Familie Popolski Familie Popolski: Biografie über Piotrek Popolski

Halle (Saale) - Nach sechs zwerchfellerschütternden Jahren ist 2014 eigentlich Schluss mit lustig gewesen bei der Familie Popolski. Aber nach der Show, die im Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks lief, ist vor dem Buch. Und das hat nun der Musiker Achim Hagemann alias Pawel Popolski vorgelegt, der Kopf der parodistischen Musikantentruppe.
Hagemann, der schon mit Hape Kerkeling unterwegs gewesen ist, stammt im wirklichen Leben aus Recklinghausen im Ruhrgebiet - tief im Westen also liegen seine Wurzeln. Pawel Popolski indes, in den er sich verwandelt hat, ist in Zabrze beheimatet, einer Stadt im oberschlesischen Kohlerevier. Katholisch ist man da wie dort, an Mutterwitz herrscht wohl kein Mangel. Und auch an Lebensfreude nicht, durch deren glaubwürdige Behauptung die Popolskis sich legitimiert fühlen, auch Polen wie den Rest der Welt zu behandeln - nämlich durch den Kakao zu ziehen.
Unbekümmerte Polen-Späße
Das ist politisch so inkorrekt, dass es geradezu eine Widerstandstat genannt werden muss in unseren verunsicherten Zeiten: Während deutsche Verlage in vorbildlichem Antirassismus beschlossen haben, dass der Vater von Pippi Langstrumpf kein Negerkönig im Taka-Tuka-Land mehr sein darf, worauf die Schriftstellerin Astrid Lindgren leider nicht von selber gekommen war, machen die Popolskis einen unbekümmerten Polen-Spaß nach dem anderen - zu Recht. Denn man spürt in jedem Moment, dass hier auch Scherz mit Klischees und Vorurteilen der Deutschen getrieben wird.
Achim Hagemann hat eine Biografie von Piotrek Popolski geschrieben, dem fiktiven Stammvater der Musikanten, dem die Polka über alles ging und der nun endlich ins verdiente Licht gerückt werden soll. Immerhin, so die schwerwiegende These des Autoren, hat Piotrek in seiner Wohnung im zwölften Stock eines Plattenbaus in Zabrze nicht weniger als 128 000 Top-Ten-Hits geschrieben, die ihm windige Leute stahlen und an internationale Künstler verhökerten.
Schon diese nachgereichte Biografie, von der in der WDR-Fernsehshow freilich einige Male die Rede war, ist eine Anspielung für sich. Erinnert sie doch an schöne, den Geldsegen für die Produzenten verlängernde Hollywood-Bräuche, nach dem Film die Erklärung zu liefern, wie alles begann. Natürlich wieder als Film.
Piotrek nun, der Hobbit der polnischen Polka, wird als Kind von außergewöhnlicher Begabung beschrieben. Schon sein erster Babyschrei ließ die Gläser klirren, eine Wodkaflasche zersprang. Später, legt Hagemann nahe, habe der Schriftsteller Günter Grass das Motiv in Gestalt des kleinen Oskar Matzerath in der „Blechtrommel“ aufgegriffen.
Missverständnisse über Missverständnisse
Mit seiner Leidenschaft zum häuslichen Musizieren und Singen trieb Piotrek Eltern und Geschwister in die Verzweiflung. Aber auch in richtige Bahnen gelenkt, blieben dem Knaben und jungen Manne Missverständnisse nicht erspart. Bei einem Schulauftritt fiel er mit einer etwas exzentrischen Gesangsnummer auf, die der 1888 Geborene in engen schwarzen Hosen sowie mit nacktem Oberkörper und geschminktem Gesicht präsentierte: „School’s out für summer, School’s out forever“. Dazu trug er eine Schlange um den Hals, das Publikum war entsetzt.
Später, schreibt Hagemann, hätte der Enkel von Piotreks bewunderter, nach Amerika ausgewanderter Lehrerin unter dem Namen Alice Cooper mit den Lied Karriere gemacht. Nicht aber Piotrek, der bis ans Ende seines 100-jährigen Lebens „keine Zloty von der Tantiemen“ gesehen hatte. Auch sein segensreiches Wirken als Leiter eines katholischen Gemeindechores, dessen weibliche Mitglieder ihn anhimmelten, endete jäh nach dem Absingen der Zeile „Highway to Hell“, auch dies natürlich ein Hit, den ursprünglich Piotrek Popolski geschrieben hat. Immer war er zu früh, stets wurde er vergessen. So, wie es ihm auch bei seiner Mondlandung erging, Minuten vor den Amerikanern. Die fanden dann, so Hagemann, zu ihrer Verwunderung ein altes Akkordeon, eine Flasche Wodka und Gürkchen aus der Gegend von Pyskowice vor.
So irrlichtert die Geschichte mit viel Liebe und nicht weniger Witz durch die Weltgeschichte, der hochbetagt gestorbene Piotrek Popolski und seine Nachfahren können einem richtig ans Herz wachsen. Und man versteht auch Piotreks großen Kummer: „Alle Welt kennt meine Chits, niemand kennt die Originale. Meine armen, armen Lieder!“ Besonders sauer ist der Vollblutmusiker auf seinen Kollegen Wolfgang „Wolle“ Petry: „Der Frisur ist eine Grauen“, findet Piotrek, „und der Schnäuzer rettet der auch nicht mehr“. Da mag man nicht mit ihm streiten. (mz)
Achim Hagemann: „Der Familie Popolski“, Rowohlt, 304 S., 14,99 Euro