Caroline Schlegel-Schelling Caroline Schlegel-Schelling: Ihr Lachen hallt durch die deutsche Literaturgeschichte
Halle/MZ. - Das war hierzulande um 1800 eine Neuigkeit, denn von den Paradekünstlern alter Schule wurden die Gefährtinnen ausschließlich nach ihrer Tauglichkeit als Geliebte, Mutter und Haushälterin erwählt.
Ganz anders die kulturrevolutionären Romantiker: Die Literaten-Brüder Schlegel, der Dichter Brentano, der Erzähler von Arnim - sie alle wählten Frauen, die ihnen auch in geistigen und künstlerischen Fragen eine Partnerin sein konnten. Die Liebes- als Arbeitsgemeinschaft ist solcherart eine Erfindung der deutschen Romantik. Jenes Modell, das Bertolt Brecht im 20. Jahrhundert zur vollen Entfaltung führen sollte, alle menschlichen Katastrophen inklusive.
Nicht die berühmteste, aber die am meisten verehrte Romantikerfrau ist Caroline Schlegel-Schelling, die Gastgeberin der Jenaer Frühromantik. Gleich zwei Ehemännern nacheinander galt sie als kongeniale Partnerin: dem Literaten August Wilhelm Schlegel (1767-1845) und dem Philosophen Friedrich Schelling (1775-1854). Aber eine Literatin ist die 1763 in Göttingen geborene Gelehrtentochter nur in kleinen publizistischen Arbeiten gewesen; nicht das Talent fehlte ihr, sondern der Ehrgeiz. Auch als Ahnfrau der Emanzipation taugt Caroline nicht: Frauen in öffentlichen Rollen lehnte sie ab. Die Frau, um die es Caroline ging, das war ausschließlich sie selbst.
Aber da ist ihr abenteuerliches Leben, das mit den politischen und gesellschaftlichen Energieschüben um 1800 in Kontakt geriet. Sie sagte es so: "Ich führte ein kühnes, aber nicht frevelhaftes Leben". Stets hatte Caroline entschiedene Begriffe von dem, was für sie selbst jeweils möglich war, und dieses Mögliche wurde von ihr umgesetzt.
Und da sind die von ihr verfassten Briefe, die ihr eigentliches literarisches Werk sind: eine in geistiger und kultureller Hinsicht einzigartige Lektüre. Sigrid Damm, die überregional umtriebigste Propagandistin in Sachen Caroline, schreibt: "Uns interessiert die in den Briefen gespeicherte Lebenserfahrung". Dieses Leben beginnt wohlbehütet akademisch, um 1784 in eine Vernunftehe mit dem Mediziner Böhmer zu führen. Drei Kinder, ein Haushalt im Harz. Die 21-jährige Caroline erlebt sich als "elendes Geschöpf, das mit Gleichgültigkeit das Morgenlicht durch die Vorhänge schimmern sieht und ohne Satisfaction sich niederlegt".
1788 stirbt der Ehemann - und von Frankreich her dämmert eine Revolution. "Lassen Sie uns lieber einmal eine Bande zusammen machen, einen geheimen Orden, der die Ordnung der Dinge umkehrt", schreibt Caroline 1789. Mit ihrer Tochter Auguste zieht sie 1792 ins französisch besetzte Mainz, wo sie im Umkreis Georg Forsters lebt. Mit der deutschen Rückeroberung der "Mainzer Republik" ist Caroline quasi vogelfrei: Von einem französischen Offizier erwartet sie ein Kind. Auf Betreiben August Wilhelm Schlegels wird sie aus der Festung Königstein im Taunus befreit. Schlegel heiratet Caroline 1796 - eine Ehe der Freundschaft, die ihr die Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft ermöglicht. Die Schlegels ziehen nach Jena, wo ihr Haus zur Herberge der deutschen Frühromantik avanciert. Bis 1799 gehen hier Brentano und Novalis, Tieck und Friedrich Schlegel ein und aus. Auch der Philosoph Friedrich Schelling kehrt ein. Zwölf Jahre jünger als Caroline, gewinnt er das Herz der Hausherrin. Fünf Jahre dauert Carolines Loslösung von Schlegel, an der alle in Jena geknüpften Freundschaften zerreißen; 1803 wird die Ehe geschieden. Fünf Jahre soll die Ehe währen, die Carolines erster Liebesheirat folgt; am 7. September vor 200 Jahren stirbt Caroline 46-jährig im baden-württembergischen Maulbronn.
Im Insel Verlag hat Sigrid Damm unter dem Titel "Caroline Schlegel-Schelling. Ein Lebensbild in Briefen" (Insel Taschenbuch, 315 Seiten, 10 Euro) eine - im Vorwort erweiterte - Neuausgabe ihres 79er Reclambuches "Begegnung mit Caroline" vorgelegt; es ist die beste Ausgabe der Briefe, die zu haben ist. Als Biografie empfiehlt sich die nun als Taschenbuch veröffentlichte Arbeit von Brigitte Roßbeck "Zum Trotz glücklich. Caroline Schlegel-Schelling (Pantheon, 368 Seiten, 14,95 Euro): ein kluges, unsentimentales, gut lesbares Buch.
Wer einen Hauch von Carolines Lebenswelt spüren will, sollte nach Jena reisen. Im dortigen "Romantikerhaus", das nicht das (im Zweiten Weltkrieg zerstörte) Wohnhaus Carolines, sondern das des Philosophen Fichte war, ist eine kleine Schau über "Schiller und die Frühromantiker" zu sehen, die um die Wirkung von Schillers Gedicht "Die Glocke" aufgebaut ist. Jenes hausväterliche Sittengedicht, in dem es heißt: "Und drinnen waltet / Die züchtige Hausfrau, / Die Mutter der Kinder, / Und herrschet weise / Im häuslichen Kreise..." Beim Vortrag dieses Gedichtes, schrieb Caroline am 21. Oktober 1799, "sind wir gestern Mittag fast von den Stühlen gefallen vor Lachen". Dieses Lachen, das auch das Lachen Carolines ist, hallt bis heute durch die deutsche Literaturgeschichte.
Ausstellung im Literaturmuseum Romantikerhaus Jena: bis 11.11. Unterm Markt 12 a, Dienstag-Sonntag 10-17 Uhr.