Harry Potter und das verwunschene Kind "Harry Potter": Neues Buch "Verwunschenes Kind von J. K. Rowling erscheint um Mitternacht

Köln - J.K. Rowling hat ein Luxusproblem. Sie hat die erfolgreichste Buchreihe der Literaturgeschichte geschrieben. Aber der siebte und letzte „Harry Potter“-Roman ist vor neun Jahren erschienen. Rowling schrieb fortan für Erwachsene, durchaus erfolgreich. Allein, ein Phänomen wie Harry Potter lässt sich nicht wiederholen.
Doch konnte die Autorin es nie ganz loslassen, den Vergnügungsparks und reich bebilderten Neuauflagen übereignen. Eine Zeit lang nervte sie mit zunehmend überflüssigeren Einzelheiten zur Zaubererwelt, die sie via Twitter verbreitete: Professor Dumbledore ist also schwul, Ron, Hermine und Harry sind nun auf Schokofrosch-Sammelkarten verewigt, Florian Fortescue, der verschwundene Eisverkäufer aus der Winkelgasse, wurde von Todessern ermordet.
Wo bleibt die Magie?
Wer sich nun fragt, was Schokofrosch-Karten oder Todesser sind, braucht sich seines Muggeltums nicht zu schämen. Selbst treueste Potter-Fans wünschten sich irgendwann ein Ende der Informationsflut. Gerade erst hat Rowling drei E-Books veröffentlicht, in denen sie die Lebensgeschichten einiger Hogwarts-Lehrer und Poltergeister beleuchtet. Wenn aber jedes kleinste Detail auserzählt ist, wo bleibt dann die Magie?
Diesen Samstag erscheint nun die deutsche Übersetzung des offiziellen achten Teils der Saga, „Harry Potter und das verwunschene Kind“. Kein weiterer Roman, sondern der Text des zweiteiligen Stückes, das seit Juni im Londoner West End läuft. Beziehungsweise die „Special Rehearsal Edition“, sprich: die Fassung mit der am Londoner Palace-Theatre geprobt wurde. Sie soll nur so lange erhältlich sein, bis eine erweiterte Ausgabe erscheint, die wohl Änderungen enthält, wie sie jedes Theaterstück von der ersten Niederschrift über Proben und Voraufführungen bis zur offiziellen Premiere erfährt. Die war im Fall von verwunschenem Kind am 30. Juli. Der einzige Grund, die jetzige, verbesserungsfähige, Version zu veröffentlichen, ist also der Wunsch, die Macht der Marke gleich zweimal auszuspielen.
„Verwunschenes Kind“
Geschrieben hat das Stück im Übrigen nicht Rowling, sondern ein gewisser Jack Thorne, er teilt sich mit Harrys geistiger Mutter und dem „Cursed Child“-Regisseur John Tiffany auch die Autorschaft der Story. Im „Verwunschenen Kind“ begegnen wir Harry Potter 19 Jahre, nachdem er den dunklen Lord Voldemort besiegt hat. Die erste Szene des Stücks knüpft direkt an die letzte von „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“an. Unsere gealterten Helden verabschieden am Gleis 9 3/4 des Bahnhofs King’s Cross ihre Kinder in Richtung des Zaubererinternats Hogwarts.
Worum geht es im Buch? Achtung, Spoiler!
Albus Severus Potter, Harrys Zweitgeborener, findet seinen besten Schulfreund gleich im ersten freien Abteil des Hogwarts-Express, ganz der Vater. Und dann doch nicht. Denn der Auserwählte ist Scorpius Malfoy, der einzige Sohn von Harrys giftblondem Intimfeind Draco Malfoy. Prompt wird Albus ins Haus Slytherin einsortiert, dessen Schüler Rowling in den sieben vorangegangenen Potter-Bänden als mobbende Mistkerle mit faschistischen Neigungen porträtiert hat. Wie sollte man sonst schon rebellieren, als Sohn des größten Helden der Zaubererwelt? Albus, Schockschwerenot, interessiert sich noch nicht einmal für Quidditch.
Diese Freundschaft, die man beinahe eine Romanze nennen möchte, bildet das Herz des Stückes. Albus ist ein Unruhestifter, ein ewig Unzufriedener, aber durch ihn sehen wir die Schwächen seines Vaters deutlicher als jemals zuvor. Ja, über weite Teile der mehr als 300 Skript-Seiten ist Harry der wahre Antagonist des Stücks. „Entweder du stirbst den Heldentod, oder du lebst lang genug, um zu sehen, wie du zum Bösewicht wirst“, wie es im Batman-Film heißt. Jeder Erziehungsberechtigte eines pubertierenden Zöglings kann das bestätigen.
Scorpius Malfoy der heimliche Held
Als heimlicher Held des Stücks stellt sich Scorpius Malfoy heraus. Zuerst scheint er nur ein Mitläufer zu sein, ein Stichwortgeber für Albus. Doch Scorpius hat noch schwerer als sein Freund am Familienerbe zu tragen – es geht das Gerücht, er sei der uneheliche Sohn von Lord Voldemort, dem Oberbösen der Romane. Stattdessen entpuppt sich der scheinbare Schwächling als moralisches Zentrum der Zaubererwelt.
Vom eigentlichen Plot sei nicht mehr verraten, als dass es um den Versuch geht, per magischer Zeitreise alte Fehler auszubügeln. Was selbstredend schlimme Konsequenzen hat. Und an „Zurück in die Zukunft II“ erinnert, einen guten Film, der das Pech hat, den Zuschauer permanent daran zu erinnern, wie viel besser der erste Teil war. Hier geben die Zeitreisen den Autoren Gelegenheit, noch einmal einige derjenigen Charaktere auf die Bühne zu hexen, die schon zwischen den Buchdeckeln ihr Ende gefunden hatten. Der prominenteste Auftritt gebührt Severus Snape, Harrys zwiespaltigem Retter und Liebling der Fangemeinde.
Die oberschlaue Hermine Granger als Zaubereiministerin?
Ob es solche Szenen sind, die Rowling den Vorwurf eingebracht haben, hier ihre eigene Fan-Fiction zu schreiben? Markierte man die Stellen mit dem Textmarker, an denen Potter-Kundigen wie nebenbei eine neue Enthüllung präsentiert, ein „Aah“ abgerungen wird, ergäbe sich ein Muster von schöner Regelmäßigkeit. Dabei macht längst nicht alles Sinn. Die oberschlaue Hermine Granger ist jetzt Zaubereiministerin? Doch, glauben wir gern. Nur, dass sie sich immer noch nicht vom unbeholfenen Ron Weasley getrennt hat, obwohl der als Erwachsener eine Scherzartikel verteilende Witzfigur ist, nein, das mag man kaum schlucken.
Theater in London soll spektakulär sein
Die Londoner Bühnenumsetzung, so hört man, soll spektakulär sein. Der blanke Text ist es nicht. Man möchte zum Zauberstab greifen und „Wingardium Leviosa“ rufen. Doch das unwuchtige Stück ist durch keine Levitationsformel zu heben. Liegt nicht in den farbigen, vor Erfindungsreichtum nur so strotzenden Schilderungen des magischen Alltags der wahre Charme von J.K. Rowlings Buchreihe? In „Das verwunschene Kind“ muss sich der Leser mit Regieanweisungen zufrieden geben, die ungefähr so unterhaltsam sind, wie die Nacherzählung eines „Transformers“-Films. Und zudem stur behaupten, dass jetzt gerade ganz große Gefühle im Raum stünden. Was man aus den Dialogen allein kaum erahnte hätte.
J.K. Rowling hat Millionen von Kindern in eifrige Leser verwandelt. Dafür sind wir ihr ewig dankbar. Die Zukunft der Harry-Potter-Reihe indes scheint im Spektakel zu liegen, in Fahrgeschäften in Florida, im Londoner West End, und im November wieder auf der großen Leinwand, wenn in „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ mit Hilfe eines sagenhaften Budgets von 225 Millionen Dollar die amerikanische Seite der Zaubererwelt beschworen wird. Der Film soll der erste Teil einer Trilogie werden, das Drehbuch für den zweiten Teil hat J.K. Rowling bereits geschrieben.
