Der allerletzte Walzer Der allerletzte Walzer: Puhdys veröffentlichen "Das letzte Konzert"

Halle (Saale) - Es war ein später Triumph, ein sehr später sogar. 47 Jahre brauchten die Puhdys, bis Frontmann Dieter Birr den Musikpreis „Echo“ in der vergangenen Woche zum ersten Mal in die Höhe recken konnte. Ein Echo für das Lebenswerk der 1969 gegründeten Band, die mit mehr als 22 Millionen Alben mehr Platten verkauft hat als Marius Müller-Westernhagen und BAP zusammen.
Aber in ihrem 47. Jahr, das nun wirklich, ehrlich und auf jeden Fall das letzte vor dem endgültigen Gang in die Rock’n’Roll-Ruhestand werden soll, bleiben Birr, Gitarrist Dieter „Quaster“ Hertrampf, Bassmann Peter Rasym, Schlagzeuger Klaus Scharfschwerdt und Keyboarder Peter Meyer gelassen. Mit dem Echo in die Rockerrente, das „zeigt, dass die Veranstalter uns doch mögen“, kommentiert Dieter Birr knapp. Eine gewagte These, denn in den 25 Echo-Jahren zuvor war seine bis heute gern als „ostdeutsch“ bezeichnete Kapelle nicht einmal als Gast zu einer Verleihungsgala eingeladen gewesen.
Erinnerungen an ganz andere Zeiten
Es hat sie insgeheim gewurmt, immer im Ostrock-Käfig gefangen bleiben zu müssen. Aber andererseits, sagt Birr, „freut es mich einfach, wenn uns Leute zuhören, weil die das ja nicht müssen.“
Birr, 72 Jahre alt und noch immer der große Kerl in der Mitte aller Band-Fotos, erinnert sich gut noch an ganz andere Zeiten. Gleich nach der Wende hat er mal vor 40 Leuten in Königs Wusterhausen gespielt. Später fanden die Puhdys keine Plattenfirma und sie mussten ein neues Album über eine Tankstellenkette verkaufen. Ende der 90er Jahre war nicht mehr viel Hoffnung auf eine Rückkehr an die Spitze der nationalen Rockszene. Auftritte fanden in zugigen Hallen am Rand kleiner Städte statt. Der Sound war bescheiden, die Lichtshow karg. Die Puhdys drohten, als ihre eigene Jukebox zu enden. Immer mit denselben Liedern unterwegs, immer ohne Ziel.
Es ist anders gekommen. Anfang der 2000er Jahre drehte sich der Wind. Plötzlich bekamen ihn die Puhdys nicht mehr von vorn ins Gesicht. Nein, wie damals in der alten DDR blies er von hinten in die Segel der Gruppe, in der mit Birr, Hertrampf und Meyer noch drei von fünf Gründungsmitgliedern spielen. Nun gab es wieder neue Lieder nach dem alten Rezept. Große Melodie, raue Stimme, Texte über die letzten Dinge. Und eine neue Generation entdeckte die alte Musik von „Eingehängt“, „Quaster“, „Maschine“ und „Bimbo“, wie sich die Puhdys untereinander bis heute trotzig in der Spitznamen-Tradition der 70er Jahre nennen. „Alt wie ein Baum“ und „Lebenszeit“ waren nun Kulthits. Der Ballermann feierte zu „Wir wollen die Eisbären sehen“. Und DJs aus dem Wendland remixten „Geh zu ihr“.
Zwei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR, die vorübergehend auch das Ende ihrer erfolgreichsten Rockband gewesen war, fanden Maschine und seine Männer zum Selbstbewusstsein der Tage zurück, in denen sie keine Konkurrenz fürchten mussten. Die Städte wurden wieder größer, die Hallen voller. Selbst die gigantische O2-World in Berlin war ausverkauft. Statt der Tankstellenkette verkauft seitdem der US-Multi Universal neue Werke wie „Es war schön“ und „Dezembertage“.
Die klangen nach Abschied, immer mehr und immer wieder. Aber der kam nicht. Nach jedem Ende stand ein neuer Anfang, ein Weiterso, ein Weihnachtskonzert und ein Rocklegendentreffen mit den Kollegen von City und Karat. Der Dreierpack aus Ostgefühl begeisterte Zehntausende alter und neuer Fans auf einer gemeinsamen Tour. Gibt es schlechtere Gründe, nach dem Rentenbescheid zu rufen?
Abschiedstour Nummer vier läuft in der Leipzig Arena an
Erst im vergangenen Jahr war es dann doch soweit. Ein halbes Jahrhundert nach dem historischen ersten Treffen von Dieter Hertrampf und Peter Meyer bei der inzwischen längst vergessenen Udo-Wendel-Combo, gaben die Puhdys ihren Abschied bekannt. Auf Puhdys-Art folgte dem Ende eine Abschiedstournee. Fans zählen sie als Nummer 3. Der folgt nun ein Abschieds-Doppelalbum - Mitte Januar in Berlin mitgeschnitten und „Danke - Das letzte Konzert“ überschrieben. 32 Songs, zum Teil mit Töchtern und Söhnen wie Kimberly Hertrampf, Andy Birr und Nick Scharfschwerdt eingespielt, geben in zwei Stunden noch einmal einen Eindruck vom hemdsärmligen Genie dieser Band, große Themen in kleine Lieder zu verpacken.
Das Ende aber war auch das selbstverständlich noch nicht. Abschiedstour Nummer vier läuft am Donnerstagabend in der Leipzig Arena an, wieder mit City und Karat. 20 Termine folgen. Danach erst soll richtig, wirklich und tatsächlich endgültig Schluss sein. Dieter Birr wird sich auf seine Solo-Karriere konzentrieren. Im Februar 2017 spielt er ein Konzert in Halle. (mz)