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Besuch in Wandlitz Besuch in Wandlitz: So lebten Ulbricht, Honecker und Co.

Von Andreas Montag 13.01.2018, 12:00
Blick auf den Haupteingang zum früheren «Innenring» der Waldsiedlung Wandlitz.
Blick auf den Haupteingang zum früheren «Innenring» der Waldsiedlung Wandlitz. dpa-Zentralbild

Bernau - Wer die Ruhe sucht, ist hier richtig. Wenn man weit genug wandert, hinein in die Tiefen des weitläufigen Areals der ehemaligen Waldsiedlung, wird man kaum noch Menschen treffen.

Dafür tauchen zwischen den Bäumen vor einigen der renovierten Villen, die heute zu einer Kinderklinik gehören, Erinnerungstafeln auf, die auf die früheren Bewohner verweisen: die Spitzenfunktionäre der DDR.

Die Stille ist so umfassend, dass man sich unschwer vorstellen kann, wie einsam und auch unfroh das Leben seinerzeit hier gewesen sein muss. Nicht, dass man nun von nachträglichem Mitleid ergriffen werden müsste, Gott bewahre! Aber ein Vergnügen wird das nicht gewesen sein - eher wie ein Knast mit den Leuten als Zellennachbarn, die einem schon den lieben, langen Tag im Machtzentrum der SED auf den Wecker gegangen waren.

Es fällt schwer, sich vorzustellen, Erich Honecker wäre mal eben auf ein Bierchen zum Genossen Mielke gegangen. Und Frau Margot, die im vorletzten Jahr gestorbene „First Lady“ der DDR, hat sich selbst unfroh der Grabesstille in Wandlitz erinnert, wie man das Areal bündig nennt, obwohl es genau genommen zur Gemeinde Bernau gehört.

Im benachbarten Wandlitz gibt es andere, noch gruseligere Erinnerungsobjekte. Den Atombunker Honeckers und seiner Getreuen beim Ortsteil Prenden zum Beispiel. Unweit, bei Lanke, liegt der Bogensee, wo Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels seinen mondänen, bis heute erhaltenen Sommersitz hatte, in dem er gern mit befreundeten Ufa-Stars im privaten Kino gesessen hat.

Später übernahm die FDJ das Areal und ließ dort ihre Kaderschmiede errichten. Heute ist alles von Buschwerk überwuchert, ein schlummerndes, unbewältigtes Stück deutscher Geschichte auch dies.

Siedlung Wandlitz: Teilweiser Denkmalschutz für die Häuser von Ulbricht, Honecker und Co.

In der Waldsiedlung indes hat sich einiges getan. Sowohl, was die zeitgemäße Nutzung betrifft, als auch in Sachen Erinnerungskultur. Das Land Brandenburg hat sich jüngst entschlossen, das Gelände teilweise unter Denkmalschutz zu stellen.

Das hat ein bisschen gedauert, immerhin sind die Herrschaften vor 28 Jahren dort weggezogen. Aber Potsdam, die zuständige Landeshauptstadt, liegt ja auch südlich von Berlin, Bernau und Wandlitz im Norden. Da sind die Wege der Entscheidung schon mal länger.

Gleichwie: Dass man die Waldsiedlung nun als das Besondere begreift, das sie in ihrer spießbürgerlichen Monströsität zweifellos gewesen ist, muss man loben. Es hat ja fast groteske, jedenfalls ironische Züge, wenn man sich vorstellt, wie sich die Ulbrichts, Honeckers und Genossen allabendlich in ihrem, von einer Mauer eingehegten Refugium einschließen ließen und damit gewissermaßen den Schulterschluss mit ihrem Volk probten.

Das hatte sich im August 1961 freilich nicht freiwillig einmauern lassen, dem hatten die Funktionäre das angetan - kraft ihrer selbst zuerkannten Rolle als „Vorhut der revolutionären Arbeiterklasse“.

Besuch in der Siedlung Wandlitz: Wo Mielke verhaftet wurde

Heute muss man vielleicht lachen über diese verquaste Argumentation, damals war sie ernst gemeint und sollte auch gefälligst respektiert werden. Da passte Stasi-Chef Erich Mielke, der natürlich auch in Wandlitz wohnte (und dort im Dezember 1989 festgenommen wurde) schon auf.

Ganz vorbei ist er nicht, der Zorn, den man damals auf diese Herrschaften hatte. Auch wenn die allgemeine Erregung über die Privilegien der SED-Führungsclique sich angesichts des kleinbürgerlichen Charmes ihrer Behausungen, die ein DDR-Fernsehteam im Spätherbst „stürmte“, damals schon ein bisschen peinlich war.

Heute möchte man sie als frühe Ausdrucksform deren deuten, die sich später in Dresden und anderswo als „Wutbürger“ und Pegida-Pöbler artikulieren sollten. Und ganz vorbei scheint auch ein gewisser wütender Stolz nicht zu sein, worauf immer er gerichtet sein mag.

Es gibt viel Helles und Aufgeräumtes hinter dem trutzigen Originaltor der Waldsiedlung. Krankenhäuser, Seniorenresidenzen, auch Wohnhäuser. Patienten werden von Besuchern in Rollstühlen durch den Park geschoben. Erst ganz am Ende wird man auf die alten Herrschaftssitze stoßen, versteckt in stillen Straßen, die nach Waldvögeln benannt sind. Honeckers, ehemals Haus 11, würden heute am Habichtweg 5 logieren, Erich Mielke am Eichelhäherweg 1. (mz)