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Bernd-Lutz Lange Bernd-Lutz Lange: Leipziger Kabarettist veröffentlicht neues Buch

Von Kai Agthe 24.11.2016, 12:00
Er plaudert gern bei Kaffee und Kuchen in einem seiner Leipziger Lieblingscafés: Bernd-Lutz Lange.
Er plaudert gern bei Kaffee und Kuchen in einem seiner Leipziger Lieblingscafés: Bernd-Lutz Lange. dpa

leipzig - „Wie das im Leben so ist: Man vermisst erst etwas richtig, wenn man keinen Zugang mehr dazu hat“, heißt es in „Das gab’s früher nicht“, dem neuen Buch von Bernd-Lutz Lange.

Seit er vor zwei Jahren seine Kabarettkarriere beendete, ist er vor allem Autor, der die Welt beobachtet und kommentiert. Das vorliegende Buch zu schreiben, war ihm ein besonderes Anliegen, sagt Lange.

Auf andere Art als der Bestseller „Magermilch und lange Strümpfe“, der sich über 100 000 Mal verkaufte, ist auch „Das gab’s früher nicht“ ein Erinnerungsbuch. In kurzen Kapiteln thematisiert Bernd-Lutz Lange einerseits „Dinge des Alltags, die es in meiner Kindheit nicht gab“, andererseits „Veränderungen im Lebensstil“.

Leipziger Kabarettist Bernd-Lutz Lange erinnert in seinem Buch an die Kindheit

„Es gibt keinen Menschen, der sich nicht gern an seine Kindheit erinnert. Es sei denn, er hat schlimme Erfahrungen gemacht“, sagt Bernd-Lutz Lange bei einem Gespräch in einem seiner beiden Leipziger Lieblingscafés. Er begann aber nicht erst im Alter über seine frühen Jahre nachzudenken, das Erinnern an Kindheit und Jugend hat ihn immer umgetrieben.

Zumal er, der im Zweiten Weltkrieg geboren wurde, eine behütete Kindheit hatte, auch wenn die Lebensumstände bescheiden gewesen waren. „Meine Mutter hat mir, als ich Kind war, immer wieder versucht zu erklären, wie Schokolade schmeckt. Aber ich konnte mir dieses Geschmackserlebnis einfach nicht vorstellen, weil es kurz nach dem Krieg eine solche Süßigkeit nicht gab“, erklärt der in Zwickau aufgewachsene Schriftsteller.

Seine Erinnerungen unterscheiden sich nicht sehr von denen anderer Menschen seines Alters: „Mit meinen Erinnerungsbüchern gebe ich den Menschen also ein Stück ihrer eigenen Biografie zurück.“

Bernd-Lutz Lange: Der Leipziger Kabarettist über  Erziehung und Körperkult

So auch in „Das gab’s früher nicht“. In kurzen Kapiteln reflektiert Bernd-Lutz Lange über Vornamen und Fernsehen, über Erziehung und Begrüßungsrituale, Körperkult und – ein Muss für einen bekennenden Sachsen wie Lange – über deutsche Dialekte. In letztgenanntem Porträt bedauert der Autor weniger, dass Bayrisch in Umfragen an der Spitze der beliebtesten Dialekte und Sächsisch gewöhnlich am Ende derselben steht, sondern das langsame Aussterben von Mundarten.

Und wie kommentiert Lange den Vormarsch des Hochdeutschen? Natürlich sächsisch: „Ä eenzcher Jammer!“ Den ebenso humorvollen wie nachdenklichen und stets pointierten Texten merkt man an, dass ihr Autor vom Kabarett, oder, wie Bernd-Lutz Lange zu sagen pflegt, von der „Brettl-Bühne“ herkommt.

Vor 50 Jahren gehörte er als Student neben Jürgen Hart, Christian Becher und Gunter Böhnke zu den Mitbegründern des Kabaretts „academixer“, das eine Institution in Leipzig ist.

War es aber 1966 nicht naiv zu glauben, dem damals von Ulbricht regierten DDR-Staat den Spiegel vorhalten zu können, der ja, wie jede Diktatur, nicht verlacht werden wollte? „Ich denke nicht. Wir wollten auf die Bühne und mit den Verhältnissen satirisch umgehen und damit zur Zivilcourage ermuntern.“

Mehr noch: „Auch die Kabarette der DDR haben den Boden gelockert für den Herbst 1989“, ist sich Bernd-Lutz Lange sicher. In den Monaten der politischen Wende in der DDR gehörte der Kabarettist, neben dem damaligen Gewandhaus-Dirigenten Kurt Masur (1927-2015), zu den sogenannten „Leipziger Sechs“, die mit einem von ihnen verfassten Aufruf für Gewaltfreiheit und Dialog dafür Sorge trugen, dass die Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 mit über 70 000 Teilnehmern, die als Beginn der friedlichen Revolution in der DDR gilt, friedlich verlief.

1983 reiste der Leipziger Kabarettist Bernd-Lutz Lange erstmals in den Westen

1983 hatte Bernd-Lutz Lange auf Einladung der Kirche die Möglichkeit, zum ersten Mal in den Westen und dann gleich in die Schweiz zu reisen. Wäre es für ihn eine Option gewesen, dort zu bleiben? „Das war nie ein Thema für mich. Mein Heimatgefühl ist dafür viel zu stark.“

Letzteres galt aber nicht der DDR, sondern Sachsen, dem Land, aus dem er stammt, wo er aufwuchs und Karriere als Künstler machte. Außerdem hatte er als Kabarettist die Möglichkeit, manches Problem, das die Menschen in der DDR bewegte, aber nur im vertrauten Kreis diskutiert werden konnte, auf der Bühne zu thematisieren.

Bei Lesungen werde ihm immer wieder mal gesagt, er solle doch in die Politik gehen. Das aber sei nichts für ihn, sagt Bernd-Lutz Lange. „Ich müsste überzeugt sein, immer Recht zu haben. Und außerdem könnte ich mit so vielen Feinden, die ich als Politiker hätte, nicht leben. Und ganz wichtig: Ich habe keine Lust auf Macht.“

Da gerade mit Frank-Walter Steinmeier ein neuer Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten benannt wurde, wen hätte er sich als Gauck-Nachfolger gewünscht? „Ich hätte Friedrich Schorlemmer als nächsten Bundespräsident vorgeschlagen.“ Aber solch ein Kandidat wie der 72-jährige Wittenberger Theologe, DDR-Bürgerrechtler und Schriftsteller sei unter den derzeitigen politischen Verhältnissen nicht durchsetzbar, meint Bernd-Lutz Lange.

Schreiben von Büchern ist für Leipziger Kabarettisten Bernd-Lutz Lange produktiver Müßiggang

Er selbst pflege jetzt, mit 72 Jahren, den „produktiven Müßiggang“. Das Schreiben und Lesen von Büchern gehöre dazu. Aber schon bei der Zahl der Lesungen, die er annimmt, zügle er sich. „Laut Statistik wird der Mann in Sachsen 77 Jahre alt. Das heißt für mich: Nur noch fünfmal einen Weihnachtsbaum zu kaufen.“ Und da ist er wieder, der Kabarettist, der die Kunst der Pointe auch bei freier Rede vortrefflich beherrscht.

Der Autor in Bernd-Lutz Lange plant indes fröhlich weiter: Sein nächstes Buchprojekt werde er der Zwickauer Altstadt widmen - mithin dem Ort seiner Kindheit und frühen Jugend -, die nach Flächenabrissen zu DDR-Zeiten weitgehend verschwunden ist. 2018, zur 900-Jahr-Feier Zwickaus, soll der Band, den Bernd-Lutz Lange im schönsten Sächsisch „ä kleenes Büchl“ nennt, erscheinen.

Bernd-Lutz Lange: „Das gab’s früher nicht – Ein Auslaufmodell zieht Bilanz“, Aufbau Verlag, 349 Seiten, 19,95 Euro. Aus dem Buch wird Bernd-Lutz Lange in der Thalia-Buchhandlung Halle am 23. Februar um 20.15 Uhr lesen. (mz)