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Filmprojekt Filmprojekt: 50 Jahre «Kinder von Golzow»

Von Haiko Prengel 26.08.2011, 07:27
Im Filmmuseum «Kinder von Golzow» im brandenburgischen Golzow (Märkisch-Oderland) unterhalten sich (l-r) Elke Hinkelmann, Bernhard Guderjahn, Eckhard Hoppe, der Regisseur Winfried Junge mit seiner Frau Barbara und Anita Weber am Schnittplatz (FOTO: DPA)
Im Filmmuseum «Kinder von Golzow» im brandenburgischen Golzow (Märkisch-Oderland) unterhalten sich (l-r) Elke Hinkelmann, Bernhard Guderjahn, Eckhard Hoppe, der Regisseur Winfried Junge mit seiner Frau Barbara und Anita Weber am Schnittplatz (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Golzow/dpa. - Den großen Sandkasten in der Golzower Kita gibt esnach 50 Jahren immer noch. Eckhard Hoppe, ein großer Mann mit dunklemSchnauzbart und weißem Haar, schaut wehmütig auf die Förmchen undSiebe. Vor einem halben Jahrhundert haben er und seine Freunde hierSandburgen gebaut, als kleine Steppkes aus dem Oderbruch. Es war dieerste Szene der Filmchronik «Die Kinder von Golzow», gedreht vonWinfried Junge am 28. August 1961 - kurz nach dem Bau der BerlinerMauer. «Wenn ich erst zur Schule geh» hieß der Schwarzweißfilm.

Damals begann eine der wohl längsten Dokumentarreihen derFilmgeschichte, sie endete erst 2007. Schulzeit, Ausbildung, ersteLiebe, Familiengründung: Auch wenn es meist um Alltägliches geht,machte die Saga über die Entwicklung einer Landschulklasse dasbrandenburgische Dorf Golzow berühmt. An diesem Sonntag (28.8.) wirdin dem Ort der 50. Jahrestag des Drehbeginns gefeiert; dann gibt esnoch am 2. September eine «Lange Filmnacht» und tags darauf einenFestempfang. Auch Eckhard Hoppe wird kommen und andere von den fast20 Porträtierten, die heute um die 56 Jahre alt sind.

«50 Jahre Geschichtsaufarbeitung», nennt Regisseur Winfried Jungedie Chronik lapidar. Gewiss, die Medien lebten heute von Sensationenund in Golzow gebe es nichts Sensationelles. «Das Ganze, dieAlltagsebene, ist die Sensation», betont Junge. «Die Kinder vonGolzow» sind das Lebenswerk des 76-Jährigen, es kam ins Guinness Buchder Rekorde, gewann etliche Preise und lief in vielen Ländern imFernsehen. Junge selbst erhielt den Verdienstorden des LandesBrandenburg und den Deutschen Kritikerpreis.

Gerade manch Westdeutscher wird überrascht sein, wenn er sich zumersten Mal die Chronik ansieht. So manches Klischee fällt da in sichzusammen, etwa dass das Leben im Osten grau und fad gewesen sei. Ineiner Filmsequenz aus den Siebzigern etwa tragen die jungen Frauen inGolzow bunte Schlaghosen, die Männer lange Haare und Lederjacken. DieRolling Stones sind gerade schwer angesagt. Abends wird beim Bierchendie Fußball-Weltmeisterschaft im Fernsehen angeguckt.

Dem 2008 in Golzow eröffneten Filmmuseum fehlt das Geld, um diegut 400 Kilometer Film, die alten Schneideplätze und Kamerasangemessen zu archivieren. Man ist in erster Linie auf Spendenangewiesen, aus den Kulturetats von Land oder Bund gab es bislangnichts. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) habe sich malsämtliche Filme schicken lassen und Unterstützung signalisiert. «Daswaren aber bloß Lippenbekenntnisse», sagt Golzows BürgermeisterKlaus-Dieter Lehmann (FDP).

Dem widerspricht der Potsdamer Regierungssprecher Thomas Braunevehement. Bei der Verleihung des Landesordens an das Ehepaar Jungesei der Staatskanzlei das Filmwerk angeboten worden. Platzeck habe esdaraufhin im Einverständnis mit den Filmemachern der Landeszentralefür politische Bildung zur Verfügung gestellt. Auch durch dendamaligen Staatskanzlei-Chef sei Hilfe signalisiert, dann aber nichtabgerufen worden.

An das Leben in der DDR haben viele in Golzow eher guteErinnerungen. «Ich bin damals jeden Morgen sorgenfrei aufgestanden»,erzählt Eckhard Hoppe. Bei der LPG fuhr er Traktoren, Arbeit gab eseigentlich immer. Heute ist Hoppe arbeitslos, wie viele andere imDorf. «Wir waren damals glücklich», sagt einer. Ein anderer räumtein, dass auch viel vom Sozialismus «verklärt» werde.

Heute hat Golzow gut ein Viertel weniger Einwohner, etwa 950.Viele verließen den Ort, suchten anderswo ihr Glück - auch etlicheFilmkinder. Einige von ihnen verschlug es nach der Wende nachAugsburg oder Wuppertal. Das sei die «normale Entwicklung», mit deralle Orte in der märkischen Provinz zu kämpfen hätte, sagtBürgermeister Lehmann. Aber man gebe sich alle Mühe, das Golzow einlebenswerter Ort bleibe. Und Kinder wird es im Dorf noch eine Weilegeben: Gerade hat das neue Schuljahr begonnen, 19 Erstklässler gehenjetzt zur Grundschule «Kinder von Golzow».