mag das, mich in ihm zu sehen und umgekehrt. Er ist Entertainer pur.

Holen Sie sich Ratschläge von ihm?

Clueso: Nein, das läuft über Beobachtung. Er war nie erfolgreich als Musiker. Er hat in Kneipen Musik gemacht und war da erfolgreich. Aber wie er Musik macht, ist wie Musiker Musik machen. Die schauen, wie der Tag ist – oder die Situation. Danach wird der Song ausgewählt.

Werden Sie das Album veröffentlichen?

Clueso: Nein. In einer Zeit, wo alles verfügbar ist, werde ich das nicht verfügbar machen. Das ist nur für uns.

Ist Udo Lindenberg auch ein Vorbild? Auf „Stadtrandlichter“ gibt es auch wieder einen gemeinsamen Song...

Clueso: Ja, natürlich. Er ist ein richtiger Rockstar, ein richtiges Krokodil. Von der Liga gibt es nicht viele.

Wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben?

Clueso: Mit Udo verbindet mich eine musikalische Freundschaft. Udo hält den Kontakt zu mir. Er schreibt mir viele SMS – mit Tausenden von Icons: Raketen, Hüten und Smileys.

Udo Lindenberg nutzt Emoticons?
Clueso: Ja, aber richtig. Alles was funky ist, wird benutzt.

Sie haben zuletzt gemeinsam vor dem Brandenburger Tor gespielt.

Clueso: Ja, das war gigantisch. Die Menschen standen bis hinter die Siegessäule.

Sie führen auch eine Art Rockstar-Leben. Sie wohnen zu sechst in einer WG in Erfurt, einer Art Künstler-Kollektiv. Wie darf man sich das vorstellen?

Clueso: Das kann man sich nicht vorstellen. Es ist eine richtige Kommune – mit allem was dazugehört. Wir sind aber alles Macher. Deswegen gibt es auch Zeiten, in denen jeder was zu tun hat und sich alle anstecken. Man kommt dann von einer Kreativ-Zelle in die andere. Im Sommer gibt es aber auch viele Partys. Dann nehmen wir die Teppiche raus, spielen Musik und liegen rum.

Eine inspirierende Atmosphäre…

Clueso: Musiker suggerieren sich in gute Laune. Schon am Morgen wird laut gesungen. Das steckt an. Dort zu wohnen tut mir sehr gut und ist sehr inspirierend.

Zwischenzeitlich haben Sie in Köln gewohnt.

Clueso: Ja, drei Jahre in der Severinsstraße – zusammen mit mehreren Musikern. Das war sehr lustig. Als ich hier ankam, gab es jede Woche eine Party – angefangen beim Karneval. Der Zug ging direkt an meinem Fenster vorbei. Wir hatten die Wohnung gerade gemalert, dann kam der Karneval, wir haben die Tür aufgemacht und hatten plötzlich 400 Leute in der Bude. Wir sind auch mal nachts in die Claudius-Therme eingebrochen. Das war eine sehr bewegende Zeit.

Und warum sind Sie zurück nach Erfurt?

Clueso: Zu der Zeit war ich noch in der HipHop-Szene aktiv. In Köln hatte ich immer das Gefühl, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht. Und das war bei uns in Erfurt nicht so. Jeder hatte Bock was zu machen – und möglichst zusammen.

Ist Köln trotzdem eine Art Heimat für Sie?

Clueso: Ich mag es hier sehr. Ich habe ein extremes Heimatgefühl, wenn ich hier spiele. Ich kenne hier auch jede Ecke. In drei Jahren habe ich alles erkundet.

Vor ein paar Jahren haben Sie dann auch mit Wolfgang Niedecken eine gemeinsame Single aufgenommen – „All die Augenblicke“.

Clueso: Wolfgang ist ein riesiges Vorbild für mich. Er hat sehr starke Texte und zum Glück auch ein paar Bücher mit einer 1:1-Übersetzung herausgebracht. Mit dem Kölsch ist das so ’ne Sache. Und ehrlich: Ich hatte das Übersetzungsbuch von Bob Dylan und Wolfgang Niedecken, um mich inspirieren zu lassen – weil mich die Denkweise von diesen Künstlern interessiert. Dass ich ihn dann kennenlernen durfte, war großartig. Heute haben wir einen richtig guten Draht zueinander. Wir rufen uns ständig an.

Ist es ähnlich wie mit Udo Lindenberg?

Clueso: Nein. Mit Udo ist es, als wäre man mit Michael Jackson befreundet. Wolfgang ist eher wie so ein Vater. Das ist ein anderer Austausch.

Am 29. November spielen Sie in der Lanxess Arena. Erst vor kurzem haben Sie eine Clubtour durch die Benelux-Länder beendet. Passt ein Club nicht besser zu Ihrer Musik?

Clueso: Mir und meiner Band ist es ziemlich egal, auf welcher Bühne wir stehen. Das kann auch ein finsterer Keller sein oder ein Dach. Ich krabble einfach in die Musik. Und die Kölner holen sich ihre Party so oder so ab, egal wo.

Das Gespräch führte Jenny Filon.

Hat im September sein neues Album „Strandlichter” veröfentlicht: Clueso
Hat im September sein neues Album „Strandlichter” veröfentlicht: Clueso
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