Defa-Film «Heißer Sommer» 1968 Defa-Film «Heißer Sommer» 1968: Im Cabrio zum Kommunismus
Halle/MZ. - Kein Aufwand war zu hoch, glaubt der Professor der Martin-Luther-Uni Halle, und kein Star zu fein. Mit Chris Doerk und Frank Schöbel spielte das Traumpaar der DDR-Unterhaltungskunst mit, Gerd und Thomas Natschinski lieferten den poppigen Soundtrack, mit Leipzig, der Insel Rügen und Berlin wurde an Plätzen gedreht, die dem Klischeebild der grauen, trostlosen DDR gar nicht entsprachen.
Freiheit im Kollektiv
Hell leuchtet der Beton, hell leuchten die Strände und Plätze, auf denen die Mädchen- und die Jungenclique ihre getanzten Dialoge führen. "Ich will heut' was erleben" lautet eine Zeile aus einem Filmsong, der mehr nach West-Beat klingt als nach ostdeutschem Lipsi.
Reiner Zufall, dass "Heißer Sommer" mitten in den Prager Frühling fiel. Am Tag vor dem Kinostart veröffentlichte der tschechische Schriftsteller Ludvík Vaculík in Prag das "Manifest der 2 000 Worte", das "Irrtümer des Sozialismus" anprangerte und der kommunistischen Partei das Misstrauen aussprach. In der Tschechoslowakei stieg die gesellschaftliche Temperatur täglich. In der DDR tanzte die Filmjugend auf den Straßen.
"Heißer Sommer", gedreht im dunklen Schatten des XI. Plenums des ZK der SED, das drei Jahre zuvor jede künstlerische Kritik am Staat unterbunden hatte, spielte eine heile Welt vor. "Stellen Sie sich ein paar kommunistische Jugendliche vor", beschreiben die Experten der Internationalen Datenbank des Films das Werk, "sie haben Freude am Kollektiv und die Freiheit, Sex mit jedem zu haben, den sie mögen." Dazu ein paar "unglaublich eingängige Songs" und eine "surreale Choreographie" - fertig ist ein Film, der quasi mit dem Cabrio in den Kommunismus fährt.
"Da waren absolute Profis am Werk", urteilt Defa-Forscher Georg Maas, "denen es gelang, das Lebensgefühl der Leute genau zu treffen." 55 Prozent der DDR-Jugendlichen sind damals, einer "Pilzkopf-Studie" genannten Umfrage unter Jugendlichen zufolge, "stolz, junger Bürger unseres sozialistischen Staates zu sein". Alle anderen hören Radio Luxemburg und schwärmen für die Beatles. Musik, so analysiert Kulturminister Klaus Gysi, "ist ein Hauptinstrument des Imperialismus zur Manipulation gegenstandsloser Gefühle."
Das kann der Sozialismus auch, befanden die Defa-Oberen. "Die hatten sich in den Kopf gesetzt, einen Musikfilm zu drehen, der so gut war wie die "West Side Story", erinnert sich Thomas Natschinski, damals 20 Jahre alt und der erste Pop-Star der DDR. Natschinski, beim Soundtrack für "das Rumplige, das Moderne" zuständig, sieht bei den Dreharbeiten auf Rügen "amerikanische Ballettartistik", deren Leichtigkeit "für deutsche Füße ziemlich schwer war". Für das Kino-Publikum ist es genau richtig. Die simple Story um die von Chris Doerk gespielte hübsche, selbstbewusste Stupsi und den leicht machohaften Kai (Frank Schöbel), die mit ihren Cliquen an die Ostsee reisen und sich dabei erst necken und dann lieben, zieht die DDR-Bürger in Massen ins Kino.
Interesse in New York
"Chris Doerk und Frank Schöbel", erinnert sich Natschinski, "waren keine Berufsschauspieler, aber unendlich frisch und ineinander verliebt". Durch die Leinwand springt der Funke über - so echt kannte das Volk seine Künstler nicht. "Hier hat es mal geklappt, den gesellschaftlichen Konsens zu treffen", glaubt Jens Arndt vom Institut für Musik der Uni Halle. Ideologie ist bei "Heißer Sommer" gerade die Abwesenheit von Ideologie. Während auf dem Prager Pflaster russische Panzerketten scheppern und jedes Aufflackern der Sehnsucht nach einem "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" in die Gosse planieren, schunkeln die Freilicht-Kinos an der Ostseeküste "Sieh doch nur wie himmelblau der Himmel ist, / Nur weil ihn seit Tagen schon die Sonne küsst". Die bessere Welt, so die Botschaft, kann auch fröhlich sein, der bessere Mensch hat auch Spaß. Vor einigen Jahren, berichtet Thomas Natschinski, wollte ein junger US-Theatermacher den "Heißen Sommer" als Musical nach New York holen. Die Wiederbelebung des größten Filmmusicals der sozialistischen Welt scheiterte, ganz kapitalistisch, an der Finanzierung.