Interview mit Andreas Bourani Interview mit Andreas Bourani: Männer dürfen weinen

Halle (Saale) - Spätestens seit seiner Fußball-Hymne „Auf uns“ ist Andreas Bourani in aller Munde. Der 31-jährige Augsburger mit ägyptischen Wurzeln ist vor allem emotional. Auch auf seinem zweiten Album „Hey!“ besingt er große Gefühle. Seine Vier-Oktaven-Stimme bewegt sich zwischen Leichtigkeit und Tiefgang. Live zu erleben ist Bourani am 30. Januar im Erfurter Stadtgarten, tags darauf in der Factory Magdeburg und am 3. Februar im Alten Schlachthof Dresden (Beginn um 20 Uhr). Vormerken sollten sich Fans auch den 21. August. Dann gibt es Bourani live auf der Parkbühne Leipzig. Olaf Neumann hat für die MZ nachgefragt, warum Gefühle so wichtig sind und wie Andreas Bourani über den Vergleich mit Xavier Naidoo denkt.
Warum sind die Songs auf dem Album „Hey!“ so gefühlvoll?
Bourani: Das ergibt sich aus dem Anspruch, die ich an Musik und Texte habe. Auch brachte die Zeit, in der die Platte entstanden ist, sehr abwechslungsreiche Gefühle mit sich. Vielleicht habe ich ja die Gabe, zu erspüren, was so in meinem Umfeld passiert. Für mich muss Musik immer eine Notwendigkeit und eine Wahrheit haben; je zeitloser ein Gefühl ist, desto besser. Zweifel zum Beispiel begleiten einen ein Leben lang. Insofern lohnt es sich, darüber mal ein Lied zu schreiben.
Darf ein Mann weinen?
Bourani: Das finde ich schon. Es ist ein Klischee, dass Männer immer hart sein müssen. Es ist sehr mutig, wenn ein Mann es zulässt, vor anderen zu weinen. Das ist wahre Stärke.
Haben Sie als Sänger einen Auftrag? Wollen Sie anderen Männern beibringen, sich zu öffnen?
Bourani: Nee, überhaupt nicht, das ist einfach mein Lebensstil. Ich lebe intensiv und bewusst und drücke dies in Musik aus. Ich versuche, tiefgründige Texte zu schreiben, die ich auch noch in drei Jahren singen kann. Ich wollte nie ein Vorbild für andere Männer sein. Das wäre ja auch Quatsch, denn ich lebe meine Gefühle ja öffentlich aus. Ich hatte schon früher die Tendenz zum Verträumtsein und habe mich mit Freunden gern über philosophische Themen und die großen Fragen des Lebens unterhalten. Ich wollte verstehen, was uns Menschen ausmacht. Dennoch bin ich nicht ständig auf Sinnsuche, ich kann das Leben auch genießen.
Stehen Frauen nicht eher auf Machos denn auf Softies?
Bourani: Diese Frage müssten Sie eigentlich den Frauen stellen. Meine Erfahrung ist, dass es Frauen gibt, die auf Machos stehen und solche, die Softies mögen. Und das ist auch gut so. Klar mögen vor allem Frauen meine Musik, auch etwas ältere. Es ist aber nicht so, dass zu meinen Konzerten nur wenige Männer kommen.
Ihre Eltern sind Ägypter, Sie selbst wurden in Augsburg geboren. Fühlen Sie sich auch als Ägypter?
Bourani: Nein. Ich wurde adoptiert, als ich eine Woche alt war. Zur ägyptischen Kultur habe ich keinen Bezug, ich sehe mich als Bayer, bin auch nicht zweisprachig aufgewachsen. Einzig meine Hautfarbe wirft die Frage nach meiner Herkunft auf. Natürlich habe ich mich irgendwann mit der Kultur Nordafrikas auseinandergesetzt, um meine Herkunft ein bisschen zu verstehen. Aber ich musste nicht nach Ägypten fahren, um meine Identität zu suchen.
Günter Grass spricht von seinem erotischen Verhältnis zur deutschen Sprache. Welches Verhältnis haben Sie dazu?
Bourani: Ich bin auch sehr verliebt in die deutsche Sprache, weil sie für jedes Gefühl, das es gibt, ein Wort bietet. Englisch ist deutlich einfacher strukturiert. Deutsch wird international als harte Sprache wahrgenommen. Diese Härte passt irgendwie zur deutschen Disziplin. Mein Ansinnen ist es aber, meiner Muttersprache in meinen Liedern Weichheit zu verleihen. In der Popmusik müssen Melodien und Sprache ineinander fließen. Es darf beim Hören nicht anstrengend werden, es sollte immer harmonisch und weich klingen.
Ob Andreas Bourani gut loslassen kann und welches sein prägendstes musikalisches Erlebnis war, lesen Sie auf Seite 2.
Haben Sie das Gefühl, dass es den Deutschen leicht fällt zu singen?
Bourani: Nee, nicht so richtig. Was ich ein bisschen schade finde. Ich habe zwar keinen direkten Vergleich, aber mir fällt schon auf, dass in Deutschland selten gesungen wird. Kinder bilden da eine Ausnahme. Aber irgendwann hören viele damit auf, weil sie Angst haben, nicht gut genug zu sein. Ich habe immer gesungen, weil es befreiend ist und glücklich macht.
Ein zentrales Thema auf Ihrem neuen Album ist das Loslassen. Wie steht es mit Ihnen? Können Sie selbst auch gut loslassen?
Bourani: Inzwischen ja. Während ich die Songs für die Platte schrieb, kamen mir viele Gedanken zum Thema Loslassen. Alte Gewohnheiten und Gedanken aufzugeben zum Beispiel - das ist schwierig, aber es lohnt sich. Unser Leben ist ständig in Bewegung. Wenn man das annimmt, wird vieles einfacher. So hatte ich Zweifel, ob meine neuen Lieder gut genug sind, um mit der erfolgreichen ersten Single mithalten zu können. Irgendwann sagte ich mir aber, dass ich dankbar sein sollte mit dem, was war. Und dann ist der Song „Hey!“ entstanden.
Sie haben eine Vier-Oktaven-Stimme. Setzen Sie sie in vollem Umfang ein?
Bourani: Früher habe ich im Schulchor Sopran gesungen und nie bewusst den Stimmbruch durchlebt. Deswegen habe ich die hohe Stimmlage nie verloren und sie auch weiterhin trainiert. Doch die äußersten Höhen benutze ich in meinen Liedern gar nicht mehr. Diese Frequenz ist ab einem bestimmten Punkt nicht mehr angenehm anzuhören.
Hätten Sie theoretisch auch bei der Oper landen können?
Bourani: Mit Sicherheit. Aber ich fand Popmusik immer spannender als große Arien, weil man hier in drei, vier Minuten alles sagen muss. Die Oper lässt nicht viel Raum zur Gestaltung, als Sänger ist man ja Teil einer Inszenierung. Doch hätte ich klassische Vorbilder gehabt, dann hätte es für mich auch die Klassik sein können.
Welches war Ihr prägendes popmusikalisches Erlebnis?
Bourani: Michael Jackson. Als ich diesen Typen zum ersten Mal auf dem Schirm hatte, galt es noch als Skandal, dass ein Musiker seine Hautfarbe verändert hatte. Für mich eine irre Geschichte. Zudem war Jackson ein herausragender Künstler. Groß geworden bin ich aber hauptsächlich mit deutscher Musik. An Grönemeyer faszinierte mich immer, wie es ihm gelang, Sprachrohr einer Gesellschaft zu sein. Jeder Künstler träumt davon, ein zeitloses Album wie „Mensch“ zu erschaffen.
Im Netz werden Sie bereits als der neue Xavier Naidoo gehandelt. Stört Sie dieser Vergleich?
Bourani: Überhaupt nicht. Ich bin als Künstler noch nicht so etabliert wie Xavier Naidoo oder Herbert Grönemeyer es sind. Da suchen Kritiker natürlich immer nach einem Vergleich, um Zugehörigkeit zu schaffen. Aber Vergleiche verblassen auch wieder. Beim Musikmachen versuche ich, nicht daran zu denken, was andere über mich sagen. Das würde mich nur verrückt machen. Im Studio geht es nur um meine Songs. Denn am Ende zählt allein, ob meine Musik die Menschen bewegt. (mz)
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