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Hardy Krüger: Vom Nazi-Freund zum Helfer für Juden

25.10.2016, 11:17
Der Schauspieler und Autor Hardy Krüger. Foto: Daniel Reinhardt
Der Schauspieler und Autor Hardy Krüger. Foto: Daniel Reinhardt dpa

Hamburg - – Mit 16 Jahren kämpfte er in den letzten Kriegsmonaten in der 38. SS-Panzergrenadier-Division „Nibelungen” gegen die Amerikaner – und half als Kurier Juden bei ihrer Flucht über die Grenze in die Schweiz.

Er war Adolf-Hitler-Schüler, gedrillt in der NS-Ordensburg Sonthofen – und erkannte mit Hilfe der UFA-Stars Hans Söhnker (1903-1981, „Große Freiheit Nr. 7”) und Albert Florath (1888-1957, „Die Feuerzangenbowle”) den verbrecherischen Charakter des Nazi-Regimes. Die Jugend des Schauspielers, Schriftstellers und Weltenbummlers Hardy Krüger (88, „Einer kam durch”, „Hatari!”) erscheint in ihrer existenziellen Dramatik Lichtjahre entfernt vom Twitter-Dasein heutiger Teenager.

Es war ein Dasein, über das Krüger nun ein Buch – sein 17. – geschrieben hat. Unter dem Titel „Was das Leben sich erlaubt. Mein Deutschland und ich” (Verlag Hoffmann und Campe) erinnert sich der in Kalifornien und Hamburg lebende einstige Weltstar an sein Heranwachsen vor dem Hintergrund von Drittem Reich, Massenmord und Untergang sowie der Hitler-Hörigkeit vieler Deutscher, auch seiner eigenen Eltern. Allerdings aus höchst aktuellem und patriotischem Anlass, wie er schreibt. „Hebt Euch ab von den Politikverdrossenen und anderen Gedankenlosen, die uns schon einmal ins Verderben haben gehen lassen”, wendet sich der seit vielen Jahren gegen neu erblühten Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit engagierte Autor zumal an ein junges Lesepublikum.

Und er fährt fort: „Schweigt nicht zu den verbrecherischen Thesen von gefährlich Rechts und ganz weit Links. ... Weil es Euer Leben ist. Eure Zukunft. Unser Land.” Schon seit Jahren nutzt Krüger seine Erfahrungen und seine Popularität, um in Schulen und Rathäusern Aufklärung über die dunkle deutsche Vergangenheit zu betreiben. Außerdem gründete er etwa 2013 mit der Initiative „Exit Deutschland” sowie den Prominenten Klaus Bednarz, Hark Bohm und Dieter Hallervorden das Projekt „Gemeinsam gegen rechte Gewalt”. Es weist auf neonazistische Gefahren hin und wirbt für die Unterstützung von Projekten gegen Rechts.

In seinem - in herbem Stakkato-Stil und mit zeitgeschichtlichen Ergänzungen der Journalisten Peter Käfferlein und Olaf Köhne verfassten - Buch beeindruckt Krüger allein durch seine persönlichen äußeren und inneren Erlebnisse. Die gestalteten sich zwar selbst für damalige Zeiten extrem, stehen dennoch beispielhaft für moralischen Niedergang – und die Möglichkeit, sich daraus zu erheben. Für den hochbegabten Berliner Jungen Eberhard, dessen bieder-bürgerliche Eltern ihm auf erste kritische politische Fragen die Antworten schuldig blieben, gerieten die Kinostars Söhnker und Florath zu Schicksalsfiguren. Beim Dreh zum Propagandastreifen „Junge Adler”, zu dem der Elite-HJler Krüger, der normalerweise das „Ehrenkleid des Führers” – schwarze Hose und braunes Hemd – trug, 1943 abgeordnet war, entpuppte sich Söhnker als Anti-Nazi. Der den verbotenen Feindsender BBC hörte und todesmutig Juden das Leben rettete.

Mit dem älteren Florath, der schwer unter seiner Mitwirkung in Veit Harlans antisemitischem Machwerk „Jud Süß” (1940) litt, klärte der elegante Kino-Charmeur Söhnker den Jungkollegen mittels heimlicher Vorführungen von Filmen emigrierter jüdischer Regisseure und in vertraulichen Gesprächen auf. Was den 15-Jährigen zunächst unendlich verwirrte, ihn schließlich aber verwandelte und fortan sein Leben prägen sollte.

Die Freundschaft Krügers mit dem politisch weiterhin wachsamen Söhnker, der in den 60er und 70er Jahren auch im Fernsehen („Der Forellenhof”, „Salto Mortale”) Erfolge feierte, hatte Bestand bis zu dessen Tod. Ihm widmet der 88-Jährige, der Offizier der Französischen Ehrenlegion und Träger des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ist, sein Werk im Vorspann „In unendlicher Dankbarkeit”.

Doch auch Krügers Kontakt zum bedeutenden Theatermimen Florath blieb zunächst erhalten. Bis dieser – wohl aufgrund andauernder Schuldgefühle – dem Alkohol verfiel und relativ früh verstarb.

- Hardy Krüger: Was das Leben sich erlaubt – Mein Deutschland und ich. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, 224 Seiten, 20,00 Euro, 978-3-455-50397-5. (dpa)