Festival Festival: Die Stimmen der Welt erzählen von der Schöpfung
WITTENBERG/MZ. - Als Triptychon sind die ersten Jahre des neuen Festivals konzipiert: Zum Auftakt werden bis zum 3. Juli Schöpfungsmythen verhandelt, im nächsten Jahr geht es um das Dasein "Mitten im Leben" und 2013 folgt die "Heimkehr ins Paradies".
Der interkulturelle und interreligiöse Dialog soll dort ansetzen, wo das Gespräch mit Worten an Grenzen gestoßen ist und in der Seelensprache der Musik geführt werden. Besonders die Bedeutung des Gesangs wird so ausgestellt und schafft über den Reformator auch eine Verbindung zur Lutherdekade, in die das Festival eingebettet ist. Denn schon Martin Luther erkannte die Bedeutung des kollektiven Gesangs für die geistliche Stärkung. Eine Schöpfung im doppelten Sinn konnte man beim Eröffnungskonzert erleben: Die des Festivals einerseits, die aber andererseits schon den göttlich gefügten Übergang vom Chaos in die Ordnung zum Thema hat. Das nämlich ist eine Konstante allen geistlichen Nachdenkens über den Ursprung: Vorher war das Chaos - nach dem Wirken Gottes die Ordnung, die der Mensch zu gestalten hat.
Genau dieses Geschehen versuchte Jean-Féry Rebel 1737 in seinem Werk "Les Éléments" zu fassen. Der Urknall ist für ihn dabei ein gewaltiges Klangcluster, dass sich dann in einzelne Motive ausdifferenziert. Als Interpreten setzten die Musiker des Kammerorchesters Basel unter Leitung von Paul Goodman einen fulminanten Auftakt. Dies lag nicht zuletzt an der Leistung des Tölzer Knabenchors und den Gesangssolisten in den Kompositionen von John Taverner und Georg Friedrich Händel - sowie an der hervorragenden Dramaturgie, die eine Blaupause für die Anlage des gesamten Festivals lieferte. Wie das Weltengrollen ließen sich Iannis Xenakis' "Rebonds" auf Alex Wäbers Solo-Schlagzeug an - eine sich aus sich selbst entstehendende Beschleunigung und Dynamik.
Am zweiten Festivalabend erwartete die Zuhörer in der Stadtkirche ein interkulturelles Programm der besonderen Art: "Sacred Bridges" schlug Brücken zwischen Judentum, Christentum und Islam. Dabei erklangen Vertonungen der Davids-Psalmen des 16. und 17. Jahrhunderts auf Hebräisch, Französisch und Türkisch. Die Ensembles Stimmkunst (Leitung: Kay Johannsen) und Sarband (Leitung: Vladimir Ivanoff) spürten dem interreligiösen Austausch in Werken nach, die sich intensiv mit anderen Religionen und Gottesbildern auseinandersetzten.
So konnte das Publikum die unterschiedlichen Klänge der Sprache und ihrer tonalen Umsetzung direkt vergleichen. Visuelle Reize boten zwei Derwische des Mevlevi-Ordens, die einzelne Texte vertanzten: Mit geschlossenen Augen wirbelten die beiden im immer gleichen Tempo um ihre eigene Achse - ein Bild von Ruhe und schwebender Versenkung. Zum Abschluss erklang die hebräische Fassung des 128. Psalms mit seiner Verheißung an ein Gottesvolk und an die ganze Welt: Friede über Israel!
Das Eröffnungskonzert strahlt der Rundfunksender MDR Figaro Dienstag ab 20.05 Uhr aus.