DEFA-Film "Heißer Sommer" DEFA-Film "Heißer Sommer": Komponist Gerd Natschinski ist tot

Berlin/Halle (Saale) - „Die Heimat hat sich schön gemacht und Tau blitzt ihr im Haar. / Die Wellen spiegeln ihre Pracht wie frohe Augen klar. / Die Wiese blüht die Tanne rauscht, sie tun geheimnisvoll. / Frisch das Geheimnis abgelauscht, das uns beglücken soll.“
So beginnt eines der bekanntesten Kinderlieder aus DDR-Zeiten. Es wurde im Musikunterricht ebenso gesungen wie vom Schulchor und in Ferienlagern. Schon in den frühen 1970er Jahren steht der Text von Manfred Streubel im „Liederbuch der Jungpioniere“ in der DDR namens „Sing mit Pionier“. Komponiert wurde das „Lied der jungen Naturforscher“, so sein offizieller Name, von Gerd Natschinski, einem der bekanntesten Künstler der DDR.
Der am 23. August 1928 in Chemnitz geborene Natschinski hatte als 17-Jähriger die Zerstörung Dresdens überlebt. Nach dem Krieg studierte er zunächst in der Elbestadt, später war er in Berlin Meisterschüler von Hanns Eisler, der 1949 „Auferstanden aus Ruinen“ komponierte, die DDR-Nationalhymne. 1952, da war Natschinski gerade 24 Jahre alt, wurde er Chefdirigent des Großen Tanz- und Unterhaltungsorchesters beim „Berliner Rundfunk“ in der DDR.
Erfolg mit einem Musical nach Oscar Wilde
Einen Erfolg im In- und Ausland feierte Natschinski mit seinem 1964 komponierten Musical „Mein Freund Bunbury“, nach der Komödie „Ernst sein ist alles oder Bunbury“ des irischen Schriftstellers Oscar Wilde (1854 bis 1900). Es gab 150 Inszenierungen und Aufführungen in zehn Sprachen.
Weitaus bekannter als „Bunbury“ ist bei vielen ehemaligen DDR-Bürgern jedoch der DDR-Musikfilm „Heißer Sommer“ von 1968. Dessen Erfolg gründet sich sowohl auf die von Gerd Natschinski komponierten Songs als auch auf die für DDR-Verhältnisse überraschend unpolitische Handlung: Beim Trampen an die DDR-Ostseeküste begegnen sich zehn Oberschüler aus Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und elf Oberschülerinnen aus Leipzig, wobei diverse Streiche in Flirts münden. Die Hauptrollen in „Heißer Sommer“ spielen die Schlagersänger Chris Doerk und Frank Schöbel, die damals auch privat ein Paar waren.
Was noch passierte 1968 in der DDR, als der Musikfilm „Heißer Sommer“ mit Chris Doerk und Frank Schöbel in die Kinos kam, lesen sie auf der nächsten Seite.
Soviel Entertainment war selten im weitgehend humorlosen Arbeiter- und Bauernstaat von Walter Ulbricht. Im Januar 1968 hatte die DDR-Volkskammer ein neues Strafgesetzbuch mit Strafverschärfung für politische Delikte beschlossen, ein so genannter „Volksentscheid“ ergab am 6. April eine deutliche Mehrheit für eine neue Verfassung, in der die führende Rolle der SED im DDR-Sozialismus festgezurrt war, am 30. Mai wurde die Leipziger Universitätskirche gesprengt und seit Anfang Juni galt eine Pass- und Visumpflicht für Westdeutsche bei Transitreisen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik – da sang Chris Doerk im Kino diese Zeilen zur Musik von Natschinski: „Wolkenloser Himmel und der Wind der schweigt. / Kaum zu glauben wie das Barometer steigt. / Heißer Sommer in diesem Jahr, / Ist ein heißer Sommer wie wunderbar!“ Auch über 40 Jahre später hat das DDR-Musical eine feste Fan-Gemeinde.
„Heißer Sommer“ war einer von 70 DEFA-Filmen, zu denen Gerd Natschinski die Musik komponierte, wofür er zahlreiche Auszeichnungen wie den Nationalpreis der DDR erhielt. Und der Komponist war auch politisch aktiv, zehn Jahre lang von 1971 bis 1981 als Abgeordneter der DDR-Volkskammer. Dort saß er allerdings nicht für die Sozialistische Einheitspartei SED von Ulbricht und Honecker, sondern für die „Liberal-Demokratische Partei Deutschlands“ (LDPD), die 20 Jahre später in der westdeutschen FDP aufging. Diese Woche Dienstag, 19 Tage vor seinem 87. Geburtstag, ist Gerd Natschinski in einem Krankenhaus in Berlin gestorben. (mz)
